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Titel
So war der 1. April 2009
Untertitel
Schaffhausen: Hausärzte geben Bern den Tarif durch
Lead
150 Hausärztinnen und Hausärzte und ein grosser Teil der Praxisassistentinnen demonstrierten in Schaffhausen gegen die Senkung der Labortarife durch Bundesrat Couchepin. Kurt Frei, Hausarzt und Präsident der kantonalen Ärztegesellschaft, rechnete vor, dass jeder Schweizer für die Hausarztmedizin täglich gerade mal 80 Rappen ausgeben muss. Lorenz Margreth, Präsident des Schaffhauser Hausärztevereins, forderte Massnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung. Gerhard Schilling, Mitglied des SGAM-Vorstands forderte schlicht den Rücktritt von Bundesrat Couchepin. Und Regierungsrätin Ursula Hafner-Wipf mahnte schliesslich, es dürfe nicht sein, dass bei den Hausärzten gespart werde.
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Rubrik
Standespolitik
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330
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Schaffhausen:
Hausärzte geben Bern den Tarif durch
150 Hausärztinnen und Hausärzte und ein grosser Teil der Praxisassistentinnen demonstrierten in Schaffhausen gegen die Senkung der Labortarife durch Bundesrat Couchepin. Kurt Frei, Hausarzt und Präsident der kantonalen Ärztegesellschaft, rechnete vor, dass jeder Schweizer für die Hausarztmedizin täglich gerade mal 80 Rappen ausgeben muss. Lorenz Margreth, Präsident des Schaffhauser Hausärztevereins, forderte Massnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung. Gerhard Schilling, Mitglied des SGAM-Vorstands forderte schlicht den Rücktritt von Bundesrat Couchepin. Und Regierungsrätin Ursula Hafner-Wipf mahnte schliesslich, es dürfe nicht sein, dass bei den Hausärzten gespart werde.
312 ARS MEDICI 9 ■ 2009

Zürich:
Bundesrat Couchepin den Marsch blasen
Gegen Tausend Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch einige Spezialisten, Praxisassistentinnen, Studentinnen und Studenten, wohl auch etliche Patientinnen und Patienten, aber nur wenige neugierige Passanten waren in der Stadthausanlage beim Bürkliplatz versammelt, und für einmal bekamen die Zürcher Farben Blau und Weiss eine andere Bedeutung: «Das Praxislabor darf nicht sterben!», «Die Hausarztmedizin muss für Studierende attraktiver gemacht werden!», «Spitalambulatorien dürfen nicht mit Steuergeldern wachsen und wachsen!», «Bundesrat Couchepin muss endlich zurücktreten!», «Der unselige Tarmed muss weg!» — ausgiebig aber nicht immer von allen gleichzeitig beklatschte Sätze, umrahmt von drei Dudelsackpfeiffern, die «Couchepin den Marsch bliesen».

TV-Resonanz

Luzern:
«Wir können nicht nichts machen»

In Luzern demonstrierten die Hausärzte gemeinsam mit ihren Patienten am 26. März vor dem KKL, welche Folgen der Verlust des Praxislabors haben wird: In einer langen Warteschlange reihten sich die Patienten zur zentralen Blutentnahme ein. Wir sprachen vor Ort mit Dr. med. Markus Reber, Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern.

ARS MEDICI: Herr Dr. Reber, was machen Sie hier? Dr. med. Markus Reber: Wir zeigen hier an einem Aktionstag die Folgen von Herrn Couchepins Revision des Labortarifs. Die Praxislabors werden nach und nach verschwinden und dann müssen die Patienten zur Blutentnahme ins Grosslabor gehen, mit den entsprechenden Unannehmlichkeiten: Sie müssen zum Arzt, nachher ins Labor, um Blut abnehmen zu lassen und dann, wenn das Resultat da ist, müssen sie wieder zum Arzt zurück.
ARS MEDICI: Wie haben Sie diese Aktion eingefädelt? Reber: Das sind freiwillige Patienten von Praxen aus dem Kanton Luzern, die heute zur Blutentnahme hierher kommen. In dem Zelt dort vorne wird das Blut entnommen, dann geht es ins Grosslabor, wo es analysiert wird. Das sind also keine fingierten Blutentnahmen, sondern das sind Blutentnahmen, die sowieso gemacht worden wären. Statt dass diese jetzt in der Praxis gemacht werden, kommen die Patienten heute hierher, freiwillig und orientiert. Wir zeigen damit die Zukunft, die uns droht, wenn die La-

bortarife tatsächlich gesenkt werden, so wie das Herr Couchepin angeordnet hat.
ARS MEDICI: Wie gross ist ihre Hoffnung, das noch aufhalten zu können? Reber: Rein rechtlich ist es natürlich so, dass niemand den Herrn Couchepin zwingen kann, die Verordnung zurückzunehmen. Es ist überdies eine Departementsverordnung, also keine Sache des gesamten Bundesrats, sondern er kann das in Alleinregie machen. Entsprechend dilettantisch ist es ja auch gemacht worden. Wie viel so eine Aktion nun bringt, ist schwer zu sagen. Der Druck ist ja schon sehr gross, aber das Problem ist eben auch, dass sich Herr Couchepin so sehr verrannt hat, dass er fast nicht mehr ohne Gesichtsverlust zurück kann. Aber das können wir nicht ändern. Wir können aber einfach nicht nichts machen, oder? Wir sind es unserem medizinischen System und unseren Patienten schuldig, dass wir für den Erhalt des Labors kämpfen. Ich denke, es wird schon insofern etwas bringen, weil Herr Couchepin ja auch nicht mehr ewig Bundesrat sein wird.

In vielen weiteren Kantonen der Schweiz:
Proteste, Petitionen, Blumen
In der Not sind Hausärztinnen und -ärzte definitiv nicht mehr politisch schüchtern und demonstrationsabstinent: 15 000 haben nach Angaben der Organisatoren in der ganzen Schweiz gegen die Revision der Labortarife demonstriert. In Bern versammelten sich 1500 Hausärztinnen und -ärzte, Praxisassistentinnen und Patienten, in Basel 600, in Neuenburg und Solothurn je 300 und so weiter. Dabei wurden Protestschreiben, Petitionen, aber auch Blumen an politische Verantwortliche überreicht. Der Streiktag war ein Grosserfolg und erreichte sicher ein wichtiges Ziel: grosse Beachtung in den Medien und flächendeckende Diskussion der Probleme nicht nur des Praxislabors, sondern der gefährdeten medizinischen Grundversorgung in diesem Land.