Transkript
FORTBILDUNG
Engmaschige Blutzuckerkontrolle bei Intensivpatienten
Normale Blutzuckerwerte sind anzustreben, aber Zielwerte dürfen nicht allzu tief sein
Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, dass eine lang andauernde und unkontrollierte Erhöhung der Blutzuckerspiegel zu einer signifikanten Schädigung verschiedener Organe mit entsprechender Beeinträchtigung der Lebensqualität und Steigerung der Sterberate führt. Der Umkehrschluss, dass entsprechend tiefe Blutzuckerspiegel bei akuten Erkrankungen die Lösung klinisch relevanter Probleme darstellen, ist jedoch nicht so einfach. In diesem Zusammenhang müssen im intensivmedizinischen Umfeld für verschiedene Patienten und unterschiedliche Phasen akuter schwerer Erkrankungen entsprechende Blutzuckerzielbereiche definiert werden, um unerwünschte Nebenwirkungen wie die ebenfalls schädigende Unterzuckerung (Hypoglykämie) zu verhindern.
Autoren propagieren sogar noch engere und tiefere Blutzuckergrenzen zwischen 4,4 und 6,1 mmol/l (1–4). Hierbei ist eine engmaschige und zuverlässige Kontrolle der Blutzuckerspiegel notwendig, um Hypo- und Hyperglykämien zu verhindern, da diese Extreme mit ihrem Schädigungspotenzial irreversible und tödliche Schäden induzieren können. Der «Stressdiabetes» umfasst hormonelle und inflammatorische Veränderungen, die sich gegenseitig beeinflussen und potenzieren. In der akuten Phase schwerer Erkrankungen vermitteln Hormone (Katecholamine, Glukagon, Kortisol, Wachstumshormon) und verschiedene proinflammatorische Zytokine (IL-1, IL-6, TNF-α) eine vermehrte hepatische Glukoseneubildung und Freisetzung aus dem vorhandenen Glukosespeicher (Glykogen). Gleichzeitig wird die Glukoseaufnahme in der Muskulatur durch Verlust und Inaktivierung des Glukosetransporters GLUT4 reduziert. Zudem wird die Wirkung des zirkulierenden Insulins durch eine entsprechende Bindung an das Insulin-like-growth-factor-(IGF-)bindende Protein 1 (IGFBP1) reduziert. Diese Störungen resultieren in einer Insulinresistenz und Glukoseintoleranz mit entsprechender Hyperglykämie. Des Weiteren beeinflussen die verschiedenen Hormone und Zytokine auch die komplex regulierten und differenziert funktionierenden Insulinrezeptor-Signalisationskaskaden nachteilig (5). Zudem wird eine durch Hyperglykämie verstärkte Produktion toxischer Radikale mit nachfolgender funktioneller Schädigung der Mitochondrien postuliert (5), welche zu einer
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Merksätze
Erhöhte Blutzuckerwerte (Hyperglykämie), die nicht nur beim klassischen Diabetes mellitus, sondern auch unter akuten Bedingungen nach Infarkt, Trauma, Entzündungen, Infektionen, Sepsis und Operationen gefunden werden, beeinflussen massgeblich Morbidität und Letalität (1). Dieser «Stressdiabetes» induziert autodestruktive Kaskaden, welche zu einer ausgeprägten und verstärkten Organschädigung beitragen. Somit ist die Kontrolle und Normalisierung erhöhter Blutzuckerwerte unter intensivmedizinischen Bedingungen von besonderer Bedeutung. Wie bei gesunden Patienten sollen auch bei intensivpflichtigen, kritisch kranken Patienten normale Blutzuckerwerte zwischen 4 und 8 mmol/l angestrebt werden. Einige
■ In der Frühphase einer akuten Erkrankung kann die transiente Hyperglykämie eine überlebensnotwendige Anpassungsreaktion darstellen.
■ In der Folge ist die Korrektur und Normalisierung auf Werte unter 10 mmol/l jedoch lebensnotwendig.
■ Tiefe Zielwerte von 4,4 bis 6,1 mmol/l können Hypoglykämien und Blutzuckerschwankungen induzieren, welche die Morbidität und Mortalität steigern. Das Einhalten von Werten zwischen 5 und 8 mmol/l ist ein sicherer Kompromiss auch für Diabetiker.
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Tabelle 1: Pathophysiologische Ursachen und Tabelle 1: Folgen des «Stressdiabetes»
Ursachen des «Stressdiabetes»
Erhöhte Blutzuckerspiegel durch: ■ Glukoseneubildung und Abbau der gespeicherten Glukose durch
— Freisetzung der Stresshormone, wie Katecholamine, Glukagon, — Wachstumshormon — Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, wie IL-1, IL-6, — TNF-α ■ Verminderung der Glukoseaufnahme der Skelettmuskulatur.
Folgen des «Stressdiabetes»
Beeinträchtigung der Organfunktionen und Induktion des Multiorganversagens mit erhöhter Letalität und reduzierter Lebensqualität mit Steigerung der sozioökonomischen Belastung durch: ■ Störung der intrazellulären Kaskaden mit energetischem
Defizit ■ verstärkte Bildung freier Sauerstoffradikale mit Schädigung
der Mitochondrien und nachfolgender energetischer Beeinträchtigung ■ Hemmung der zellulären und humoralen Immunabwehr ■ Aktivierung inflammatorischer und gerinnungsverstärkender Kaskaden.
ausgeprägten Störung der Energieproduktion führt und somit eine Vielzahl energieverbrauchender Prozesse beeinträchtigt. Dies wiederum führt zu einer fortschreitenden Dysfunktion verschiedener Zellverbände und Organsysteme. Die hyperglykämieinduzierte Beeinträchtigung der Immunabwehr wird auf eine Störung der neutrophilen Granulozyten, eine verminderte intrazelluläre Bakterienvernichtung, eine reduzierte Bildung freier Sauerstoffradikale in Monozyten, eine Beeinträchtigung der Immunglobuline (Antikörper) und eine IL-10-vermittelte verstärkte Immunsuppression zurückgeführt. Im Bereich des Endothels führt die Hyperglykämie zu einer Aktivierung inflammatorischer Kaskaden und der Blutgerinnung, wodurch es zu einer Störung der Mikrozirkulation mit nachteiliger Organperfusion kommt (Tabelle 1).
Folgeerscheinungen und Komplikationen Entsprechend der früher weitverbreiteten Meinung, dass es sich beim «Stressdiabetes» um eine überlebensnotwendige und somit zu akzeptierende Anpassungsreaktion handle, wurden Blutzuckerwerte bis 12 mmol/l (216 mg/dl) akzeptiert, bevor die Patienten Insulin erhielten, um eine ausreichende Glukoseversorgung vor allem des Gehirns und der Erythrozyten zu gewährleisten. Eine persistierende Hyperglykämie führt jedoch zu einer gesteigerten Infektrate, zu mikrovaskulären Komplikationen, eingeschränkter neurologischer Erholung, gesteigerter Niereninsuffizienz, erhöhter Herzinsuffizienz und einer Zunahme der Mortalität (1). Diese Schäden wiederum
beeinträchtigen in ihrer Gesamtheit die Lebensdauer und Lebensqualität. Fortschreitende und irreversible Behinderungen mit entsprechender Arbeits- oder Berufsunfähigkeit und frühzeitigen Rentenansprüchen führen zu schwerwiegenden sozioökonomischen Konsequenzen. In der Verhinderung der akuten Schäden und der weitreichenden Konsequenzen begründet sich die Notwendigkeit einer dezidierten Kontrolle der Blutzuckerspiegel.
Erfolge der konsequenten Blutzuckerkontrolle Bei kritisch kranken, intensivpflichtigen Patienten mit akuten Erkrankungen unterschiedlicher Genese reduzierte eine Normalisierung der Blutzuckerwerte sowohl die Komplikationsrate als auch die Mortalität (1–5). Diese Befunde nährten die Hoffnung auf ein einfaches, allgemeingültiges und leicht umzusetzendes Konzept, mit welchem man kostengünstig die Lebensqualität lang andauernd verbessern und gleichzeitig die Sterberate signifikant vermindern kann.
Kontroverse Diskussionen Im Jahr 2001 wurde die erste prospektiv randomisierte, monozentrische Studie zur Effizienz einer kontrollierten Einhaltung tiefer Blutzuckergrenzen durch den Einsatz von hoch dosiertem Insulin veröffentlicht (2). Diese Untersuchungen in einer heterogenen Gruppe chirurgischer Patienten erzielten einschlägige Erfolge, vor allem bei herzchirurgischen und septischen Patienten (2). Die nachfolgenden Untersuchungen bei medizinischen und neurologisch/neurochirurgischen Intensivpatienten konnten diese positiven Befunde nur zum Teil bestätigen (3, 4). Andere Arbeitsgruppen hingegen konnten diese Effekte gar nicht reproduzieren (6–8). Multizentrische und internationale Studien zur kontrollierten Blutzuckereinstellung wurden sogar aufgrund einer gesteigerten Hypoglykämierate frühzeitig beendet (VISEP, GLUCONTROL). Eine höhere Hypoglykämierate trotz gleichzeitiger Glukoseinfusion, welche in den Studien der Arbeitsgruppe um van den Berghe bei allen untersuchten Patientengruppen beobachtet wurde (bis 23%), führte jedoch zu keiner Studienbeendigung oder -anpassung. Ungeachtet dieser gesteigerten Hypoglykämierate und der erhöhten Mortalität innerhalb der ersten drei Tage, welche in einer Post-hoc-Analyse als Ergebnis einer zufälligen Verteilung schwerstkranker moribunder Patienten dargestellt wurde, wird die insulinvermittelte Normalisierung der Blutzuckerspiegel auf tief normale Werte weiterhin propagiert. Dies vor dem Hintergrund einer absoluten Mortalitätsminderung um 3 bis 4 Prozent und einer weiteren Reduktion bis 8 Prozent, sofern diese Therapie länger als drei Tage fortgeführt wird (1).
Offene Fragen Welche Blutzuckerspiegel sind optimal? Diese zentrale Frage ist bis heute noch nicht ausreichend und zufriedenstellend beantwortet. Während einige Autoren an den sehr engen Grenzen (4,4–6,1 mmol/l) festhalten (1), befürworten andere Autoren Blutzuckergrenzen zwischen 5 und 8 mmol/l, um das morbiditäts- und mortalitätssteigernde
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Tabelle 2: Vor- und Nachteile der insulinvermittelten Normalisierung der Blutzuckerspiegel auf tief Tabelle 2: normale Werte (4,4–6,1 mmol/l) bei kritisch kranken, intensivpflichtigen Patienten
Vorteile
■ reduzierte Mortalität ■ verminderte Polyneuropathie ■ Schutz des Gehirns ■ reduzierte Bakterien im Blut (Bakteriämie) und reduzierte
Infektionen ■ verminderte Blutarmut (Anämie) ■ reduziertes Nierenversagen ■ verminderte Beatmungsdauer ■ verbesserte Langzeit-Überlebens-Qualität ■ reduzierte Kosten
Nachteile
■ Hypoglykämie ■ positive Effekte erst nach den ersten 3–5 Tagen feststellbar, unklare
Gefährdung bestimmter Subgruppen ■ metabolische Beeinträchtigung des geschädigten Gehirns
Risiko einer insulininduzierten Hypoglykämie zu vermeiden (9). Ein Konsens besteht jedoch darin, Blutzuckerwerte über 10 mmol/l zu vermeiden und solche unter 10 mmol/l zu senken und dort zu halten.
Führt eine initiale Hyperglykämie immer zu einer erhöhten Mortalität? Eine initiale Hyperglykämie als Ausdruck der Schwere der Erkrankung bei Patienten mit unterschiedlichen medizinischen und chirurgischen Grunderkrankungen führt nahezu uniform zu einer gesteigerten Mortalität (7). Die unterschiedlich verwendeten Schwellenwerte (≥ 6,1; ≥ 7,2; ≥ 10; >11,1) erschweren jedoch eine differenzierte Antwort. Interessanterweise scheint zumindest bei Patienten mit Myokardinfarkt kein Unterschied bezüglich der Mortalität bei initialen Blutzuckerwerten >7,8 und >11,1 mmol/l zu bestehen (10), was eine Diskussion der unabdingbaren Notwendigkeit einer Korrektur der Blutzuckerspiegel auf tief normale Werte provoziert. Eine weitere Studie zeigte, dass die initiale Hyperglykämie (>11,1 mmol/l) nur bei nicht diabetischen Patienten mit kardialen, kardiochirurgischen und neurochirurgischen Grunderkrankungen zu einer gesteigerten Mortalität führte (11). Weitere relevante Einflüsse, wie der Schweregrad der Grunderkrankung, bestimmen die Mortalität massgeblich (12).
Welche Patienten profitieren von einer Korrektur der Hyperglykämie? Gemäss dem generellen Konsens profitieren alle Patienten von einer Reduktion erhöhter Blutzuckerspiegel (13), auf jeden Fall einer solchen unter 10 mmol/l.
4,4 und 6,1 mmol/l gehalten werden müssen. Bereits in der initialen Studie der Gruppe um van den Berghe konnte gezeigt werden, dass nicht alle intensivpflichtigen chirurgischen Patienten von einer sofortigen und rigorosen Reduktion der Blutzuckerspiegel auf 4,4 bis 6,1 mmol/l profitieren (2). Dies zeigte sich ebenfalls in den nachfolgenden Studien der gleichen Arbeitsgruppe bei medizinischen und neurologisch/neurochirurgischen Intensivpatienten (3, 4). Gemäss diesen Studien war die Mortalität in den ersten drei bis fünf Tagen sogar erhöht. Die positiven Effekte (Tabelle 2) stellten sich erst nach drei beziehungsweise fünf Tagen ein. Hierbei stellt sich die Frage, ob eine frühe Reduktion der Blutzuckerspiegel auf 4,4 bis 6,1 mmol/l zwingend notwendig ist oder ob erst nach drei bis fünf Tagen begonnen werden kann. Dies würde die Gefahr der Hypoglykämien in der ohnehin sehr vulnerablen Frühphase vermindern und somit das Risiko einer Morbiditäts- und Mortalitätssteigerung reduzieren. Verschiedene Subpopulationen profitieren nicht von dem Konzept der strikten tiefen Normoglykämie: Patienten im septischen Schock (14), nach Herzinfarkt und Schlaganfall (7) und Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (15). Des Weiteren zeigte sich bei unfallchirurgischen Patienten kein Vorteil einer frühen Normalisierung der Hyperglykämie innerhalb der ersten 24 Stunden (16).
Sind die absoluten Blutzuckerwerte oder die relativen Veränderungen entscheidend? Neben der pathologischen Wirkung erhöhter Blutzuckerspiegel >10 mmol/l führen auch Blutzuckerschwankungen zu einer gesteigerten Mortalität (17). Diese sind umso höher, je niedriger und enger der Blutzuckerzielbereich definiert wird.
Welche Patienten profitieren von den tiefen Blutzuckerwerten 4,4 bis 6,1 mmol/l? Die jüngste Literatur erlaubt keine einwandfreie Identifikation derjenigen Patienten, bei denen die Blutzuckerwerte zwischen
Wann und wie schnell müssen erhöhte Blutzuckerspiegel korrigiert werden? Gemäss dem heutigen Verständnis sollten pathologisch erhöhte Blutzuckerwerte so schnell wie möglich reduziert und norma-
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lisiert werden. Unklar bleibt jedoch, ob dies innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls erfolgen muss und welche Reduktionsrate nicht zu schädigenden Blutzuckerschwankungen führt.
Wie häufig sind Hypoglykämien, und welche Relevanz haben diese Episoden? Die Rate insulininduzierter Hypoglykämien wird im Rahmen der kontrollierten Reduktion und Einhaltung tiefer Blutzuckerwerte zwischen 4,1 Prozent (NICE-SUGAR), 8,6 Prozent (GLUCONTROL), 12,1 Prozent (VISEP) und 23,4 Prozent (14) im Vergleich zu 0,3 bis 4,6 Prozent in den Kontrollpatienten angegeben (1). Eine unzureichende Versorgung aller Organsysteme als Folge einer Hypoglykämie ist angesichts gestörter hormoneller und intrazellulärer Kompensationsmechanismen von zentraler Bedeutung. Bei funktionell gestörten Blutzuckertransportprozessen bestimmen erniedrigte Blutzuckerspiegel die zelluläre Aufnahme und beeinträchtigen energieabhängige Abläufe und energiegenerierende Prozesse. Somit steigern Hypoglykämien Mortalität und Morbidität.
Wie häufig und auf welche Art müssen Blutzuckerspiegel kontrolliert werden? Zur Vermeidung von starken Blutzuckerschwankungen und Insulinüberdosierungen sowie zur Reduktion einer schädigenden Hypoglykämie müssen Blutzuckerspiegel regelmässig kontrolliert werden. Hierbei fehlt jedoch ein offizieller Konsens bezüglich der Messhäufigkeit. Je niedriger die Blutzuckergrenze und je instabiler der Patient, desto häufiger müssen die Blutzuckerwerte kontrolliert werden. Dies sollte in ein- bis vierstündigem Abstand erfolgen. Bei stabilen Patienten, bei denen eine kontinuierliche Ernährung gewährleistet ist und eine energetisch stabile Situation ohne infektbedingte Blutzuckerschwankungen vorliegt, scheint eine vier- bis achtstündige Kontrolle angebracht. Sobald sich ein zuvor stabiler Patient verschlechtert, muss das Intervall der Blutzuckerkontrolle entsprechend angepasst werden. In der klinischen intensivmedizinischen Routine werden die Blutzuckerspiegel intermittierend in arteriellen oder venösen Blutgasanalysen bestimmt. Um die wiederholten Blutentnahmen zu reduzieren, werden kontinuierliche Messmethoden erprobt (18), welche auch eine automatisierte computerkontrollierte Anpassung der Insulindosierung erlauben (19). Diese verschiedenen Verfahren befinden sich noch in der Erprobungsphase und können zurzeit Hypoglykämien zwar reduzieren, aber noch nicht vermeiden. In den nächsten Jahren ist mit einer verbesserten Kontrolle zu rechnen, vor allem wenn der optimale Blutzuckerzielbereich für die unterschiedlichen Patienten definiert ist.
■ Eine Korrektur und Normalisierung erhöhter Blutzucker-
spiegel auf Werte unter 10 mmol/l ist lebens- und über-
lebenswichtig.
■ Eine Normalisierung erhöhter Blutzuckerspiegel auf tiefe
Werte (4,4–6,1 mmol/l) kann Hypoglykämien und Blut-
zuckerschwankungen induzieren, welche die Morbidität
und Mortalität steigern.
■ Um nicht alle Patienten zu gefährden, müssen jene identi-
fiziert werden, bei denen man die Blutzuckerspiegel ohne
zusätzliches Risiko auf 4,4 bis 6,1 mmol/l senken kann und
die auch tatsächlich davon profitieren. Bei Patienten mit vor-
bestehendem Diabetes sollte eine solch stringente Korrektur
nicht erfolgen.
■ Eine krankheits- und zeitabhängige Definition der optima-
len Blutzuckergrenzen steht noch aus.
■ Das Einhalten der Blutzuckerwerte zwischen 5 und 8 mmol/l
stellt einen sicheren Kompromiss auch für Diabetiker dar.
■ Eine verbesserte kontinuierliche Kontrolle mit möglicher
computerunterstützter, automatisierter Anpassung der
Insulindosierung könnte das Einhalten enger und tiefer
Blutzuckergrenzen vereinfachen und Hypoglykämien in
Zukunft vermeiden.
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Korrespondenzadresse: PD Dr. med. John F. Stover
FMH Intensivmedizin Chirurgische Intensivmedizin
UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich
Tel. 044-255 28 61 E-Mail: john.stover@usz.ch
Interessenkonflikte: keine Literaturliste auf Anfrage beim Verlag erhältlich: info@rosenfluh.ch
Schlussfolgerungen ■ Eine transiente Hyperglykämie, der sogenannte «Stressdia-
betes», ist in der Frühphase einer akuten Erkrankung eine überlebensnotwendige Anpassungsreaktion. Bei einer persistierenden Hyperglykämie (> 10 mmol/l) überwiegen aber ausgedehnte und weitreichende, schädigende Effekte.
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