Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Sicherung der ärztlichen Versorgung in der Schweiz, Nachfolgeregelung Zulassungsstopp
Anita Fetz, Ständerätin SP, BS, reichte am 19.12.2008 folgende Motion ein:
Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament möglichst rasch den Entwurf zu einem Erlass über Massnahmen bei ärztlicher Unter- oder Überversorgung vorzulegen.
Begründung Ohne Gesetzesänderung läuft Ende 2009 der befristete Zulassungsstopp für Ärztinnen und Ärzte aus. Damit verbunden sind Befürchtungen, dass in ländlichen Gebieten das medizinische Angebot sinkt (ärztliche Unterversorgung/Ärztemangel) und in den Zentren durch die Ausweitung des Angebots überproportional und kostenintensiv steigt (ärztliche Überversorgung). Zudem ist weitgehend unbestritten, dass die Ausgestaltung des befristeten Zulassungsstopps unbefriedigend war. Der Bundesrat wird vor diesem (auch zeitlichen) Hintergrund beauftragt, Rahmenbedingungen für Massnahmen, sowohl bei ärztlicher Unterversorgung als auch bei ärztlicher Überversorgung, zu entwerfen. Diese Massnahmen könnten sich am Vorschlag orientieren, auf den sich die Kantonale Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK) und die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) verständigt haben und der hier in einer gestrafften Form aufgeführt ist: Artikel 36a Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärzte und Ärztinnen dienen Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärzte und Ärztinnen dienen, sind zugelassen, wenn die dort tätigen Ärzte und Ärztinnen die Voraussetzungen nach Artikel 36 erfüllen. Ambulatorien von Spitälern ohne entsprechenden kantonalen Leistungsauftrag nach Artikel 39 Absatz 1 gelten als Einrichtungen der ambulanten Krankenpflege. Artikel 36b Zulassung bei ärztlicher Unteroder Überversorgung (neu) 1. Bei bestehender oder sich abzeichnender ärztlicher Unter- oder Überversorgung können die Kantone von den Zulassungsvoraussetzungen nach Artikel 36 und 36a abweichen. Sie hören dabei die kantonalen Leis-
tungserbringer- und Berufsorganisationen sowie die Versicherer an. 2. Bei bestehender oder sich abzeichnender Unterversorgung können die Kantone Leistungserbringer nach Artikel 36 und 36a mit Massnahmen unterstützen. Die Massnahmen können Anreize umfassen. Im Rahmen seiner Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung sowie der Anerkennung ausländischer Diplome kann der Bundesrat ebenfalls Massnahmen ergreifen. 3. Bei bestehender oder sich abzeichnender Überversorgung können die Kantone die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung nach Fachgebiet und Region von einem Bedarf abhängig machen (Zulassungsverfahren). 4. Falls Kantone ein Zulassungsverfahren nach Absatz 3 einführen, können sie Zulassungen auf mehrere Personen gleicher oder verwandter Facharztdisziplinen aufteilen. Etwaige Begrenzungen des Tätigkeitspensums sind in der Zulassung festzuhalten (Teilzeitzulassung); legen sie bei der Erteilung oder Übertragung der Zulassung eine Frist von mindestens einem Jahr fest,
innert der von ihr Gebrauch zu machen ist. Die Frist kann auf Gesuch hin einmal angemessen verlängert werden; lassen sie eine erteilte Zulassung verfallen, wenn nicht innert der gesetzten Frist von ihr Gebrauch gemacht wird. Die Kantone können die Zulassung entziehen, wenn die Tätigkeit des Leistungserbringers für die Leistungen nach diesem Gesetz wesentlich vom allfällig in der Zulassung festgelegten Fachbereich oder Tätigkeitspensum abweicht. 5. Der Bundesrat stellt den Kantonen kostenlos die statistischen Grundlagen zur Beurteilung der Versorgungslage bereit. Er unterscheidet dabei nach Versorgungsräumen und berücksichtigt die Patientenströme. Die Krankenversicherer stellen den Kantonen kostenlos die personenbezogenen Daten bereit, welche zur Überprüfung der allfällig festgesetzten Zulassungsbeschränkungen nach Absatz 4 notwendig sind.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
Wird der Doktor, wenn er ins Pensionsalter kommt, dereinst einen Nachfolger finden?
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Zunahme von Geburten mittels Kaiserschnitt
Begründung Das Krankenversicherungsgesetz verpflichtet den Bundesrat dazu, medizinische Interventionen auf ihre Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit zu überprüfen. Mehrere Faktoren deuten darauf hin, dass im Bereich der Geburtshilfe medizinische Interventionen gemacht und von der OKP finanziert werden, die diesen Kriterien nicht standhalten: Die Kaiserschnittrate liegt 2007 10 Prozentpunkte höher als noch 1998, ohne dass Verbesserungen beim Gesundheitszustand von Mutter und Kind realisiert werden konnten (Anmerkung: Säuglingssterblichkeit 1998: 4,9 Prozent, 2005: 4,4 Prozent, http://www.bfs. admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/14/02/03/key/0 1.Document.21577.xls). Die Kaiserschnittrate liegt bis zu 20 Prozentpunkte höher als in anderen europäischen Ländern, ohne dass der Gesundheitszustand von Mutter und Kind besser wäre als in diesen Ländern (z.B. Frankreich, Niederlande, Schweden, Norwegen). Die Kaiserschnittrate liegt in Privatkliniken seit Jahren rund 10 Prozentpunkte höher als in den öffentlichen Spitälern, obwohl gerade die öffentlichen Zentrumsspitäler die schwierigen, risikoreichen Geburten durchführen.
Die Kaiserschnittraten sind in den Kantonen sehr unterschiedlich, wobei kein Zusammenhang mit dem Alter der gebärenden Frauen besteht, obwohl dieser Faktor von vielen als Grund des Anstiegs der Rate angeführt wird. Im Kanton Genf zum Beispiel ist das Durchschnittsalter der gebärenden Frauen bei 34 Jahren, die Kaiserschnittrate ist trotzdem die zweittiefste der Schweiz. Problematisch ist die hohe Kaiserschnittrate nicht nur, weil ein wesentlicher Teil der Eingriffe sich bezüglich Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit nicht rechtfertigen lassen, sondern umso mehr auch, weil diverse Studienresultate zeigen, dass der Eingriff für Mutter und Kind nicht ohne Risiko ist. Frauen mit Kaiserschnitt haben doppelt so viele Folgeprobleme und Wiedereintritte in Spitäler. Sie haben Schmerzen, Infektionen, können Alltagsaufgaben nicht bewältigen, können das Kind nicht hochheben und anfangs nur unter erschwerten Umständen stillen. Kaiserschnittkinder müssen doppelt so oft auf die Neugeborenen-Intensivabteilung wegen Atemproblemen überwiesen werden und haben langfristig ein schwächeres Immunsystem. Folgeschwangerschaften stehen unter höherem Risiko schon während der Schwangerschaft.
Liliane Maury Pasquier, Ständerätin SP, GE, reichte am 18.12.2008 ein Postulat ein.
Vonseiten derjenigen, die in der steigenden Entwicklung der Kaiserschnittrate kein Problem sehen, wird oft betont, dass einerseits das hohe Alter der Frauen und andererseits der Wunsch der Frauen zu einem Kaiserschnitt führen. Zudem wird angeführt, dass der Kaiserschnitt für die Kinder die sicherere Geburt ist. Der Bundesrat wird beauftragt, im Rahmen seiner Verantwortung für die Einhaltung der im KVG verankerten WZW-Kriterien die Ursachen und Auswirkungen der Kaiserschnitte in Zusammenarbeit mit Fachpersonen zu untersuchen. Auf Basis des Berichtes soll der Bundesrat Möglichkeiten aufzeigen, wie in der Geburtshilfe die WZW-Kriterien eingehalten werden können, damit die Gesundheit von Mutter und Kind nicht durch medizinisch nicht gerechtfertigte Eingriffe gefährdet werden muss.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
Richtlinien für Kaiserschnitte
Der Bundesrat wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit dem schweizerischen Hebammenverband, der Gesellschaft für Gynäkologie, den Kantonen und den Krankenversicherungen Richtlinien zu erarbeiten, nach denen die medizinische Notwendigkeit eines Kaiserschnitts beurteilt werden kann.
Begründung Jedes dritte Kind kommt in der Schweiz per Kaiserschnitt auf die Welt. Viele dieser Kaiserschnitte sind nicht medizinisch, sondern ökonomisch begründet. Eine Geburt per Kaiserschnitt ist für die Gesundheit von Mutter und Kind riskanter als eine natürliche Geburt. Das Risiko der Neugeborenen, wegen Atemproblemen auf die Neugeborenen-Abteilung verlegt zu werden, ist für Kaiserschnitt-Kinder doppelt so hoch wie für Kinder, die vaginal geboren werden.
Nur gerade 2 Prozent der Frauen wünschen sich eine Geburt per Kaiserschnitt. Die Risiken für die Mutter sind denn auch beträchtlich. Doppelt so viele Frauen, die ihre Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt bringen, leiden an Folgeproblemen wie anhaltende Schmerzen und Infektionen. Zudem steigt das Risiko für Komplikationen bei Folgeschwangerschaften beträchtlich an. Während sie für den Arzt oder die Ärztin ökonomisch lukrativer ist, kommt eine Kaiserschnittgeburt die Krankenversicherung teurer zu stehen als eine vaginale Geburt. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass die Krankenversicherungen der zunehmenden Kaiserschnittrate tatenlos zusehen. Um den Trend zu immer mehr Kaiserschnittgeburten zu brechen, brauchen die Schwangeren bessere Informationen. Diese müssen in erster Linie durch die
Jacqueline Fehr, Nationalrätin SP, ZH, reichte am 19.12.2008 folgende Motion ein:
Hebammen erfolgen, weil diese keinen direkten Nutzen vom Entscheid der Frauen haben. Vor allem braucht es aber klare Richtlinien, nach denen die medizinische Notwendigkeit von Kaiserschnittgeburten beurteilt werden kann. Nach einer Erprobungsphase müssen diese Richtlinien rechtlichen Status erhalten.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.
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