Transkript
INTERVIEW
«Bronchodilatatorische Betamimetika bei Asthma nur in Kombination mit Kortikosteroiden!»
Ein Interview mit Hanspeter Anderhub zur Diskussion um lang wirkende Bronchodilatatoren in der Asthmatherapie
Kürzlich empfahl eine FDA-Expertenkommission,
den Gebrauch der lang wirkenden Bronchodilatatoren
Salmeterol (Serevent®) und Formoterol (Oxis®/
Foradil®) in den USA als Monotherapie bei Asthma
zu verbieten. Kombinationen mit Steroiden hingegen
wurden ausdrücklich weiterhin empfohlen.
Wir sprachen mit Hanspeter Anderhub über die Rele-
vanz dieses Entscheids für die Praxis.
ARS MEDICI: Herr Dr. Anderhub, waren Sie überrascht von diesem Entscheid der FDA-Expertenkommission? Anderhub: Nein, überhaupt nicht, aber die Diskussion ist im Grunde völlig überflüssig. Es soll ja sowieso kein Asthmapatient mit Bronchodilatatoren wie Salmeterol oder Formoterol alleine behandelt werden! Es ist ein Fehler, Asthma nur bronchodilatatorisch zu behandeln – ob das nun mit kurz- oder lang wirkenden Betamimetika geschieht, ist völlig egal. Beides ist falsch. Asthma heisst Entzündung, und Asthmatherapie heisst Therapie der Entzündung, also eine Behandlung mit Kortikosteroiden, eine der segensreichsten Erfindungen in der Asthmatherapie der letzten 20 Jahre. Nur unterstützend kommen bronchienerweiternde Medikamente zum Zuge. So steht es auch in allen Therapieempfehlungen.
ARS MEDICI: Die FDA-Experten wollen demnach etwas verbieten, was sowieso niemand empfiehlt? Anderhub: So ist es. Wenn man Asthmapatienten mit einer Kombination aus einem inhalativen Kortikoid und einem Bronchodilatator behandelt, sind keine negativen Folgen zu erwarten. Behandelt man aber ausschliesslich bronchodilata-
torisch, steigt die Mortalität an. Das liegt aber nicht an irgendwelchen negativen Effekten von Bronchodilatatoren an sich. Der Grund ist vielmehr, dass das Asthma – also die Entzündung – dann eben nicht richtig, das heisst nicht mit Kortison behandelt wurde. Diese Patienten sterben früher am falsch behandelten Asthma. Sie sterben nicht am Bronchodilatator. Die Diskussion um die Betamimetika ist übrigens nicht neu. Vor Jahren gab es schon einmal grosse Aufregung um ein auch bei uns häufig gebrauchtes, kurz wirksames Betamimetikum (Fenoterol, Berotec®). In Australien starben damals viele Asthmapatienten, und natürlich dachte man sofort daran, alle Bronchodilatatoren zu verbieten. Letztlich hat sich aber herausgestellt, dass die Australier damals völlig kritiklos ihr Asthma nur noch mit diesem Bronchodilatator behandelten. Schuld an den Todesfällen war die fehlende Behandlung mit topischen Steroiden. Seitdem spricht niemand mehr davon, die kurz wirksamen Betamimetika zu verbieten. Dafür schwappt jetzt eine neue Welle herein mit der Diskussion über die lang wirkenden Bronchodilatatoren.
ARS MEDICI: Dasselbe in Grün sozusagen ... Anderhub: Nicht ganz, denn die FDA-Experten haben ja gleich betont, dass die Kombinationspräparate, also ein topisches Steroid mit einem lang wirkenden Betamimetikum, gut sind und nur die alleinige Verwendung eines Bronchodilatators bei gewissen Patienten zu Problemen führt. Aber diese Substanzen deswegen bei Asthma gleich komplett verbieten zu wollen, halte ich für sehr übertrieben.
ARS MEDICI: Wie sieht eine gute Asthmabehandlung Ihrer Ansicht nach aus? Anderhub: Eine gute Asthmabehandlung bedeutet topische Steroide, unterstützt von lang wirkenden Betamimetika, den sogenannten LABA. Und dies regelmässig zweimal am Tag. Für momentane Verschlechterungen kommen kurz wirkende Bronchodilatatoren zum Einsatz. Die heute gebräuchlichsten Präparate sind die Kombinationen Fluticason/Salmeterol
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INTERVIEW
hat es zu niedrig dosiert. Wir haben ja bekanntermassen ein grosses Complianceproblem bei unseren Asthmapatienten, vor allem wenn es um Kortison geht.
Dr. med. Hanspeter Anderhub, Internist und Pneumologe, ist einer der wissenschaftlichen Beiräte von ARS MEDICI.
(Seretide®) und Formoterol/Budesonid (Symbicort®). In der Praxis hat allerdings die Unsitte um sich gegriffen, solche Kombinationspräparate nur noch bedarfsweise zu gebrauchen. So greifen die Patienten bei akuten Beschwerden zu einem Kombinationspräparat, bei dem sie einzig vom Bronchodilatator profitieren. Schlimmer noch wiegt aber meines Erachtens, dass darüber eine regelmässige, stabile Steroidtherapie, die Basis der Asthmabehandlung, vergessen wird. Das Asthma wird sozusagen nur noch bronchodilatatorisch behandelt. Die beste Asthmatherapie ist in meinen Augen und auch gemäss den Richtlinien, morgens und abends, zweimal täglich, regelmässig ein topisches Steroid zusammen mit einem lang wirkenden Bronchodilatator zu inhalieren, zum Beispiel Seretide® oder Symbicort®. Aber diese Präparate werden nicht herumgetragen, sondern sie bleiben zu Hause, im Badezimmer! Mitgeführt wird einzig ein kurz wirksamer Bronchodilatator, wie beispielsweise Ventolin®, Bricanyl® oder Berotec®.
ARS MEDICI: Wäre bessere Compliance aber nicht doch ein gutes Argument für die Anwendung eines einzigen Medikaments, also eines Kombinationspräparats sowohl für die Erhaltungs- als auch die Akuttherapie? Anderhub: Nein! Aus meiner Sicht überwiegen die Nachteile. Nur wenn man morgens und abends fix inhaliert, schafft man eine solide Basis, und die Entzündung bleibt kontrolliert. Nehmen die Patienten aber einfach nach Lust und Laune Symbicort®, werden sie diese Stabilität nie erreichen. Die Patienten werden die sich wieder anbahnende Entzündung viel zu spät wahrnehmen und entsprechend zu spät darauf reagieren. Das Verführerische an der All-inclusive-Lösung ist der rasch wirkende Bronchodilatator Formoterol im Kombinationspräparat Symbicort®. Er wirkt so rasch wie Ventolin®, das heisst innert 2, 3 Minuten. Bei Seretide®, dem anderen weit verbreiteten Kombinationspräparat, braucht es 30 Minuten, bis der dort enthaltene Bronchodilatator Salmeterol (Serevent®) zu wirken beginnt. Niemand käme auf die Idee, diese Substanz bedarfsweise zu inhalieren. Das ist auch gar nicht der Sinn der Sache. Man kann nicht oft genug betonen, dass nur eine regelmässige, zweimal tägliche Applikation eines topischen Steroides zusammen mit einem lang wirkenden Betamimetikum, und dies unabhängig von der Tagesform, die Stabilität des Asthmas garantiert. Noch einmal: Asthma ist eine Entzündung. Therapie der Entzündung heisst Kortison. Für die akuten Beschwerden – und nur dort – setzen wir gezielt kurz wirksame Bronchodilatatoren ein.
ARS MEDICI: Herr Anderhub, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Gespräch führte Renate Bonifer.
ARS MEDICI: Was ist zu tun, wenn die Patienten immer häufiger zu ihrem kurz wirksamen Bronchodilatator greifen? Anderhub: Wenn man bemerkt, dass die Notfallmedikamente immer häufiger gebraucht werden, heisst das nicht, dass sie nicht mehr wirken, sondern dass die Entzündung zugenommen hat und mit der bisherigen Medikation nicht mehr kontrolliert ist. Darum wäre es falsch, beispielsweise die Dosis von Ventolin® immer weiter zu erhöhen oder einen lang wirksamen Betaagonisten wie Serevent® oder Oxis®/Foradil® hinzuzugeben. Vielmehr muss dann die Steroiddosis überprüft werden: Entweder nimmt der Patient überhaupt kein Steroid mehr, oder er hat dieses unregelmässig genommen, oder er
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