Metainformationen


Titel
Arsenicum: Take a WONCA GP
Untertitel
-
Lead
Unser Qualitätszirkel artet immer zum Biertisch aus. Diesmal haben wir über das «Take a GP»Programm der 15th Wonca Europe Conference gelästert. Susanne störte sich schon am Englisch. «Put up a GP!», korrigierte sie, «so heisst das!» Laut Programm ermöglicht es Kollegen mit eingeschränktem Budget aus der Schweiz und dem Ausland – Jungärzten und Studierenden – die Teilnahme am Kongress. Heiri krähte, dass auch alte Hausärzte ein knappes Budget hätten, insbesondere wenn Couchepin so weitermache. Die Studierenden bekämen wenigstens noch einen Wechsel oder ein Stipendium, während wir armen Arbeitstiere für uns und unsere Familie alles selbst berappen müssten. Und wenn man auf dem Gästebett eines Kollegen schliefe, müsse man edlen Wein (keine Patientengeschenke!) und Blumen für die Dame des Hauses für so viel Geld kaufen, dass ein Hotelzimmer billiger käme. Und sich dann noch alle Sorgen und alte Storys der Gastgeber anhören.
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken
Schlagworte
-
Artikel-ID
387
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/387
Download

Transkript


arsenicum
U nser Qualitätszirkel artet immer zum Biertisch aus. Diesmal haben wir über das «Take a GP»Programm der 15th Wonca Europe Conference gelästert. Susanne störte sich schon am Englisch. «Put up a GP!», korrigierte sie, «so heisst das!» Laut Programm ermöglicht es Kollegen mit eingeschränktem Budget aus der Schweiz und dem Ausland – Jungärzten und Studierenden – die Teilnahme am Kongress. Heiri krähte, dass auch alte Hausärzte ein knappes Budget hätten, insbesondere wenn Couchepin so weitermache. Die Studierenden bekämen wenigstens noch einen Wechsel oder ein Stipendium, während wir armen Arbeitstiere für uns und unsere Familie alles selbst berappen müssten. Und wenn man auf dem Gästebett eines Kollegen schliefe, müsse man edlen Wein (keine Patientengeschenke!) und Blumen für die Dame des Hauses für so viel Geld kaufen, dass ein Hotelzimmer billiger käme. Und sich dann noch alle Sorgen und alte Storys der Gastgeber anhören. Beppi, dieser unverbesserliche SVP-Wähler, knurrte etwas von fremden Fötzeln und dass er allenfalls sein Bett einer jungen Schweizer Studentin zur Verfügung stellen würde. Weitere Altherrenwitze folgten, ob die Bettsuchenden sich denn mit Foto bewerben müssten. «Eher umgekehrt!», meinte Susanne. In Schweizer Messestädten könne man seine Wohnung während Messen zum Mieten anbieten, aber immer mit Foto. «Dann käme keiner zu mir!», stöhnte Heiri. Wir nickten alle. Vier pubertierende Kinder, von denen jeder mehrere Haustiere hat, eine kunstgewerblich tätige Ehefrau (Töpfern, Makramee und Weben), ein inkontinenter, gärtnernder Vater und der chaotische Hausarzt selbst lassen das stattliche Haus mit Praxis – unsere ehemalige Dorfschule – ein wenig wie ein Obdachlosenasyl aussehen. Beppi lächelte verträumt. Sein Doppeleinfamilienhaus, in dessen einer Doppeleinfamilienhaushälfte (welch ein Unwort!) die Praxis ist, macht da schon mehr her. Beim anankastisch ordentlichen, heiratsresistenten Junggesellen herrscht auch keinerlei Unordnung. «Wie wäre es mit einer rassigen russischen Kollegin?», witzelte Heiri. «Oder mit einer blonden Baltin?» Seit Jahren versucht er, eingedenk seines eigenen Familienglücks, Beppi zu verkuppeln. Ich las aus dem Merkblatt vor, dass das Programm «den Schweizer Gastgebern und ihren Gästen aus Europa und der Schweiz eine wertvolle Gelegenheit zum persönlichen Austausch böte». (Der Konjunktiv II Präsens ist wirklich der O-Ton des Flyers

und stammt nicht vom Arsenicum-Verfasser! Anm. des Layouters). Wir konnten Beppi gerade noch zum Schweigen bringen, bevor die nette kroatische Serviertochter die nächsten Biere brachte. Leise zischte er in den Bierschaum, dass er sich nicht das Haus von diebischen Gästen aus dem Osten ausräumen liesse. Wir tadelten ihn und David, Mitglied der Blauen Kommission, murmelte etwas von Abzockern unter uns. «Und die Gäste erhielten einen interessanten Einblick in unseren schweizerischen hausärztlichen Alltag ...», las ich weiter. «Warum? Kann man die gerade als Aushilfen arbeiten lassen, während man selbst am Kongress ist?», fragte Susanne. «Vermutlich nicht», meinte Beatrice, «aber man muss dann das WC und die Küche tipptopp in Ordnung halten. Und einen Bademantel anziehen, wenn man über den Gang läuft. Sonst ist der Einblick möglicherweise zu interessant.» Wir seufzten alle erleichtert, als Susanne uns informierte, dass sich nur Basler als Gastgeber anbieten müssten. Inzwischen war Beppi aber gar nicht mehr so abgeneigt, eine schöne junge Kollegin kennenzulernen. «Geh doch bei Alex vorbei», schlug ich vor, «der wohnt in Basel, ist sehr gastfreundlich und quartiert sicher einen Car voller junger Französinnen ein. Lade dich selbst zum Abendessen ein.» Heiri meinte, auch wir Nichtbasler müssten uns anstrengen. Immerhin sei das eine grosse Sache, alle World Family Doctors Europas bei uns zu Gast. «Die Frist für die Abstracts ist schon abgelaufen!», meinte Beatrice. «Nein, ich dachte eher an etwas Konkretes», meinte Heiri, «Kontakte knüpfen, den Gästen Basel zeigen ...» «Schon alles organisiert», meinte ich, «vor allem Luzern drängt sich wieder vor bei den Ausflügen.» Heiri sinnierte: «Man könnte Brieffreundschaften und Auslandsaufenthalte für die Kinder anbahnen.» «Vielleicht haben die Spanier und Griechen ja auch nette Häuschen am Meer, die sie dir und deiner Sippe mal überlassen ...», spottete Beppi. David überlegte laut, dass man sich mit den Kollegen über ihre Honorare austauschen müsse, Susanne wollte zusammen mit den Medical Women Switzerland und den Medical European Women Emanzipatorisches ausdiskutieren, Beatrice hoffte auf ein Borschtschrezept und ich entschloss mich, den Ausflug nach Rheinfelden zu buchen, in die Brauerei Feldschlösschen, und ein paar tschechische und bayrische Kollegen zu überreden, mitzukommen ...

Take a WONCA GP

174 ARS MEDICI 5 ■ 2009