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Zürcher Forscher mit neuen Erkenntnissen zur Multiplen Sklerose
Interleukin unter falschem Verdacht
Interleukin-17 spielt als Botenstoff bei Multipler Sklerose (MS) offenbar keine Rolle. Das haben Forscher der ETH Zürich und des Universitätsklinikums Mainz nachweisen können. Die Ergebnisse widerlegen bisherige Vorstellungen über die Pathogenese der MS. Bislang glaubte man, dass eine bestimmte Klasse von T-Helferzellen, die den Botenstoff Interleukin-17 produzieren, kurz TH17-Zellen genannt, wesentlich an der Entstehung der Autoimmunerkrankungen beteiligt sind. Pharma- und Biotechunternehmen haben weltweit ihre therapeutischen Strategien zur Bekämpfung von MS und anderen Autoimmunerkrankungen wesentlich auf die TH17-Zellen fokussiert. Bei der Behandlung der Psoriasis konnten bereits erste therapeutische Erfolge beim Menschen gezeigt werden. Der Forschergruppe um den Zürcher Immunologen Professor Burkhard Becher ist es nun mit Wissenschaftlern aus Genf, Mainz und Berlin gelungen, die spezifische Funktion des Botenstoffes Interleukin-17 zu entschlüsseln. Als die Mainzer und Zürcher Gruppen ihre bisherigen Forschungsergebnisse verglichen, wurde ihnen klar, dass die allgemeine Annahme, Interleu-
kin-17 ermögliche den Immunangriff gegen
das Gehirn, nicht richtig sein kann. «Wir
waren vollkommen erstaunt, als wir be-
merkten, dass Interleukin-17 im Gehirn
überhaupt keine Rolle zu spielen scheint»,
sagt Burkhard Becher in einer Pressemitei-
lung der Universität Zürich. Hingegen
konnten die Zürcher und Mainzer Arbeits-
gruppen bestätigen, dass der Botenstoff
eine wichtige Rolle bei entzündlichen Vor-
gängen etwa in der Haut, in den Gelenken
oder der Lunge spielt.
Becher erwartet, dass die Forschungsergeb-
nisse einen grossen Einfluss auf zukünftige
therapeutische Strategien haben werden.
Klar ist nun, dass sich die grundlegenden
Mechanismen bei den meisten Auto-
immunerkrankungen ähneln, aber eben
nicht unbedingt gleich sind. «Das Hirn ist
halt anders als die Haut oder die Lunge»,
sagt Becher. «Nun müssen wir herausfin-
den, welche Eigenschaften Immunzellen
haben, die das Gehirn angreifen.»
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U.B.
Quelle: Stefan Haak, Andrew Croxford, Katharina Kreymborg, Frank Heppner, Sandrine Pouly, Burkhard Becher and Ari Waisman: IL-17A and IL-17F do not contribute vitally to autoimmune neuro-inflammation in mice. In: Journal of Clinical Investigation. Doi: 10.1172/jci35997
Asthma: keine lang wirksamen Betaagonisten als Monotherapie
Seit längerem gibt es Hinweise darauf, dass unter
der Behandlung mit den lang wirksamen Beta-
agonisten Salmeterol und Formoterol bei Asthma
bronchiale die Hopitalisierungsrate erhöht ist
und es gehäuft zu lebensbedrohlichen Exazerba-
tionen kommt. Jetzt hat eine Expertenkommis-
sion der FDA empfohlen, den Gebrauch der Sub-
stanzen als Monotherapie zu verbieten. Grund-
lage ihrer Empfehlung ist eine neue Metaanalyse
der FDA, die 110 Studien mit insgesamt mehr als
60 000 Patienten einschliesst. Demnach führt
die Anwendung lang wirksamer Betaagonisten zu
einem signifikanten Anstieg des kombinierten
Endpunktes asthmabedingte Todesfälle, Beat-
mungspflichtigkeit oder Krankenhausaufnahme
wegen Asthma bronchiale. Vor allem steigt die
Zahl der Hospitalisierungen, aber auch asthma-
bedingte Todesfälle treten etwas häufiger auf.
Allerdings ist das Ergebnis nur für Salmeterol sta-
tistisch signifikant. Auf diesem Betaagonisten
basieren zwei Drittel der Daten.
Wahrscheinlich liefert die gleichzeitige Anwen-
dung inhalativer Kortikosteroide einen wirksa-
men Schutz. Wie die Analyse zeigt, ist in Studien,
in denen Steroide planmässig eingesetzt wurden,
kein erhöhtes Risiko nachweisbar. Von der Forde-
rung der Expertenkommission nach einem
Anwendungsverbot, das für die FDA letztlich
nicht bindend ist, sind Fixkombinationen mit in-
halativen Kortikosteroiden ausdrücklich nicht
betroffen.
U.B. ■
Irbesartan hilft nicht bei diastolischer Herzinsuffizienz
Bei jedem zweiten Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist die linksventrikuläre Auswurffraktion nicht vermindert. Für sie gibt es weiterhin keine gute medikamentöse Therapie. Ein Versuch, die Prognose durch den Angiotensin-II-Blocker Irbesartan zu verbessern, ist gescheitert. Die im «New England Journal of Medicine» (NEJM 2008; doi 10.1056/NEJMoa0805450) publizierte I-PRESERVE-Studie konnte keinen Effekt nachweisen. Es handelt sich um die grösste je mit einem Sartan durch-
geführte Untersuchung. Die Teilnehmer(innen) wiesen moderate bis schwere Symptome einer Herzinsuffizienz (Stadium NYHA II–IV) auf, ohne dass ein Abfall der linksventrikulären Auswurffraktion vorhanden war. Bei diesen Patienten ist die Pumpleistung erhalten, allerdings ist ihre Sterblichkeit erhöht. 4128 Patienten im Durchschnittsalter von 72 Jahren erhielten entweder 300 mg Irbesartan pro Tag oder Plazebo. Der primäre Endpunkt lautete: Tod oder Hospitalisierung wegen kardio-
vaskulärer Komplikationen (Herzversagen,
Herzinfarkt, instabile Angina, Arrhythmie
oder Schlaganfall). Nach einer Beobach-
tungszeit von 4,5 Jahren war der Endpunkt
nur geringfügig seltener aufgetreten als
unter Plazebo, das Signifikanzniveau
wurde nicht erreicht. Auch auf das kardio-
vaskuläre Sterberisiko und die Zahl der
Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz
hatte Irbesartan keinen nennenswerten
Einfluss.
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U.B.
6 ARS MEDICI 1 ■ 2009