Transkript
STUDIE REFERIERT
Dyspepsie: step-up oder step-down behandeln?
Studie aus der Allgemeinpraxis in den Niederlanden
In einer pragmatischen Studie
wurden zwei Vorgehensweisen der
empirischen Therapie — die eine
beginnend mit einem Antazidum,
die andere mit einem Protonen-
pumpenhemmer (PPI) als Erst-
medikament — bei neu aufgetrete-
ner Dyspepsie hinsichtlich Effekt
und Kosteneffektivität verglichen.
THE LANCET
«Dyspepsie» ist in der Grundversorgung ein überaus häufiges Beratungsergebnis, dessen Management viel Zeit beansprucht und gesamthaft betrachtet hohe Kosten verursacht. Noch sind die Empfehlungen in verschiedenen Konsensuspapieren und Guidelines mit Blick auf die Kosteneffektivität der empirischen Strategie durchaus widersprüchlich. Diese pragmatische Untersuchung in der anerkannten Tradition der interessanten Praxisstudien aus den Niederlanden wollte hier mehr Klarheit schaffen.
Methodik Zwischen 2003 und 2006 willigte eine repräsentative Stichprobe von 312 Hausärztinnen und -ärzten ein, mit ihren Patienten an der DIAMOND (Dutch study on Initial Management Of Newly diagnosed Dyspepsia)-Studie teilzunehmen. Die Patienten mussten 18 Jahre oder älter sein und ihren Hausarzt
wegen neu aufgetretener DyspepsieSymptomatik aufgesucht haben. Als «Dyspepsie» wurde definiert: Schmerz oder Unbehagen im Epigastrium, der im Urteil des Arztes vom oberen Gastrointestinaltrakt ausging und von Symptomen wie Regurgitation, Sodbrennen, Übelkeit oder Blähungsgefühl begleitet sein konnte. Da Patienten erfahrungsgemäss ganz unterschiedlich lange warten, bis sie mit solchen Symptomen den Arzt aufsuchen, wurde für die vorangegangene Symptomdauer keine Grenze festgelegt. Ausschlusskriterien waren Gastroskopie oder säureunterdrückende Therapie in den vorangegangenen drei Monaten sowie die bekannten Alarmsymptome (Dysphagie, Gewichtsverlust, Anämie, Hämatemesis). Insgesamt 664 Patientinnen (54%) und Patienten (46%) wurden randomisiert entweder zu einer Step-up-Behandlung (Antazidum, bei Nichtausreichen H2-Antagonist, schliesslich PPI) oder zu diesen Medikamentengruppen in umgekehrter Reihenfolge (= step-down). Jeder dieser Behandlungsschritte dauerte vier Wochen, die nächsthöhere Therapiestufe war erst vorgesehen, wenn die Symptome anhielten oder innert der vier Wochen rezidivierten. Als primäre Outcomes der Intention-to-treat-Analyse waren die Symptomlinderung und die Kosteneffektivität nach sechs Monaten definiert.
Ergebnisse 332 Patienten in der Step-up- und 313 in der Step-down-Gruppe erreichten einen Endpunkt mit ausreichenden Daten. Hauptgrund für Drop-outs waren Follow-up-Verluste. Ein Behandlungserfolg wurde erreicht bei 72 Prozent in der
Step-up- und bei 70 Prozent in der Stepdown-Gruppe (Odds Ratio 0,92, 95%Konfidenzintervall 0,7–1,3). Die durchschnittlichen Behandlungskosten waren in der Step-up-Gruppe etwas tiefer (€228 vs. €245; p = 0,0008), was fast ausschliesslich auf die Medikamentenkosten zurückzuführen war, die mehr als die Hälfte der Gesamtaufwendungen ausmachten. Wurden den Berechnungen für die PPI Generikapreise zugrunde gelegt, blieb zwar noch eine Kostendifferenz zugunsten der Step-up-Strategie, aber der Unterschied zwischen den mittleren Behandlungs- und den Gesamtkosten (inkl. Produktivitätseinbusse usw.) war nicht mehr signifikant. Auch die Meldungen über Nebenwirkungen waren in den beiden Gruppen absolut vergleichbar und klinisch geringfügig (Auftreten anderer dyspeptischer Symptome, Diarrhö, Obstipation, schlechter Geschmack/trockener Mund).
Diskussion Idealerweise sollte eine DyspepsieBehandlung rasch und bequem die Symptome bessern und gleichzeitig den Verbrauch an Ressourcen im Gesundheitswesen auf ein Minimum reduzieren. In dieser Untersuchung war die Step-up-Behandlung mit einem Antazidum als erster Therapiestufe kosteneffektiver als die direkte Verschreibung eines PPI. Die klinische Effektivität – hier gemessen als Behandlungserfolg, Sym-
Merksätze
■ In einer randomisierten kontrollierten Studie führte die Step-up- und Step-downTherapie mit verschieden stark säurehemmenden Medikamenten bei neu aufgetretener Dyspepsie zu ähnlichen Behandlungserfolgen.
■ Für das heute meistens propagierte Vorgehen mit einem Protonenpumpenhemmer als empirischer Initialtherapie spricht jedoch das raschere Einsetzen der Symptomkontrolle.
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STUDIE REFERIERT
ptomschwere und Lebensqualität nach sechs Monaten – war für die Step-upgleich wie für die Step-down-Strategie. Bei Behandlung mit einem PPI-Generikum – und unter der Annahme, dass damit dieselbe Effektivität erzielt wird wie mit einem Markenprodukt, wie die Autoren anmerken – sinken die medizinischen Behandlungskosten. Dann fällt sicher auch ins Gewicht, dass bei der Step-down-Strategie der Behandlungserfolg signifikant früher eintritt. Diese Ergebnisse stimmen mit denjenigen früherer Studien nicht ganz überein. Dort wurde im Allgemeinen eine Überlegenheit der PPI festgestellt. Allgemein gelten aber PPI bei Dyspepsie zur Symptomlinderung als weniger effektiv als bei gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD). Die Autoren erklären die Diskrepanzen in erster Linie mit einer unterschiedlichen Auswahl der Patienten, die in früheren Studien überwiegend Sodbrennen aufwiesen oder wegen Dyspepsiesymptomen zur Endoskopie überwiesen oder beim Gastroenterologen behandelt wurden, während hier ein unausgelesenes Patientengut aus der Primärversorgung beobachtet wurde.
Was bedeutet dies nun für die Praxis? Ein Begleitkommentar in «The Lancet» hält sich zunächst ans Positive: pragmatische Studien aus der Primärversorgung sind Mangelware, insbesondere auch bei neu diagnostizierter Dyspepsie oder GERD, diese Untersuchung ist somit hoch willkommen und wichtig. Den Gegebenheiten der Praxis trug auch die Methodik Rechnung, indem eine sehr breite Definition des Beschwerdebildes benützt wurde. Wohl um der Klarheit willen wurde ein Ansprechen auf die Therapie als adäquate Symptomlinderung nach sechs Monaten definiert, wodurch sich allerdings eine Effektgrösse nicht
fassen lässt, da eine Bestimmung der Symptomschwere zu Beginn und am Studienende nicht möglich ist. Ausserdem bleibt unklar, welcher Prozentsatz der Patienten nach sechs Monaten völlig beschwerdefrei war. Ebenfalls als Schwäche der Untersuchung ist zu bemängeln, dass sie über die Frequenz der Symptome keine Auskunft gibt, denn eine hohe Frequenz ist ein diagnostisches Kriterium bei GERD. In der DIAMOND-Studie benötigte nur ein Drittel der Patienten eine Fortsetzung der Therapie über alle drei vorgesehenen Stufen, was darauf hindeutet, dass doch viele Patienten mit der angebotenen Initialbehandlung zufrieden waren oder an selbstlimitierenden Beschwerden litten. Eindeutiger Schwachpunkt der Studie, so der Kommentar, ist aber, dass heute in aller Regel als Initialbehandlung ein vierbis achtwöchiger Versuch mit der potentesten Säurehemmung, also mit einem PPI, steht, womit schnell zu eruieren ist, ob die Beschwerden säurebedingt sind oder nicht. «Das Design von DIAMOND ist zwar interessant, im wirklichen Leben würde aber niemand einen Stepdown zu einem H2-Antagonisten und womöglich zu einem Antazidum vollziehen, wenn der PPI initial keine adäquate Therapieantwort gebracht hat.» Dass die beiden Behandlungsstrategien so ähnliche Erfolgsraten hatten, lässt sich am ehesten damit erklären, dass ein gewichtiger Anteil der Patienten einfach nicht an säurebedingten Beschwerden litt oder dass ein Rückfall rasch, das heisst innert vier Wochen erfolgte. Das Studiendesign erlaubt diese Unterscheidung allerdings nicht. Für die Praxis bedeutet dies, dass eine sofortige empirische PPI-Behandlung bei Dyspepsie in der allgemeinärztlichen Praxis Sinn macht, zumal auch in dieser Studie der Anteil der Patienten, die nur einen Therapieschritt benötigten, höher
war als beim umgekehrten Vorgehen
(47% vs. 41%). Auch Kostenüberlegun-
gen sprechen heute nicht mehr gegen
dieses Vorgehen, denn diese ökonomi-
sche Analyse fand zwar einen – geringen
– Kostenunterschied von 8 Prozent bei
den Medikamentenkosten zugunsten
des Step-up-Vorgehens, diese «Einspa-
rung» verschwand aber, wenn Generika
zum Einsatz kamen. So kommt der Kom-
mentar zum Schluss: «Die Daten sind
zwar interessant, werden aber das heu-
tige Management kaum ändern. In der
Primärversorgung ist eine breite Dyspep-
siedefinition, die auch Sodbrennen und
Regurgitation einschliesst, zu bevorzu-
gen. Arzt und Patient sollten sich einig
sein, dass die Symptome wahrscheinlich
vom oberen Magendarmtrakt stammen.
Dann sollten solche Patienten für vier bis
acht Wochen einen PPI erhalten. Patien-
ten sollten entweder völlig beschwerde-
frei oder praktisch asymptomatisch wer-
den oder bei schweren und häufigen
Symptomen eine gesamthaft grosse Ver-
besserung erfahren. Spricht der Patient
auf diese Behandlung an, soll sie been-
det und als Langzeittherapie nur wieder-
aufgenommen werden, wenn die Sym-
ptome rezidiveren.»
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Corine van Marrewijk et al.: Effect and cost-effectiveness of step-up versus step-down treatment with antacids, H2-receptorantagonists, and proton pump inhibitors in patients with new onset dyspepsia (DIAMOND study): a primary-care-based randomised controlled trial. Lancet 2009; 373: 215–225. Sander Veldhuyzen van Zanten (Division of Gastroenterology, University of Alberta, Edmonton/CAN): Dyspepsia and reflux in primary care: rough DIAMOND of a trial. Lancet 2009; 373: 187–188.
Interessenlage: Für die Originalstudie werden keine Interessenkonflikte deklariert. Der Autor des Begleitkommentars deklariert Forschungsgelder und Beraterhonorare mehrerer Pharmafirmen mit Interessen auf dem Gebiet der gastrischen Säurehemmung.
Halid Bas
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