Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Am 18.12.2008 reichte Maya Graf, Nationalrätin Grüne, BL, eine Interpellation ein
Im Zusammenhang mit der Bewilligung von gentechnisch veränderten Erzeugnissen nach der Verordnung über gentechnisch veränderte Lebensmittel (VGVL) bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen: Teilt er die Meinung, dass so lange die Bewilligungsbehörde die Unbedenklichkeit der Gentechsorte MON810 nicht belegen kann und aufgrund neuester wissenschaftlicher Resultate begründeter Verdacht auf Gesundheitsschäden bei Mensch und Tier besteht, diese vorsorglich widerrufen werden muss? Gemäss VGVL Artikel 3 (Anhang 1) werden explizit keine Langzeituntersuchungen verlangt, um die Unbedenklichkeit eines gentechnisch veränderten
Gentechmais: Gesundheitsrisiken
Lebensmittels zu belegen. Sieht der Bundesrat Handlungsbedarf, dass solche Langzeituntersuchungen konsequent durchgeführt werden müssen, bevor GVO als Lebens- und Futtermittel zugelassen werden?
Begründung Eine im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend in Auftrag gegebene Studie vom 11. November 2008 ist eine der ersten Langzeit-Fütterungsstudien mit GVO. Die im Versuch verwendete Gentechmaissorte NK603xMON810 ist in der EU zugelassen und in der Schweiz zur Bewilligung als Lebensmittel beantragt. Die Ergebnisse der österreichischen Studie weisen darauf hin, dass Interaktionen zwischen den Testtieren und den verwendeten Gentechmaissorten bestehen. Mäuse, die mit NK603x MON810-Mais gefüttert wurden, wiesen bereits
nach dem dritten Wurf signifikant weniger und schwächere Jungtiere auf. Eine zweite, am 14. November 2008 im «Journal of Agricultural and Food Chemistry» publizierte Studie des Forschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel in Rom kam zum Schluss, dass der Langzeitkonsum von MON810 bei jüngeren und älteren Versuchstieren zu Veränderungen im Immunsystem führt. Die Gentechmaissorte MON810 ist seit dem 27. Juli 2000 in der Schweiz als Lebens- und Futtermittel zugelassen und ein Erneuerungsgesuch ist seit dem 1. Juli 2005 in Bearbeitung. Der Bundesrat sollte gemäss LMG Artikel 13 (Nahrungs- und Genussmittel) und Artikel 30 (Vorsorgliche Massnahmen) sowie insbesondere gemäss VGVL Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe b (Erteilung und Widerruf der Bewilligung) seine Bewilligungspraxis grundsätzlich überdenken.
Antwort des Bundesrats vom 18.2.2009
Erzeugnisse aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO), die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind, unterliegen in der Schweiz der Bewilligungspflicht nach der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung. Eine Bewilligung wird erteilt, wenn nach dem Stand der Wissenschaft eine Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt ausgeschlossen werden kann. Die Bewilligung ist befristet und kann auf Antrag erneuert werden. Sie wird widerrufen, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Gesundheitsgefährdung besteht. Frage 1: Die gentechnisch veränderte Maislinie MON810 wurde im Jahr 2000 durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) aufgrund einer Sicherheitsbewertung zur Verwendung als Lebensmittel bewilligt. Diese befristete Bewilligung ist nach wie vor in Kraft. Das BAG hat Kenntnis von der erwähnten wissenschaftlichen Studie von Finamore et al. zur Immunantwort von Mäusen, die mit Mais MON810 gefüttert wurden. Die Autoren leiten aus ihren Ergebnissen keinen Verdacht auf Gesundheitsgefährdung durch den Verzehr von Erzeugnissen aus Mais MON810 ab. Ein Widerruf der Bewilligung für Mais MON810 als Lebensmittel ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht angezeigt. Frage 2: Es trifft zu, dass in Anhang 1 der Verordnung des EDI über gentechnisch veränderte Lebensmittel sowie in Artikel 6 und 18 der Verordnung über das Inverkehrbringen von Futtermitteln Fütterungsversuche nicht ausdrücklich und generell verlangt werden. Dies stimmt mit dem einschlägigen Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG) und den Empfehlungen des Codex Alimentarius überein. Es steht den Behörden aber grundsätzlich offen, im Rahmen der fallweisen Prüfung von GVO-Erzeugnissen die Durchführung von Fütterungsstudien zu verlangen.
Mit den bisher bewilligten oder in Prüfung stehenden GVO-Erzeugnissen ist eine Vielzahl von Fütterungsversuchen durchgeführt worden. Dabei handelt es sich in der Regel um 90 Tage dauernde Versuche mit Nagetieren oder um 42 Tage dauernde Versuche mit Hühnern. Die Resultate solcher Versuche werden von den Behörden zur Kenntnis genommen und im Rahmen ihrer Aufgaben geprüft. Die Frage der Bedeutung von Tierversuchen für die Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Pflanzen wurde durch das zuständige Gremium der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (European Food Safety Authority, EFSA) geprüft. Es kam 2007 zum Schluss, in besonderen Fällen, beispielsweise bei Pflanzen, bei denen unbeabsichtigte Veränderungen in der Zusammensetzung festgestellt wurden, seien Fütterungsversuche in Betracht zu ziehen. Bei Pflanzen aber, die sich in ihrer Zusammensetzung von herkömmlichen Pflanzen nicht unterscheiden, ergeben nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft solche Versuche keinen Erkenntnisgewinn bezüglich der Produktesicherheit. Dies trifft namentlich für die in der Schweiz bisher bewilligten GVO mit den Eigenschaften der Herbizidtoleranz und Schädlingsresistenz zu. Eine generelle Verpflichtung zur Durchführung von Fütterungsversuchen als Voraussetzung für eine Bewilligung, in Abweichung zum Recht der EG, hält der Bundesrat somit nicht für zweckdienlich. Der Bundesrat sieht deshalb keinen Bedarf, die Bestimmungen der VGVL oder der Futtermittel-Verordnung zu ändern.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt
360 ARS MEDICI 9 ■ 2009
Jürg Stahl, Nationalrat SVP, ZH, hatte am 17.12.2008 eine Motion eingereicht:
Der Bundesrat wird beauftragt, Sofortmassnahmen zu ergreifen, um einen weiteren Rückgang der Heimdialyse in der Schweiz zu stoppen, und Massnahmen zu ergreifen, um die Heimdialyse zu fördern.
Begründung Der Bundesrat führte in seiner Antwort vom 7. Dezember 2007 auf meine Interpellation 07.3656 aus, dass für ihn kein Handlungsbedarf zur Förderung der Heimdialyse herrsche. Es sei an den Versicherern und Kantonen, allenfalls Massnahmen zur Förderung der Heim-
Förderung der Heimdialyse
dialyse zu ergreifen. Diesbezügliche Vorstösse blieben erfolglos, der Trend entwickelte sich weiter stark in die gegenläufige Richtung. So ging der im internationalen Vergleich bereits sehr bescheidene Anteil der Heimdialysepatienten in der Schweiz von 18 Prozent im Jahr 1995, rund 10 Prozent im Jahr 2007 auf rund 8 Prozent im Jahr 2008 zurück. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil in Holland rund 23 Prozent, in Dänemark 25 Prozent, in Schweden 22 Prozent, in Finnland und Grossbritannien 21 Prozent und in Norwegen 20 Prozent. Der Bundesrat hielt in seiner Antwort auf meine Interpellation richtigerweise fest, dass die Heimdialyse deutlich kostengünstiger ist als die Dialyse im Zentrum, ohne dass die Qualität der Versorgung der Patienten beeinträchtigt
wird. Würde in der Schweiz der Anteil der Heimdialysepatienten auf ein vergleichbares europäisches Niveau erhöht, könnten aufgrund der weiter steigenden Zahl von Dialysepatienten in den kommenden Jahren zweistellige Millionenbeträge eingespart werden. Deshalb sollen auch Patienten in der Schweiz mit chronischer Niereninsuffizienz besseren Zugang zur Heimbehandlung erhalten. Da mit diesen unnötigen, stets zunehmenden Mehraufwendungen alle Versicherten in der obligatorischen Krankenversicherung belastet werden und offenbar weder die Versicherer noch die Kantone gemäss dem Vorschlag des Bundesrats Massnahmen zu deren Förderung zu ergreifen beabsichtigen, ergibt sich dringender Handlungsbedarf für den Bund.
Antwort des Bundesrats vom 6.3.2009
In seiner Antwort vom 21. Dezember 2007 auf die Interpellation Stahl «Förderung der Heimdialyse» (07.3656) hat der Bundesrat ausgeführt, dass es für die Vergütung der Dialyse bei chronischer Niereninsuffizienz besondere Verträge zwischen dem Schweizerischen Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer (SVK) und den Leistungsanbietern gibt. Darin wird u.a. ausdrücklich festgehalten, dass im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung Kostengutsprachen für Dialysen in einem Zentrum erst dann erteilt werden sollen, wenn eine Heimdialyse nicht möglich ist. Damit werden die nach dem Krankenversicherungsgesetz für die Kostenübernahme von Leistungen massgebenden Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit umgesetzt. Es ist nun Aufgabe der für den Vollzug der Krankenversicherung verantwortlichen Akteure, insbe-
sondere der Versicherer, dafür zu sorgen, dass im Sinne dieser Verträge primär die Möglichkeit der Heimdialyse in der Praxis geprüft und genutzt wird. Der Bundesrat erachtet den Rückgang der Heimdialyse und die damit verbundene Kostensteigerung ebenfalls als problematisch. Die Förderung der Heimdialyse ist jedoch nicht Aufgabe des Bundes. Der Bundesrat lehnt die Motion deshalb ab. Er wird aber veranlassen, dass das Eidgenössische Departement des Innern beziehungsweise das Bundesamt für Gesundheit die Problematik des Rückgangs der Heimdialyse und deren allfällige Förderung mit den betroffenen Akteuren angeht und gegebenenfalls in der zuständigen Fachkommission zur Sprache bringt.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Vertriebsanteil bei Medikamentenkosten
Der Bundesrat wird beauftragt, für den Vertrieb von Arzneimitteln eine preisunabhängige Marge, differenziert nach Vertriebskanal, festzulegen. Diese soll auf der Basis einer effizienten und preisgünstig durchgeführten Vertriebsleistung festgelegt werden.
Begründung Heute gilt unabhängig vom Vertriebskanal ein Höchstpreis pro Produkt (Fabrikabgabepreis zuzüglich Vertriebsanteil). Der Vertriebsanteil
soll dabei die logistischen Leistungen des Vertriebs abdecken. Die einzelnen Vertriebskanäle unterscheiden sich aber massgeblich in ihren effektiven logistischen Betriebskosten. Dieser Aspekt wird jedoch bisher nicht berücksichtigt, denn das heutige System der Medikamentenpreisbildung basiert auf den Eigenheiten des Handels im Apothekenkanal.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
Motion, eingereicht von Verena Diener, Ständerätin GLP, ZH, am 11.3.2009.
ARS MEDICI 9 ■ 2009 361