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Sekundärer Hyperparathyreoidismus: erweiterte Therapieoptionen mit Kalzimimetika
Bessere Beeinflussung von Knochen- und Mineralstoffwechsel bei chronischer Nierenerkrankung
Der sekundäre Hyperparathyreoidismus (sHPT) als Folge einer fortgeschrittenen chronischen Niereninsuffizienz ist angesichts der schwerwiegenden kardiovaskulären und ossären Folgeerscheinungen eine grosse therapeutische Herausforderung. Eine Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten bietet das Kalzimimetikum Cinacalcet, das auch in der Schweiz zunehmende Akzeptanz findet, obwohl definitive Daten zur Morbiditätssenkung und Verbesserung des Überlebens noch ausstehen.
Satellitensymposium «Control of SHPT: EU/CH benchmark
and future trends» an der 40. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft
für Nephrologie (SGN), 4. Dezember 2008 in St. Gallen
HALID BAS
SHPT bei chronischer Nierenerkrankung – ein komplexer, multifaktorieller Prozess Hauptsächlicher physiologischer Regulator der Sekretion von Parathormon (PTH) durch die Epithelkörperchen ist das Serumkalzium: steigt dessen Konzentration an, nimmt die PTH-Sekretion ab. Dies wird durch den kalziumsensitiven Rezeptor vermittelt (calcium-sensing receptor [CaR]), der als membranständiges Protein insbesondere auf der Oberfläche von Hauptzellen der Nebenschilddrüse und auch von Nierentubuluszellen vorkommt. Die neue Wirkstoffklasse der Typ-II-Kalzimimetika entfaltet ihre Wirkung als allosterischer Modulator von CaR, indem sie seine Empfindlichkeit auf extrazelluläres Kalzium erhöht und so die PTH-Sekretion hemmt. Die Entstehung des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) bei chronischer Nierenerkrankung ist ein komplexer multifaktorieller Prozess, der in eine Steigerung der PTH-Sekretion und Hyperplasie der Epithelkörperchenzellen mündet. Hauptsächlicher Triggermechanismus für die Entwicklung dieser schweren Störung des Mineralstoffwechsels ist eine Abnahme des
Serumkalziums, verursacht durch eine reduzierte renale Phosphatausscheidung und verminderte intestinale Kalziumaufnahme als Folge der verminderten Bildung von 1,25[OH]2-Vitamin D3 (Calcitriol) in der Niere. Eine PTH-Zunahme ist zu beobachten, wenn die Kreatininclearance unter 70 ml/ min fällt. In den frühen Stadien ist die PTH-Zunahme noch in der Lage, die Spiegel von Serumphosphat und Serumkalzium zu korrigieren. Mit Fortschreiten des Nierenversagens können diese Adaptationsmechanismen nicht mehr aufrechterhalten werden, messbare Störungen im Phosphat- und Kalziumhaushalt sind die Folge, ebenso wie eine massiv gesteigerte PTH-Sekretion und Nebenschilddrüsenhyperpla-
phosphat sind assoziiert mit einem gesteigerten Risiko für durch kardiovaskuläre Ereignisse oder durch Frakturen bedingte Hospitalisationen. SerumPTH, -phosphat, -kalzium und das Kalzium-Phosphat-Produkt (CaxP) sind unabhängig voneinander mit einer Erhöhung des relativen Sterberisikos bei Dialysepatienten assoziiert. Die durch den sHPT bei chronisch Nierenkranken hervorgerufenen Risiken haben zu Bestrebungen geführt, die Behandlung zu verbessern. Diese haben sich in sehr anspruchsvollen Behandlungszielen niedergeschlagen (Tabelle 1), die von der amerikanischen Kidney Disease Outcomes Quality Initiative (KDOQI™) formuliert wurden und international akzeptiert sind. Das Erreichen der KDOQI-Zielwerte
«Angesichts neuer Behandlungsmöglichkeiten wäre es wichtig zu wissen, ob wir homogene und die adäquatesten Vorgehensweisen anwenden.»
sie. Die Mineralstoffwechselstörungen haben für die Betroffenen gravierende Auswirkungen wie extraossäre Verkalkungen, insbesondere auch im Bereich der Gefässe, und Knochenveränderungen im Sinne der renalen Osteodystrophie. Erhöhtes Serum-PTH und Serum-
gilt auch in der Schweiz als vergleichender Bewertungsmassstab (benchmark) für die Qualität der Behandlung des sHPT bei Dialysepatienten. Zur Erreichung dieser Ziele stehen verschiedene medikamentöse Optionen – verschiedene Vitamin-D-Sterole
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Tabelle 1: Leitlinien der Kidney Disease Outcomes Quality Initiative (KDOQI) zum Knochenstoffwechsel
Parameter
intaktes Parathormon (iPTH) Kalzium-Phosphat-Produkt (CaxP) Phosphat Kalzium korrigiert für Serumalbumin
Zielbereich
150—300 ng/l (15,9—31,8 pmol/l) < 4,44 mmol2/l2 (< 55 mg2/dl2) 1,13—1,78 mmol/l (3,5—5,5 mg/dl) 2,10—2,37 mmol/l (8,4—9,5 mg/dl)
Tabelle 2: Anteil der Patienten, welche die KDOQI-Zielwerte erreichten, an den europäischen COSMOS-Zentren (ASN 2008 [1]) und in einer Benchmark-Untersuchung an Schweizer Patienten (SSN 2008 [2])
intaktes PTH (iPTH) korrigiertes Kalzium Phosphat Kalzium-Phosphat-Produkt (CaxP) iPTH + CaxP alle 4 Parameter
COSMOS (n = 4500)
29,1% 50,5% 51,5% 68,6% 22,3% 9,0%
Schweizer Patienten (n = 996)
34,4% 67,7% 56,9% 78,5% 29,3% 16,5%
und Phosphatbinder – zur Verfügung, die jedoch bisher die gewünschte gleichzeitige Beeinflussung aller Parameter nur selten erlaubten. Hier sollen Kalzimimetika eine Verbesserung bringen.
Wo steht die Behandlung heute? Eine Bestandesaufnahme der heutigen Bemühungen um Verbesserungen der Therapie in Europa gab Professor PierreYves Martin, Médecin-chef du Service de Néphrologie, Département de Médecine, Hôpitaux Universitaires de Genève: «Angesichts neuer Behandlungsmöglichkeiten wäre es wichtig zu wissen, ob wir homogene und die adäquatesten Vorgehensweisen anwenden.» Dieser Fragestellung dient COSMOS (Current Management of sHPT – a Multicenter Observational Study), eine offene Beobachtungsstudie, an der sich 227 europäische Zentren mit 4500 erwachsenen Patienten unter chronischer Hämodialyse beteiligen, die über drei Jahre beobachtet werden sollen (1). Neben einer Dokumentation der Erreichung der KDOQI-Zielwerte soll auch die
Assoziation zwischen der Erfüllung dieser Therapieziele und der Mortalität sowie der Hospitalisationshäufigkeit aufgrund kardiovaskulärer Probleme abgeschätzt werden. Dass eine solche Untersuchung notwendig ist, illustrierte Professor Martin mit dem Hinweis auf die durchgehend schwache Evidenz, auf die sich die derzeitigen Guidelines in der Nephrologie abstützen können. Zurzeit sind erste Ergebnisse nach einer zwölfmonatigen Beobachtungszeit greifbar. Tabelle 2 zeigt im Vergleich der COSMOSStudie und einer Benchmark-Untersuchung aus der Schweiz (2) Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Beeinflussung der Mineralstoffwechselparameter nach den KDOQI-Vorgaben. Offensichtlich ist, dass die Absenkung der erhöhten PTH-Werte in den Zielbereich nur schwer zu erreichen ist. Bei den 996 Dialysepatienten der Benchmark-Analyse aus der Schweiz war dies bei 34,4 Prozent der Fall, bei der Gesamtheit der COSMOS-Patienten, deren Daten etwas früher erfasst worden
waren, wurde bei 29,1 Prozent die Senkung der PTH-Werte erreicht. Bei den Schweizer Patienten wurde durch die Behandlung wesentlich öfter eine Einstellung der Kalzium-, Phosphat- und CaxP-Werte im Zielbereich erreicht. Eine umfassende Normalisierung der bei renalem sHPT gestörten Parameter wurde jedoch nur bei einer Minderheit der Patienten Realität, wie der Anteil derjenigen mit gleichzeitigem PTH und CaxP-Produkt im Zielbereich (COSMOS: 22,3%, CH: 29,3%) oder mit allen vier Parametern im Zielbereich (COSMOS: 9,0%; CH: 16,5%) zeigt. Es lässt sich aber feststellen, dass das Sample von 996 Patienten, das etwa 30 Prozent aller Schweizer Dialysepatienten entspricht, keineswegs schlecht abschneidet. Während Schweizer Patienten im Vergleich mit den restlichen europäischen COSMOS-Patienten in ähnlicher Häufigkeit Vitamin-D-Präparate (48,0 vs. 58,0%) und mindestens einen Phosphatbinder (81,3 vs. 86,4%) erhielten, lag der Anteil derer, denen ein Kalzimimetikum – also Cinacalcet (Mimpara®), der einzige bisher für die Therapie zugelassene Vertreter dieser Wirkstoffklasse – verschrieben wurde, hierzulande deutlich höher (25,7 vs. 6,2%). Im Vergleich verschiedener Altersgruppen wurden die KDOQI-Ziele bei den über 75-Jährigen am besten erreicht. In dieser Altersgruppe kamen Vitamin-DPräparate und Phosphatbinder etwas seltener und in tieferer Dosierung zum Einsatz, die Kalzimimetikumdosis war hingegen über die Altersgruppen weitgehend stabil. Ein Kalzimimetikum wurde bei jüngeren Patienten etwas häufiger eingesetzt. Für 6 Schweizer Dialysezentren liegt auch eine Untersuchung einer zweimaligen Erfassung der Mineralstoffwechselparameter im Abstand von 6 bis 16 Monaten vor, die einen Einblick in die Entwicklung der therapeutischen Bemühungen, ihre Auswirkungen auf die Messwerte und die dabei eingesetzten Medikamente erlaubt (3). Diese Erhebung berücksichtigt die Daten von 236 beziehungsweise 225 Patienten (1. bzw. 2. Erfassung). Tabelle 3 dokumentiert ein uneinheitliches Bild. Während die
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Erreichung der Zielwerte für die einzelnen Parameter wie Kalzium-, Phosphatund CaxP-Wert weitgehend unverändert blieben, ergibt sich für die gleichzeitige positive Beeinflussung von Parathormon und Kalzium-Phosphat-Produkt (iPTH + CaxP) sowie für die Erreichung des KDOQI-Therapieziels «alle 4 Parameter» sowohl bei den Daten der einzelnen Zentren (Abbildung 1) als auch bei den Patientendaten ein günstiger Trend. Noch bilden Vitamin-D-Sterole und Phosphatbinder das Rückgrat der medikamentösen sHPT-Behandlung, die bei einer Mehrheit der Dialysepatienten zum Einsatz kommt. Ein Vergleich der verschiedenen Wirkstoffgruppen zeigt zudem, dass die Patienten Vitamin-DPräparate und Phosphatbinder bei der zweiten Erfassung nur unwesentlich häufiger verschrieben erhielten, dass jedoch das neue Kalzimimetikum deutlich öfter angewendet wurde. Die 6 Zentren setzten Cinacalcet in der ersten Erhebung bei 16,3 Prozent und in der zweiten schon bei 31,4 Prozent ihrer Patienten ein. Abbildung 2 dokumentiert diesen Trend, der eine Mehrheit der berücksichtigten Zentren betraf. «Im europäischen Vergleich im Rahmen der COSMOS-Studie schneiden die schweizerischen Daten gut ab», fasste Professor Pierre-Yves Martin die bisherigen Ergebnisse zusammen. Damit verbindet sich die Hoffnung auf eine günstige Beeinflussung des kardiovaskulären Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos. Einen Hinweis in dieser Richtung gab die DOPPS-(Dialysis Outcomes and Practice Pattern Study-)Studie, die zeigte, dass das höchste kardiovaskuläre Risiko besonders von gemeinsam auftretenden hohen Kalzium- und Phosphatspiegeln abhängt und dass das durch eine Hyperphosphatämie erhöhte Risiko durch die PTH- und Kalziumserumkonzentrationen moduliert wird. Auch die in den verschiedenen Guidelines vorgegebenen Zielwerte für die PTH-, Kalzium-und Phosphatwerte sind nicht in Stein gemeisselt und unterscheiden sich in europäischen, nordamerikanischen oder australischen Richtlinien. Kürzlich hat ein weiteres, internationales wissenschaftliches Gremium, die
Tabelle 3: Anteil der Patienten, welche die KDOQI-Zielwerte erreichten, aus einer Untersuchung an 6 Schweizer Dialysezentren: Zeitverlauf bei zweimaliger Erfassung (T1 und T2) im Abstand von 6 Monaten (SSN 2008 [3]).
Daten der Zentren T1 T2
intaktes Parathormon (iPTH) korrigiertes Kalzium Phosphat Kalzium-Phosphat-Produkt (CaxP) iPTH + CaxP alle 4 Parameter
(n = 6) 34,3% 68,1% 56,0% 80,7% 25,7% 13,9%
(n = 6) 42,5% 70,1% 56,3% 80,4% 36,3% 20,2%
Patientendaten T1 T2
(n = 236) 33,8% 64,5% 55,1% 81,2% 25,2% 12,2%
(n = 225) 40,7% 66,2% 57,8% 79,1% 34,6% 18,2%
Anteil der Patienten
35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
26%
20% 14%
9% 8% 6%
Zeitpunkt 1
31% 30%
21% 14% 13% (S3/S5)
Zeitpunkt 2
Zentrum 1 Zentrum 2 Zentrum 3 Zentrum 4 Zentrum 5 Zentrum 6 alle Zentren
Abbildung 1: Erreichen des KDOQI-Therapieziels «alle 4 Parameter» (iPTH + korr. Kalzium + Phosphat + CaxP) bei einer Stichprobe von Schweizer Dialysepatienten (SSN 2008 [3]).
Anteil der Patienten
70%
60%
50%
40% 30% 20% 10%
33% 29%
13% (S2/S3) 11%
0% 0% Zeitpunkt 1
65%
45% 30% 20% 15% 13%
Zeitpunkt 2
Abbildung 2: Zunehmender Einsatz von Kalzimimetika in 6 Schweizer Dialysezentren (SSN 2008 [3]).
Zentrum 1 Zentrum 2 Zentrum 3 Zentrum 4 Zentrum 5 Zentrum 6 alle Zentren
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«Kidney Disease: Improving Global Outcomes» (KDIGO) angeregt, die bestehenden, auf schwacher Evidenz beruhenden Zielwerte für die PTH-Serumwerte etwas zu lockern, wobei auch der ideale Bereich für die Phosphatserumkonzentration noch gefunden werden muss. «Der PTH-Wert muss immer in Beziehung zu den begleitenden Kalzium- und Phosphatspiegeln interpretiert werden», betonte Professor Martin.
kürzte und dass dieser statistische Effekt bei Verkalkung beider Klappen besonders ausgeprägt war. Die Prozesse, welche zu extraossären Verkalkungen führen, sind sehr komplex, wie Professor Ketteler ausführte. Experimentelle Daten haben Analogien zwischen Knochenaufbau und -minera-
nicht nachgewiesen worden, retrospektive Daten sprechen jedoch für eine geringere Morbidität unter dem Kalzimimetikum. Deshalb kommt auch den laufenden prospektiven klinischen Studien grosse Bedeutung zu, welche die Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Pathologie
«Im Vergleich mit der europäischen COSMOS-Studie schneiden die schweizerischen Daten gut ab.»
Haben Kalzimimetika auch pleiotrope Effekte? Bei Patienten mit chronischem Nierenversagen sind positive Assoziationen zwischen steigenden Kalzium- und Phosphatserumspiegeln sowie einem zunehmenden relativen Mortalitätsrisiko gut dokumentiert. Auch sehr tiefe und sehr hohe PTH-Werte korrelieren mit einem schlechteren kardiovaskulären Überleben. Neben den Aspekten der Knochen- und Mineralstoffwechselstörung im Rahmen des sekundären Hyperparathyreoidismus haben aber auch die vaskulären Verkalkungen für Morbidität und Mortalität klinische Bedeutung, betonte Professor Markus Ketteler, Chefarzt der Nephrologischen Klinik am Klinikum Coburg. Die KDIGO spricht daher von «Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder» (CKD-MBD), deren drei klinische Hauptprobleme kardiovaskuläre Erkrankungen, Frakturen und eine erhöhte Mortalität sind. Eine Beeinflussung der extraossären Verkalkungen über die Korrektur der biochemischen Blutparameter oder wenn möglich auch direkt am Ort der pathologisch verkalkenden Gewebe ist daher ein wichtiges therapeutisches Ziel. Schon vor einigen Jahren konnte nachgewiesen werden, dass das Ausmass arterieller Verkalkungen bei Hämodialysepatienten während einer sechsjährigen Beobachtungszeit mit einem zunehmend schlechteren Überleben korrelierte. Bemerkenswert war aber auch, dass fehlende Gefässverkalkungen mit einer guten Prognose verbunden waren. Ähnlich wurde auch bei Patienten unter Peritonealdialyse beobachtet, dass eine Verkalkung von Mitraloder Aortenklappen das Überleben ver-
lisierung sowie arteriellen Verkalkungen aufgezeigt. Unter den wichtigen Mechanismen für die Transformation von glatten Muskelzellen der Gefässwand in Osteoblasten und chondrozytenähnliche Zellen nannte Professor Ketteler die direkte Wirkung vor allem der Hyperphosphatämie und auch der Hyperkalzämie (bzw. des CaxP), ferner den Verlust einer hemmenden Wirkung verschiedener Proteine wie Osteoprotegerin (OPN) oder Fetuin-A, die Induktion der Knochenbildung durch hohe Phosphatwerte, Lipide und inflammatorische Zytokine, zirkulierende Mineralkomplexe als Folge des ossären Umbaus sowie Apoptosekörperchen und nekrotische Gewebetrümmer als Folge des lokalen Zelluntergangs. Die Forschung auf dem Gebiet der extraossären, inbesondere der vaskulären Verkalkung stützt sich auf unterschiedliche Tiermodelle, etwa nephrektomierte Ratten oder Knock-out-Mäuse. So liess sich beispielsweise zeigen, dass das Kalzimimetikum Cinacalcet in einem Rattenmodell die Kalziumeinlagerung in Gefässe dosisabhängig vermindert. Bei der Verknöcherung spielen auch der Core-Binding-Factor a-1 (cbfa-1), ein Transkriptionsfaktor, und das Matrixgla-Protein (MGP), ein kalziumbindendes Eiweiss, eine Rolle, die beide durch Cinacalcet moduliert werden können. Wichtig an diesen Experimenten ist der Eindruck, dass Cinacalcet nicht nur über eine Beeinflussung der Kalziumund Phosphatserumkonzentrationen allein, sondern offenbar auch direkt in für eine pathologische Verknöcherung empfindlichen Geweben einen pleiotropen Effekt aufweist, der diese eindämmt. Am Menschen ist dies bisher freilich
und auf klinische Ereignisse dokumen-
tieren sollen. Dies untersucht derzeit
die ADVANCE-Studie, die zu zwei Be-
handlungsarmen randomisiert (Stan-
dardtherapie mit kalziumhaltigen Phos-
phatbindern und flexibler Vitamin-D-
Dosierung sowie Phosphatbinder-Vit-
amin-D-Behandlung plus Cinacalcet)
und nach einem einjährigen Follow-up
als Endpunkt das Fortschreiten von Ko-
ronar-, Aorten- und Aortenklappenver-
kalkungen haben wird. Erste Resultate
der ADVANCE-Studie sollen im Laufe
dieses Jahres publik werden. Ausser-
dem läuft die EVOLVE-Studie, deren Er-
gebnisse erst 2011 bekannt sein werden.
Hier wurden je 1900 Patienten entweder
zu einer Standardbehandlung oder zur
Standardbehandlung plus Cinacalcet
randomisiert. Nach zweieinhalbjähri-
gem Follow-up wird ein kombinierter
Endpunkt aus Sterbefällen und klini-
schen Ereignissen erfasst.
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Interessenlage: Die Berichterstattung erfolgt mit Unterstützung der Amgen Switzerland AG.
Referenzen: 1. A. Covic, J.L. Fernández-Martín. J. Floege. et al.: Treatment
of Secondary Hyperparathyroidism and KDOQI Guidelines achievement. COSMOS, a European observational study. American Society of Nephrology, ASN — 41th Annual Meeting and Scientific Exposition, November 4–9 2008, Philadelphia. 2. T. Kistler, Z. Glück, H. Saxenhofer, N. Höfliger, M. Klein, M. Burnier and P.-Y. Martin: Management of Secondary Hyperparathyroidism in 28 Swiss Dialysis Units and the Achievement of NKF/KDOQI Targets: A Benchmark Analysis with International Data. Swiss Society of Nephrology, SSN Congress, December 3—5, 2008, Abstract #66. 3. P.-Y. Martin, M. Hugentobler, Z. Glück, S. Banyai-Falger, D. Hertner, R.P. Wüthrich: Improved Management of Secondary Hyperparathyroidism Based on Repeated NKF/KDOQI Targets Measurements: Data of 6 Swiss Dialysis Units. Swiss Society of Nephrology, SSN Congress, December 3—5, 2008, Abstract #28.
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