Metainformationen


Titel
Medien, Moden, Medizin
Untertitel
-
Lead
Auch in diesem Jahr ist ein Nobelpreis für Medizin verliehen worden. Wir haben das nicht vergessen. Diesmal hat es Harald zur Hausen, seines Zeichens Virologe und ehemaliger Chef des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, erwischt – der Mann war natürlich überrascht, überwältigt und überglücklich, klar, wem wäre das anders ergangen. Ein klein wenig gehofft – ganz insgeheim – hat er natürlich doch. Ganz aus heiterem Himmel fallen die Preise ja nicht, auch zur Hausen wusste, dass er in der engeren Wahl war - und wer massgeblichen Anteil daran hat, dass erstmals eine Impfung gegen Krebs Wirklichkeit geworden ist, der hat sich einen Ehrenplatz unter den Olympiern seiner Zunft wahrlich verdient.
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken — VERSCHIEDENES
Schlagworte
-
Artikel-ID
13892
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/13892
Download

Transkript


MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN

Nobel und Ig-Nobelpreise
Verhüten mit Coca-Cola

Auch in diesem Jahr ist ein Nobelpreis für Medizin verliehen worden. Wir haben das nicht vergessen. Diesmal hat es Harald zur Hausen, seines Zeichens Virologe und ehemaliger Chef des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, erwischt – der Mann war natürlich überrascht, überwältigt und überglücklich, klar, wem wäre das anders ergangen. Ein klein wenig gehofft – ganz insgeheim – hat er natürlich doch. Ganz aus heiterem Himmel fallen die Preise ja nicht, auch zur Hausen wusste, dass er in der engeren Wahl war - und wer massgeblichen Anteil daran hat, dass erstmals eine Impfung gegen Krebs Wirklichkeit geworden ist, der hat sich einen Ehrenplatz unter den Olympiern seiner Zunft wahrlich verdient. Dass Beziehungen zwischen einzelnen Mitgliedern des Nobelpreiskommitees zum Pharmakonzern AstraZeneca der Wahl zur Hausens dienlich gewesen könnten, wie jetzt zu lesen, wollen wir nicht glauben. Stören wir uns auch nicht an ein paar Nörglern ausgerechnet aus dem Land des Laureaten. Da haben doch tatsächlich kürzlich eine Reihe von Professorinnen und Professoren öffentlich an der HPV-Impfung herumgekrittelt (nicht am Preisträger!) und eine Bewertung nach strengen Evidenzkriterien eingefordert. Die Wirksamkeit der Impfung sei bislang nicht hinreichend unter Beweis gestellt, die Empfehlungen der STIKO (so heisst in Deutschland kurz die Ständige Impfkommission)

gehörten neu bewertet, mahnen sie in einer Erklärung.
Über solcherlei Zweifel erhaben sind die Arbeiten, für die ihre Urheber mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeichnet werden. Dieser Preis ist schliesslich nach Satzung und Wortsinn und mit einem vernehmbaren Augenzwinkern unwürdig, unehrenhaft, schändlich, eben ignobel. Längst geniesst die Preisverleihung, die alljährlich im Sanders Theater der glorreichen Harvard Universität stattfindet, Kultstatus. Auch echte Nobelpreisträger werden auf der skurrilen Feier als Gäste gesehen.
Freuen wir uns also mit Sharee Umpierre von der University of Puerto Rico und seinem Team, das in Experimenten Coca-Cola als potentes Verhütungsmittel entdeckten – freuen wir uns auch mit den taiwanesischen Forschern um C.Y. Hong, die zwei Jahre später zeigten, dass es mit alledem nichts auf sich hat. Die einzig denkbare Rolle von Cola in der Empfängnisverhütung: Man kann damit die Pille runter-

spülen. Gleichwie, beide erhielten den Ig-Nobelpreis für Chemie.
Wie man sich täuschen kann, wie leicht sich unser Gehirn aufs Glatteis führen lässt, und dass man nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Ohren isst, all das haben Massimilian Zampini und Charles Spencer von der University of Oxford ein für allemal blossgestellt. Indem sie den Höreindruck des kraftvollen Zubeissens manipulierten, gelang es ihnen spielend, ihren Probanden zu suggerieren, die Snacks seien knackiger und frischer als sie es tatsächlich waren. Das ist schon einen Ig-Nobelpreis für Ernährung wert.
Eine andere geglückte Selbsttäuschung hat Dan Ariely und seinen Mitarbeitern von der Duke University den Ig-Nobelpreis für Medizin eingebracht, die im renommierten JAMA erschienen war (wir berichteten). Ihre Erkenntnis: Je teurer das als Schmerzmittel getarnte Plazebo, desto grösser die Schmerzreduktion.
Ach übrigens, auch die Schweiz wurde in diesem Jahr bedacht, mit dem Ig-Nobelpreis für Frieden – nämlich die Eidgenössische Ethikkommission für Biotechnologie im Ausserhumanbereich für ihre Forderung, auch Pflanzen mit der Würde der Kreatur zu achten. Die Schweizer Bevölkerung hat ihnen Recht gegeben, und für diesen Friedensschluss mit den grünen Wiesen fällt allen der Preis zu. Urs Thurnherr von der Ethikkommission nahm ihn entgegen.
So, und nun: Allen schöne und friedliche Weihnachten!

VERLAG UND REDAKTION VON ARS MEDICI WÜNSCHEN ALLEN LESERINNEN UND LESERN BESINNLICHE
WEIHNACHTEN UND EIN GLÜCKLICHES NEUES JAHR.