Transkript
FORTBILDUNG
Generika
Worauf sollte man beim Umstellen achten?
Nach Ablauf der Patentlaufzeit für ein Arzneimittel —
im Regelfall beträgt diese 20 Jahre — hat ein pharma-
zeutischer Unternehmer die Möglichkeit, ein wirk-
stoffgleiches Nachahmerpräparat, ein sogenanntes
Generikum, auf den Markt zu bringen. In der Praxis
stellt sich häufig die Frage, ob die Austauschbarkeit
zwischen einem Originalpräparat und einem ent-
sprechenden Generikum wirklich in jedem Fall gegeben
ist. Nicht nur der niedergelassene Arzt sieht sich
mit Patientenfragen zu Generika konfrontiert, auch
im Spital ist die Problematik von Bedeutung.
MARTIN HUBER, GERD A. KULLAK-UBLICK
Das Marktvolumen der kassenpflichtigen Generika in der Schweiz betrug im Jahr 2006 381,2 Millionen Franken (zu Fabrikabgabepreisen). Im Vergleich zum Vorjahresvolumen (260,4 Mio. Fr.) stellt dies ein Plus von 46,6 Prozent dar. Der Anteil generischer Arzneistoffe am sogenannten generikafähigen Markt – dieser besteht aus den Generika selbst und den Originalpräparaten, von denen Generika existieren, und betrug 2006 703 Millionen Franken – belief sich auf 54,2 Prozent. Zum Vergleich: Noch 2005 lag dieser Anteil bei nur 29,7 Prozent (1). Der im Jahr 2006 für bestimmte Originalpräparate eingeführte höhere Selbstbehalt dürfte sicher ein Grund für die steigende Beliebtheit der Generika sein. Gemäss Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) beträgt dieser bei Originalpräparaten 20 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten, wenn in der Spezialitätenliste austauschbare Generika enthalten sind, deren Höchstpreise mindestens 20 Prozent tiefer sind als der Höchstpreis des entsprechenden Originalpräparats. Analog gilt diese Regelung auch für Co-Marketing-Präparate, die einem Originalpräparat entsprechen. In Tabelle 1 sind exemplarisch
Arzneistoffe aufgeführt, die entweder nur als Originalpräparat oder auch als Generikum zur Verfügung stehen.
Originalpräparat und Generikum Die vom Schweizerischen Bundesrat erlassene Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und die Generikaanleitung des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic definieren die verschiedenen Begriffe (Kasten): Ein Originalpräparat ist demnach ein von Swissmedic als erstes mit einem bestimmten Wirkstoff zugelassenes Arzneimittel, einschliesslich aller zum gleichen Zeitpunkt oder später zugelassenen Darreichungsformen. Ein Generikum ist ein Arzneimittel, das im Wesentlichen gleich ist wie ein Originalpräparat und das mit diesem aufgrund gleichen Wirkstoffs, gleicher Darreichungsform, gleichen Applikationswegs, gleicher Dosierung und gleicher Indikation austauschbar ist. Für die Aufnahme in die Spezialitätenliste muss der Fabrikabgabepreis des Generikums mindestens 40 Prozent tiefer sein als der des entsprechenden Originalpräparats (für Arzneimittel mit kleinem Marktvolumen gibt es abweichende Regelungen). Von den Generika abzugrenzen sind sogenannte Co-Marketing-Arzneimittel: Hierbei handelt es sich um identische Arzneimittel, die sich nur in der Bezeichnung und der Packung unterscheiden. Ein Beispiel stellen die Präparate Blopress® (Takeda Pharma AG) und Atacand® (AstraZeneca AG) dar, die
Merksätze
■ Aufgrund der derzeitigen Datenlage kann kein pauschales Urteil für oder gegen eine generische Substitution gefällt werden.
■ Bei einer grossen Zahl von Arzneimitteln ist die Substitution unproblematisch.
■ Vorsicht ist bei solchen Arzneistoffen geboten, die eine enge therapeutische Breite aufweisen oder bei denen es erforderlich ist, einen konstanten Plasmaspiegel über lange Zeit zu gewährleisten.
■ Generell sind häufige Wechsel zwischen verschiedenen Präparaten kritisch zu bewerten.
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GENERIKA
Begriffsbestimmungen nach der Verordnung über die Krankenversicherung (Stand: 1. Januar 2008)
Art. 64a KVV, Begriffe
1 Als Originalpräparat gilt ein vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic (Institut) als erstes mit einem bestimmten Wirkstoff zugelassenes Arzneimittel, einschliesslich aller zum gleichen Zeitpunkt oder später zugelassenen Darreichungsformen.
2 Als Generikum gilt ein vom Institut zugelassenes Arzneimittel, das im wesentlichen gleich ist wie ein Originalpräparat und das mit diesem aufgrund identischer Wirkstoffe sowie seiner Darreichungsform und Dosierung austauschbar ist.
3 Als Co-Marketing-Arzneimittel gilt ein vom Institut zugelassenes Arzneimittel, das sich von einem anderen vom Institut zugelassenen Arzneimittel (Basispräparat) mit Ausnahme der Bezeichnung und der Packung nicht unterscheidet.
len. Doch nicht für alle Originalpräparate, deren Patent abgelaufen ist, existieren Generika auf dem Schweizer Markt. So gibt es beispielsweise Originalpräparate, deren Preis bereits so niedrig ist, dass sich bei ihnen die Herstellung eines Generikums nicht lohnt. Auf der anderen Seite bewirken die generischen Arzneimittel oftmals eine Senkung der Preise der entsprechenden Originalpräparate, sodass die Unterschiede aufgrund der Konkurrenzsituation geringer werden (Tabelle 2). Vielfach gehen Hersteller von Originalpräparaten auch dazu über, selbst Generika von einer Tochterfirma herstellen zu lassen.
Zulassung von Generika Das Heilmittelgesetz (HMG) sieht bei bekannten Wirkstoffen ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor. Ist das neue Arzneimittel für die gleiche Anwendung vorgesehen wie ein bereits zugelassenes Originalpräparat, so kann sich das Gesuch nach einer bestimmten Schutzdauer oder bei Zustimmung der Zulassungsinhaberin auf dessen pharmakologisch-toxikologische sowie klinische Prüfungen beziehen.
Tabelle 1: Einige Wirkstoffe, die nur als OriginalTabelle 1: präparat oder auch als Generikum verfügbar Tabelle 1: sind (Stand 1. Januar 2009)
Nur als Originalpräparat erhältlich:
Atorvastatin (Sortis®) Bevacizumab (Avastin®) Duloxetin (Cymbalta®) Esomeprazol (Nexium®) Fosamprenavir (Telzir®) Galantamin (Reminyl®) Imatinib (Glivec®) Latanoprost (Xalatan®)
Montelukast (Singulair®) Octreotid (Sandostatin®) Pindolol (Visken®) Repaglinid (NovoNorm®) Teicoplanin (Targocid®) Voriconazol (Vfend®) Zuclopenthixol (Clopixol®)
Generisch verfügbare Arzneistoffe:
Alendronsäure Bisoprolol Citalopram Doxazosin Epirubicin Furosemid Gabapentin Lisinopril
Metformin Omeprazol Piroxicam Simvastatin Tamoxifen Verapamil Zolpidem
beide Candesartan enthalten. Von Parallelimport spricht man bei der Einfuhr von im Ausland zugelassenen Arzneimitteln, die in der Schweiz ebenfalls eine Zulassung besitzen. Solange für das Schweizer Präparat Patentschutz besteht, lässt das geltende Recht keinen Parallelimport zu.
Ökonomische Aspekte Aufgrund ihres niedrigeren Preises lassen sich mit Generika häufig Einsparungen bei den Ausgaben für Arzneimittel erzie-
Therapeutische Äquivalenz Für Generika, die gegen ein Originalpräparat austauschbar sind, schreibt die Generikaanleitung der Swissmedic den Nachweis der therapeutischen Äquivalenz vor. Da dies in der Praxis mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden sein kann, wird bei systemisch wirkenden, nicht parenteral verabreichten Generika meist ein indirekter Nachweis mittels vergleichender Untersuchungen der Bioverfügbarkeit als ausreichend akzeptiert. In Einzelfällen kann ein In-vitro-Freigabetest diese Untersuchungen ersetzen. Auch für bestimmte pharmakologisch aktive Dermatika wie Steroide oder Antipsoriatika sind die oben genannten Nachweise erforderlich. Ist dies nicht möglich, muss die Äquivalenz mittels eines pharmakodynamischen Endpunkts belegt werden (2).
Bioäquivalenz Die Entscheidung, ob zwei Arzneimittel bioäquivalent sind oder nicht, beruht auf dem Vergleich von Test- und Referenzpräparat hinsichtlich der folgenden Parameter: AUC (Fläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve, maximale Plasmakonzentration cmax und die Zeit tmax, bei der diese erreicht wird) Hierzu wird jeweils das 90-Prozent-Konfidenzintervall der entsprechenden pharmakokinetischen Variablen bestimmt. Der Quotient der so ermittelten Werte für das Referenzpräparat und das zu prüfende Arzneimittel – das heisst die relative Bioverfügbarkeit – muss innerhalb des Bereichs 0,8 bis 1,25 liegen (Abbildung). Dies bedeutet, dass die Plasmakonzentrationen bei einem Generikum bis zu 25 Prozent höher beziehungsweise 20 Prozent niedriger sein können als bei dem entsprechenden Originalpräparat, das als Referenz dient (3). Im Regelfall stellt dies in der Praxis kein Problem dar, da auch die interindividuelle Variabilität mindestens ebenso gross ist. Für bestimmte Arzneistoffe (z.B. Antibiotika) können diese Abweichungen jedoch in Abhängigkeit von den pharmakologischen Eigenschaften von Bedeutung sein.
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Tabelle 2: Vergleich des Publikumspreises zwischen Originalpräparat und ausgewählten Generika für Tabelle 1: verschiedene Arzneistoffe (Stand 1. Januar 2009)
Lisinopril 100 Tabletten
Ranitidin 60 Tabletten
Amlodipin 100 Tabletten
Originalpräparat
Zestril® 10 mg Fr. 54.10
Zantic® 300 mg Fr. 51.30
Norvasc® 5 mg Fr. 62.00
Generikum 1
Lisinopril Streuli® 10 mg Fr. 42.10
Ulcidin® 300 mg Fr. 51.25
Amlodipin Spirig® 5 mg Fr. 55.75
Generikum 2
Lisinopril Actavis® 10 mg Fr. 39.95
Ranitidin Helvepharm® 300 mg Fr. 46.10
Amlodipin Teva® 5 mg Fr. 49.50
Generikum 3
Lisinopril-Teva® 10 mg Fr. 39.95
Ranitidin-Mepha® 300 mg Fr. 46.10
Amlodipin-Cimex® 5 mg Fr. 39.90
Abbildung: Bestimmung der Bioäquivalenz: Das 90-Prozent-Konfidenzintervall der relativen Bioverfügbarkeit muss im Normalfall innerhalb des Bereichs 80 bis 125 Prozent liegen. In diesem Beispiel erfüllen nur die Arzneistoffe B und E die Kriterien.
Ciclosporin A In der 2004 publizierten Studie einer australischen Arbeitsgruppe wurden zwei in Form einer Mikroemulsion vorliegende Präparate untersucht, die beide das Immunsuppressivum
Ciclosporin A enthalten: das Originalpräparat
Neoral® (Novartis) sowie das generische
Arzneimittel Cysporin® (Mayne Pharma). Die
80 100
125
Relative Bioverfügbarkeit (%)
Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass sich beide Präparate im Hinblick auf die Plasmaspiegelverläufe äquivalent zueinander verhal-
ten. Das 95-Prozent-Konfidenzintervall des
Substitution
Quotienten aus der AUC des Generikums und der AUC des Ori-
Artikel 52a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung ginalpräparats lag zwischen 0,9 und 1,15 und erfüllte damit die
(KVG) räumt Apothekerinnen und Apothekern die Möglichkeit Anforderungen an die Bioäquivalenz (4). Eine im Jahr 2000
ein, Originalpräparate der Spezialitätenliste durch die billi- veröffentlichte Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss,
geren Generika dieser Liste zu ersetzen, wenn nicht von ärzt- dass die derzeitigen Bioäquivalenzrichtlinien in Bezug auf
licher Seite ausdrücklich die Abgabe des Originalpräparats generische Ciclosporinpräparate ausreichend sind, zumal in
gewünscht wird. In der Praxis stellt sich allerdings häufig die der Praxis generell in regelmässigen Abständen Kontrollen der
Frage, ob die Austauschbarkeit zwischen einem Originalpräpa- Blutspiegel bei den behandelten Patienten durchgeführt
rat und einem entsprechenden Generikum wirklich in jedem werden sollten (5).
Fall gegeben ist oder ob bei der Umstellung nicht doch Pro-
bleme auftreten können. Nicht nur der niedergelassene Arzt Terazosin
sieht sich mit Patientenfragen zu Generika konfrontiert, gerade Eine jüngst erschienene Publikation aus Taiwan untersuchte
auch im Spital ist die Problematik von Bedeutung: Bei Eintritt Unterschiede zwischen einem Terazosin enthaltenden Ori-
ins Spital erfolgt oftmals eine Ein- oder Umstellung der Medi- ginalpräparat und einem wirkstoffgleichen Generikum. Ziel-
kation des Patienten auf Arzneimittel, die in der Spitalliste parameter waren hier das klinische Ansprechen (nach Inter-
enthalten sind. Bei Austritt erfolgt dann meist ein erneuter national Prostate Symptom Scale/IPSS) und die Rate an Neben-
Wechsel der Medikation durch den Hausarzt beziehungsweise wirkungen. Die Autoren fanden jeweils keinen signifikanten
die Apotheke.
Unterschied (6).
Studienlage zu einzelnen Arzneistoffen In der Literatur sind verschiedene Studien zu finden, die sich mit der Thematik der Austauschbarkeit von Originalpräparaten und Generika beschäftigen. Diese kamen in Abhängigkeit von der untersuchten Arzneistoffgruppe zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass aufgrund der derzeitigen Datenlage kein pauschales Urteil für oder gegen eine generische Substitution gefällt werden kann.
Isotretinoin Bei einem Vergleich der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurven für das Aknetherapeutikum Isotretinoin – das Originalpräparat Roacutan® und ein Generikum wurden getestet – waren diese nahezu identisch. Für den ebenfalls bestimmten Hauptmetaboliten 4-Oxo-Isotretinoin ergab sich ein ähnliches Bild. Unterschiede in der klinischen Wirksamkeit sind daher nicht zu erwarten (7).
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Clozapin Für Clozapin hingegen existieren aus den USA mehrere Fallberichte über psychiatrische Patienten, bei denen nach der Umstellung auf ein Generikum eine deutliche Verschlechterung der vormals stabilen psychotischen Symptomatik auftrat. Nach Wiederaufnahme der Behandlung mit dem Originalpräparat besserte sich der Zustand wieder. Die Autoren werfen die Frage auf, ob die von einem Generikum geforderte Bioäquivalenz bei Arzneistoffen wie Clozapin als Nachweis der therapeutischen Äquivalenz ausreichend ist (8).
Warfarin Eine landesweite Umstellung auf ein generisches Warfarinpräparat im Jahr 1998 in Israel führte bei in eine retrospektive Studie eingeschlossenen Patienten zu einer deutlichen Abnahme des gemessenen INR sowie einer Senkung des Warfarinsensitivitätsindexes (WSI, d.h. der Quotient aus INR und Warfarindosis). Als Ursache wird eine verminderte Bioverfügbarkeit des generischen Warfarinpräparats vermutet, die allerdings noch innerhalb der geforderten Grenzwerte für Bioäquivalenz liegt. Eine engmaschige Überwachung des INR ist demnach auch bei Austausch wirkstoffgleicher Präparate empfehlenswert (9).
Antikonvulsiva Geringfügige Unterschiede in der Bioverfügbarkeit können insbesondere auch bei solchen Arzneistoffen von Bedeutung sein, bei denen die Aufrechterhaltung eines bestimmten Plasmaspiegels über einen kontinuierlichen Zeitraum erforderlich ist. Ein Beispiel hierfür stellt die Wirkstoffgruppe der Antikonvulsiva dar. Zwar existieren keine breit angelegten prospektiven Vergleichsstudien, doch sind einige Fallberichte aus der Literatur bekannt. Eine in Kanada bei Ärzten durchgeführte Untersuchung mittels Fragebögen hatte zum Ziel, solche Patienten mit Epilepsie zu identifizieren, bei denen nach der Umstellung von Lamictal® auf ein generisches Lamotriginpräparat unerwünschte Arzneimittelwirkungen aufgetreten waren. Bei 11 von 14 Patienten trat ein Verlust der Anfallskontrolle nach Umstellung auf ein Generikum auf. Bei 10 von 14 konnte diese zurückgewonnen werden, nachdem wieder das ursprüngliche Originalpräparat verabreicht worden war (10). Gerade im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Anfallsfreiheit kommt der Gewährleistung einer kontinuierlichen antiepileptischen Therapie eine wichtige Rolle zu. Hierzu gehört auch ein möglichst konstanter Plasmaspiegel des jeweiligen Arzneistoffs. Die Umstellung von einem Originalpräparat auf ein Generikum – oder von einem Generikum auf ein anderes – birgt somit ein gewisses Risikopotenzial. Die mögliche Kostenersparnis sollte daher individuell gegenüber der Patientensicherheit, vor allem im Hinblick auf mögliche Anfallsrezidive, abgewogen werden. Bei neu einzustellenden Epileptikern oder bei einem ohnehin erforderlichen Wechsel der Medikation stellen Generika hingegen kein Problem dar (11).
Hilfsstoffe Auch eine andere Zusammensetzung hinsichtlich der Hilfsstoffe kann bei einigen Patienten von Bedeutung sein. In erster Linie gilt dies für die in Tabletten enthaltene Laktose. Hiervon sind solche Patienten betroffen, die unter einer Laktoseintoleranz leiden. Bei der Umstellung auf ein laktosehaltiges Arzneimittel können daher unter Umständen Unverträglichkeitsreaktionen auftreten. Eine weitere Gruppe stellen Zöliakiepatienten dar, die eine Überempfindlichkeit gegenüber Gluten aufweisen. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn als Füllstoff für die Tabletten Weizenstärke verwendet wird, diese enthält das auch Klebereiweiss genannte Gluten. Um dem vorzubeugen, gehen die pharmazeutischen Hersteller inzwischen vermehrt dazu über, Mais- beziehungsweise Kartoffelstärke zur Tablettierung einzusetzen. Nicht zuletzt können bei entsprechend prädisponierten Patienten auch Allergien auf bestimmte Farb- und Konservierungsstoffe von Bedeutung sein. Die Tatsache, dass in wirkstoffgleichen Medikamenten unterschiedliche Hilfsstoffe enthalten sein können, betrifft allerdings nicht ausschliesslich die Umstellung von einem Originalpräparat auf ein Generikum, sondern kann prinzipiell bei jedem Wechsel eines Arzneimittels auftreten. Eine vollständige Deklaration aller Hilfsstoffe wäre daher wünschenswert. Bei einigen Generika liegt der Wirkstoff in einer unterschiedlichen Salzform vor. So enthält beispielsweise das Originalpräparat Norvasc® Amlodipin in Form eines Besilatsalzes (Benzolsulfonat). Im wirkstoffgleichen Produkt Amlodipin-Mepha® handelt es sich hingegen um Amlodipinmesilat (Methansulfonat). Da beide Salze im Magen leicht löslich sind, ist es jedoch fraglich, ob ein klinisch relevanter Unterschied besteht.
Psychologische Aspekte bei der Umstellung Nicht immer lassen sich die von den Patienten berichteten Unterschiede zwischen Originalpräparat und Generikum hinsichtlich der Wirksamkeit oder nach einer Umstellung neu aufgetretene unerwünschte Arzneimittelwirkungen einer medizinisch bedingten Ursache zuordnen. Vielmehr spielen auch andere Faktoren eine Rolle, so beispielsweise die generelle Einstellung des behandelnden Arztes zu Generika oder das Ausmass der Aufklärung des Patienten über die Gründe für die Substitution. Die erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen nach einer Umstellung stellt einen weiteren Faktor dar. Nicht zuletzt spielt die Compliance des Patienten eine entscheidende Rolle: Ein häufiger Wechsel zwischen verschiedenen Präparaten, verbunden mit nicht ausreichender Information, verunsichert viele Patienten und kann daher die Compliance in erheblichem Masse beeinträchtigen (12).
Zusammenfassung Bei einer grossen Zahl von Arzneimitteln ist die Substitution eines Originalpräparats durch ein Generikum beziehungsweise der Austausch eines generischen Medikaments durch ein anderes unproblematisch. Vorsicht ist hingegen bei solchen
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Arzneistoffen geboten, die eine enge therapeutische Breite auf-
weisen oder bei denen es erforderlich ist, einen konstanten
Plasmaspiegel über lange Zeit zu gewährleisten. Hier sind vor
allem die oralen Antikoagulanzien, Antikonvulsiva sowie be-
stimmte Neuroleptika zu nennen. Sollte dennoch eine Umstel-
lung der Medikation erfolgen, empfiehlt sich eine engmaschige
Überwachung der Patienten. Generell sind häufige Wechsel
zwischen verschiedenen Präparaten kritisch zu bewerten. Ein
besonderes Augenmerk sollte nicht zuletzt auch auf die in den
Arzneimitteln enthaltenen Hilfsstoffe gerichtet werden: Indivi-
duelle Unverträglichkeiten des Patienten gegenüber bestimm-
ten Substanzen sind bei der Auswahl des entsprechenden
Austauschpräparats zu berücksichtigen (13). Im Einzelfall
wird der verordnende Arzt nach Abwägung aller relevanten
Faktoren und unter Einbeziehung des betroffenen Patienten
eine individuelle Entscheidung treffen müssen.
■
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Gerd A. Kullak-Ublick Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie Departement Innere Medizin, UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100, 8091 Zürich Tel. 044-255 20 68, E-Mail: Gerd.Kullak@usz.ch
Literatur: 1. Interpharma, Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz: Pharma-Markt
Schweiz. Ausgabe 2007; 14. Auflage. 2. Schweizerisches Heilmittelinstitut Swissmedic: Anleitung zum Einreichen von Zulassungs-
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Interessenkonflikte: keine
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