Transkript
BERICHT
«Die Pharmaindustrie hat in der Fortbildung nichts zu suchen»
Eine Podiumsdiskussion zum Verhältnis zwischen Ärzteschaft und Pharmaindustrie
Immer noch tun sich Ärzte schwer im Umgang mit der Industrie. Die
Eine konträre Auffassung vertrat Professor Klaus Lieb, Direktor der Psychiatri-
Beziehung beschreibt eine besondere Nähe-Distanz-Problematik. Ärzte kommen nicht ohne Industrie aus, wollen sich zugleich aber von deren
schen Universitätsklinik Mainz: «Wir müssen ein klares Vorgehen verabreden, um die Ärzteschaft nicht weiter in Miss-
Profitinteressen abgrenzen. Auf dem Jahreskongress der Deutschen
kredit zu bringen», sagte der Direktor der Psychiatrischen Uniklinik Mainz.
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie (DGPPN)
Niemand könne die Augen davor verschliessen, dass die Industrie primär ein
2008 haben die Veranstalter die konfliktträchtige Beziehung eigens zum ökonomisches Interesse habe. «Das ist auch in Ordnung, aber es konfligiert
Thema einer Podiumsdiskussion gemacht: «Wie halten wir es mit der
eben mit einer evidenzbasierten Medizin, die wir zu vertreten haben.» Selbst-
Pharmaindustrie?»
verständlich würde die Industrie versuchen, auf das Verschreibungsverhalten
Einfluss zu nehmen. Lieb forderte eine
deutliche Grenzziehung und «kein
UWE BEISE
Krankenkassen, Ärztekammern und der Herumgeeiere». Er prangerte auch die
Staat, hier nicht einspringen könnten. Unverhältnismässigkeit von Vortragsho-
Um es gleich vorwegzunehmen: So rich- Zurückhaltend, aber keinesfalls dezi- noraren an. «Wir Chefärzte werden gut
tig einig werden konnten sich die Teil- diert ablehnend äusserte sich Möller zur bezahlt, und es kann nicht angehen,
nehmer nicht. Zu unterschiedlich sind Forschung im Auftrag der Industrie, wo dass wir 1000, 2000 oder 3000 Euro be-
die Auffassungen, auch unter den Ärz- Kliniken beispielsweise für die Patien- kommen, wenn wir zum wiederholten
ten. Pharmafirmen und Psychiater müs- tenrekrutierung sorgen.
Mal dasselbe Referat auf einer Industrie-
sen in bestimmten Bereichen miteinan-
der kooperieren, das stellte niemand in
Frage. Allerdings ist umstritten, wie weit der Einfluss der Industrie gehen darf und wo und wie Grenzen gezogen
«Zur Zusammenarbeit mit der Industrie gibt es keine Alternative.»
werden müssen. Professor Hansjürgen
Prof. Hansjürgen Möller
Möller, Direktor der Psychiatrischen
Klinik an der LMU München, hob her-
vor, dass Medikamente nicht von uni- Auch befürwortete er die Teilnahme an veranstaltung halten.» Lieb selbst ist
versitären Institutionen entwickelt wür- industriegesponserten Fortbildungsver- Vorstandsmitglied des Vereins Mezis
den. «Wenn wir mitbeteiligt sein wollen, anstaltungen, sofern sie neutral genug («Mein essen zahle ich selber») und
müssen wir also mitwirken.» Würden seien. Die Teilnahme an Satellitensym- nimmt nach eigenem Bekunden grund-
Ärzte sich verweigern, könnten sie kei- posien lehnte Möller nicht ab. Er ver- sätzlich kein Geld von der Pharma-
nen Einfluss mehr ausüben und wären wies darauf, dass auf dem Gebiet der industrie an. An seiner Klinik ist es
abgeschnitten, die Forschung würde in Kooperation Transparenz herrsche und Pharmareferenten nicht gestattet, auf
andere Ländern abwandern. «Das kön- die Klinikärzte ihre Einkünfte aus Tätig- den Stationen vorstellig zu werden.
nen wir nicht wollen», meinte Möller. Es keiten für die Industrie offen legen «Gerne können die Vertreter aber auf
gebe zur Zusammenarbeit keine Alter- müssten. «Es ist kein Bereich, der blind unsere Frühkonferenzen kommen und
native, da andere Institutionen, wie ist, sondern offen», sagte Möller.
vor dem Ärzteteam vorsprechen. So
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BERICHT
sind wir in der Lage, das Gesagte in den reagiert. Die Vertreter seines Verbandes
wissenschaftlichen Kontext einzuord- hätten zwei Codices verabschiedet, in
nen», sagte Lieb.
denen sie sich eine Selbstkontrolle auf-
Grundsätzlich würden an der Mainzer erlegten. Grundsätze wie Transparenz
Klinik aber weder Geschenke angenom- und Dokumentationszwang sowie Pa-
men noch Medikamentenmuster, «denn tientenschutz seien darin aufgenom-
men. Bei Verfehlungen kön-
nen Strafen bis zu 250 000
«Anwendungsbeobachtungen sind reine Marketinginstrumente!»
Euro verhängt werden. «Das ist nicht aus der Portokasse zu zahlen», sagte Throm.
Prof. Klaus Lieb Dr. Michael Fuchs, Bioethiker
der Universität Bonn, stellte
das Engagement der Industrie
das sind Anfütterungsinstrumente». Lieb in der Fortbildung in Frage, womit er die
sprach sich für eine Zusammenarbeit volle Zustimmung von Lieb erhielt: «Die
bei wissenschaftlichen Fragestellungen Pharmaindustrie hat in der Fortbildung
aus, wenn dahinter eine Innovation nichts zu suchen!» Als Übergangslösung
steht. Für Anwendungsbeobachtungen schlug der Mainzer Psychiater anstelle
stehe seine Klinik nicht zur Verfügung. des Direktsponsorings einen Fonds vor,
Er bezeichnete diese Studien als «reine in den die Industrie einzahle. Möller
Marketinginstrumente» – eine Haltung, nannte dieses Vorgehen blauäugig,
die Dr. Siegfried Throm, Vertreter des schliesslich ginge es doch um den Ein-
Verbandes Forschender Arzneimittel- fluss der Industrie an sich.
hersteller, nicht nachvollziehen konnte. Für Professor Dr. Wolfgang Gaebel, Di-
Anwendungsbeobachtungen seien so- rektor der Psychiatrischen Universitäts-
gar vorgeschrieben, meinte er. Mit ihnen klinik Düsseldorf, steht hinter der Kritik
könnten die Alltagstauglichkeit von an der Ärzteschaft das Misstrauen,
Medikamenten geprüft und Wechselwir- Ärzte würden sich die Taschen voll stop-
kungen aufgedeckt werden. Auf Kritik fen und das Lied der Industrie singen.
an der Industrie habe man angemessen Eine solche Pauschalverurteilung sei
aber völlig unangemessen. Dass man
manchmal vielleicht naiv gewesen sei,
räumte der Psychiater ein. Er berichtete
dem Publikum, dass man im vergange-
nen Jahr finanzielle Unterstützung zur
kostspieligen Erstellung neuer Leitlinien
eingeworben habe. Das Geld sei bereits
eingegangen, dann habe man sich im
Vorstand letztlich jedoch nach ausführ-
licher Diskussion entschieden, den Zu-
schuss nicht anzunehmen, um sich kei-
nen Vorwürfen auszusetzen.
Gaebel befürwortete ein strenges Disclo-
sure von Interessenkonflikten, gab aber
gleichzeitig zu bedenken, dass nicht
nur finanzielle Verflechtungen, sondern
auch politische oder ideologische Vor-
eingenommenheiten zu beachten seien.
Die DGPPN wolle jedenfalls offensiv mit
der Problematik umgehen. Deshalb habe
man eine Task Force eingerichtet, die
den richtigen Umgang mit der Industrie
ausloten soll.
■
Interessenkonflikte: keine
Hinweis: Weitere Berichte über den DGPPN-Jahreskongress lesen Sie im beiliegenden Sonderreport Psychiatrie.
Uwe Beise
BEKANNTMACHUNG
Innere Medizin: Update — Refresher
20. bis 24. Mai 2009 im Technopark Zürich
Diese intensive Fortbildung bietet Internisten, Allgemeinmedizinern und Assistenzärzten in über 40 Stunden: ■ umfassende Updates in den neuesten diagnostischen und therapeutischen Leitlinien in den wichtigsten Bereichen der Inneren ■ Medizin ■ umfassende Themenreview für Assistenzärzte als Vorbereitung auf die Fachprüfung
Für diesen Kurs werden 42,5 Credits SGIM / SGAM vergeben.
Programmübersicht Mi., 20. Mai 2009 Kardiologie, Neurologie Do, 21. Mai 2009 Rheumatologie, Pneumologie, Versicherungsmedizin Fr., 22. Mai 2009 Gastroenterologie, Nephrologie Sa., 23. Mai 2009 Infektiologie, Endokrinologie, Pharmakologie So., 24. Mai 2009 Hämato-Onkologie, Geriatrie, Angiologie
Veranstaltungsort Technopark Zürich Technoparkstrasse 1, 8005 Zürich
Teilnahmegebühren Fachärzte: 980 Fr., Assistenzärzte: 870 Fr. Einzeltage: 220 Fr./Tag (Fach- und Assistenzärzte)
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