Transkript
STUDIE REFERIERT
Herzinsuffizienz: Ärztinnen setzen Richtlinien besser um
Eine deutsche Studie zeigt zudem, dass Männer konsequenter behandelt werden als Frauen
Frauen mit Herzinsuffizienz werden
medikamentös schlechter versorgt
als ihre männlichen Leidensgenos-
sen. Das gilt zumindest, wenn sie
von einem Arzt behandelt werden.
Ärztinnen hingegen behandeln Män-
ner und Frauen gleich gut. Das
zeigt eine deutsche Beobachtungs-
studie, die kürzlich im «European
Journal of Heart Failure» veröf-
fentlicht wurde.
EUROPEAN JOURNAL OF HEART FAILURE
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz werden heute etwas erfolgreicher behandelt als noch vor einigen Jahren. Allerdings zeigen verschiedene Arbeiten, dass Frauen offenbar nicht immer in gleichem Umfang versorgt werden wie ihre männlichen Leidensgenossen. Bei Frauen wird seltener eine Koronarangiografie durchgeführt, seltener ein Kardioverterdefibrillator implantiert oder ein biventrikulärer Schrittmacher eingesetzt. Ob ein solches Ungleichgewicht auch bei der Arzneimittelverordnung vorhanden ist, wollte eine kardiologische Arbeitsgruppe der Universität Homburg/Saar wissen. Dazu führten sie eine Querschnittsstudie durch, an der 1857 Patien-
ten mit Herzinsuffizienz (die meisten NYHA-Grad II und III) teilnahmen. Behandelt wurden sie in der Praxis von Allgemeinärzten (65%), Internisten (28%) und Kardiologen (7%) nach den Vorgaben der einschlägigen Empfehlungen der evidenzbasierten Herzinsuffizienztherapie. Knapp 900 Ärztinnen und Ärzte nahmen an der Untersuchung teil, jede(r) steuerte also im Durchschnitt zwei Patienten bei.
Unterdosierung ist häufig Die Analyse ergab, dass die Patienten im Grossen und Ganzen, gemessen an den aktuellen Empfehlungen, gut behandelt wurden. Ungefähr 80 Prozent erhielten beispielsweise einen ACE-Hemmer oder einen Angiotensin-Rezeptorblocker, bis zu 5 Prozent wurden gar mit beiden Antihypertensiva therapiert. Fast 70 Prozent, ein vergleichsweise hoher Anteil, erhielten einen Betablocker. Es kommt aber auch auf die verabreichte Dosis an. Für eine optimale Wirkung werden von den Experten hohe Dosierungen gefordert. Daran gemessen fiel das Ergebnis schlechter aus. Nur die Hälfte der Patienten hatte eine suffiziente Dosis eines ACE-Hemmers erhalten, und nur jeder vierte Patient nahm die gewünschte Dosis eines Betablockers. Allerdings ist die Behandlung mit Betablockern wegen unerwünschter Wirkungen bekanntermassen nicht immer ganz einfach (siehe ARS MEDICI 5/09, Kommentar Prof. Bernhard Meier, S. 210). Vor allem aber zeigte die Studie, dass männliche Patienten insgesamt prinzipientreuer, also entsprechend den aktuellen Richtlinien, therapiert werden. Das gilt auch für die Verschreibung von
Betablockern und ACE-Hemmern. Damit bestätigen sich frühere Studien bei Herzinfarktpatienten. Diese hatten unter anderem ergeben, dass Patientinnen bereits schlechter diagnostiziert werden. Vor allem wenn Frauen sich in Stresssituationen befinden, werden KHK-Symptome des Öfteren verkannt und verharmlost und stattdessen als Ausdruck momentaner seelischer Überlastung interpretiert. Was die Herzinsuffizienz angeht, wird die relative «Unterversorgung» letztlich von den Patientinnen allerdings nicht mit einem schlechteren klinischen «Outcome» bezahlt. Das, so vermuten die Wissenschaftler, liegt wohl daran, dass herzinsuffiziente Frauen an sich ein geringeres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko aufweisen.
Ärztinnen gehen besser auf Patienten ein Die deutsche Studie förderte zudem zutage, dass die Behandlung auch vom Geschlecht des Arztes abhängt. Ärztinnen als Gruppe betrachtet behandeln ihre Patienten demnach besser – jedenfalls halten sie sich konsequenter an die Empfehlungen als ihre männlichen Kollegen. Vor allem machen sie kaum Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Patienten. Nur bei der Verschreibung von Betablockern bevorzugten sie die Männer etwas. Die schlechteste Behandlung erfuhren Frauen, die von männlichen Ärzten behandelt wurden. Sie erhielten weniger Medikamente und diese in zu niedriger Dosierung. Die
Merksätze
■ An der Beobachtungsstudie nahmen rund 2000 Patienten und 900 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte teil.
■ Frauen wurden seltener mit ACE-Hemmern und Betablockern behandelt als Männer.
■ Ärztinnen behandelten ihre Patienten häufiger nach den aktuellen Richtlinien als ihre männlichen Kollegen.
294 ARS MEDICI 7 ■ 2009
STUDIE REFERIERT
Unterschiede sind statistisch hochsignifikant. Absolut gesehen betragen die Differenzen maximal 10 Prozent. Schon frühere Untersuchungen haben die Vermutung nahegelegt, dass Ärztinnen insgesamt besser auf die Bedürfnisse und die individuelle Lage der Patienten eingehen und leichter eine verlässliche Kooperation mit den Patienten erreichen. Ärztinnen haben im Gespräch das psychosoziale Umfeld besser im Blick, was letztlich die Therapie günstig beeinflusse, meinen die Autoren. Interessant ist, dass die Konsultationszeit sich zwischen Ärztinnen und Ärzten nicht unterscheidet. Ärztinnen nehmen sich also nicht mehr Zeit für ihre Patienten, sie nutzen sie aber besser. Eine frühere Studie hatte ergeben, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten als ihre männlichen Kollegen. Wahrscheinlich ist dies der Leistungsfähigkeit zuträglich.
Übrigens äussern sich auch die Ärztinnen selbst zufriedener über ihr Verhältnis zu ihren Patienten, als die männlichen Kollegen dies tun. Auf die Ergebnisse der aktuellen Studie hatte die Spezialisierung der Studienärztinnen und -ärzte keinen Einfluss. Auch die Patienten wiesen, den Ein- und Ausschlusskriterien und den Komorbiditäten nach, keine Unterschiede auf. Ein Selektionsbias sei unwahrscheinlich, meinen die Autoren. Allerdings war die Zahl der Hypertoniker in der Gruppe der Ärztinnen grösser, was aber bei der statistischen Auswertung berücksichtigt wurde. Ausdrücklich weisen die Autoren darauf hin, dass die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Länder und Gesundheitssysteme übertragbar sind. Zudem geben sie zu bedenken, dass es sich um eine Beobachtungsstudie zur Anwen-
dung einer evidenzbasierten Therapie
handle; die teilnehmenden Ärztinnen
und Ärzte dürften deshalb besonders
motiviert gewesen sein. Auch insoweit
sind Verallgemeinerungen fragwürdig.
Fazit der Autoren: Die Behandlungsin-
tenstät einer Guideline-orientierten The-
rapie wird vom Geschlecht der Patienten
und der Ärzte beeinflusst. Dieses Um-
stands sollten sich die behandelnden
Ärztinnen und Ärzte bewusst sein, wenn
sie ihre Patienten behandeln.
■
Magnus Baumhäkel et al.: Influence of gender of physicians and patients on guideline-recommended treatment of chronic heart failure in a cross-sectional study. EJHF 2009, zunächst online publiziert.
Interessenlage: Die Studie wurde von AWD Pharma unterstützt, die auf die Konzeption, Durchführung und Interpretation der Studie keinen Einfluss genommen hat.
Uwe Beise