Transkript
STUDIE REFERIERT
Everolimus bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom
Verlängerung der progressionsfreien Zeit im Vergleich mit Plazebo
nitis, einem bekannten Risiko des Rapamycins (Sirolimus) und seiner Derivate (Temsirolimus, Everolimus), erkrankten 3 Prozent der Patienten in der Everolimusgruppe; insgesamt traten bei 8 Prozent der Patienten in der Verumgruppe Lungenkrankheiten auf (keine unter Plazebo).
Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom haben eine schlechte Prognose. Mit den Tyrosinkinasehemmern Sunitinib und Sorafenib sowie dem Antikörper Bevacizumab wurde eine gewisse Verlängerung der Dauer bis zur Tumorprogression im Vergleich mit der Standardtherapie beziehungsweise Plazebo erreicht. Der mTOR-Inhibitor Everolimus erwies sich nun als wirksam bei Patienten, bei denen trotz Sorafenib oder Sunitinib eine Tumorprogression eintritt.
THE LANCET
Everolimus hemmt das Enzym mTOR, eine Proteinkinase, die eine Rolle bei der Regulation der Zellteilung spielt. mTOR gilt neben weiteren Kinasen als zentraler Regulator des Tumorzellstoffwechsels und Blutgefässwachstums. Für Temsirolimus, einen anderen mTOR-Inhibitor, wurde bereits eine Verlängerung der mittleren Überlebenszeit von 7,3 auf 10,9 Monate bei nicht vorbehandelten Nierenzellkarzinompatienten mit besonders schlechter Prognose nachgewiesen. Bei Patienten, deren Tumor trotz Sorafenib oder Sunitinib vorangeschritten war, führte Everolimus gemäss einer neuen Studie* zu einer Verlängerung der progressionsfreien Phase.
Studiendesign 410 Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, bei denen eine Tumorprogression trotz einer Behandlung mit Sorafenib und/oder Sunitinib eingetreten war, wurden im Verhältnis 2:1 in zwei Gruppen randomisiert: 272 erhielten täglich 10 mg Everolimus, 138 Plazebo. Primärer Endpunkt war die progressionsfreie Überlebensdauer; die Stu-
die sollte mit dem 290. Fall einer Tumorprogression enden.
Resultate Die Ergebnisse einer Zwischenauswertung ergaben einen unerwartet deutlichen Nutzen von Everolimus, sodass die Studie bereits nach dem 191. Fall von Tumorprogression vorzeitig abgebrochen wurde. Zu diesem Zeitpunkt lag bei 37 Prozent der Patienten in der Everolimusgruppe eine Tumorprogression vor, gegenüber 65 Prozent in der Plazebogruppe (HR 0,3: 95%-KI: 0,22–0,4; p<0,0001). Die mittlere Dauer bis zur Tumorprogression betrug in der Everolimusgruppe 4 Monate (95%-KI: 3,7–5,5) gegenüber 1,9 Monate (95%-KI: 1,8–1,9) unter Plazebo. Everolimus führte zu deutlich mehr unerwünschten Nebenwirkungen im Vergleich mit Plazebo: Stomatitis (40% vs. 8%), Exantheme («rash»: 25% vs. 4%), Müdigkeit (20% vs. 16%), Asthenie (18% vs. 8%), Diarrhö (17% vs. 3%), Anorexie (16% vs. 6%) und Übelkeit (15% vs. 8%); ebenfalls häufiger waren Schleimhautentzündungen, Erbrechen, Husten, trockene Haut, Infektionen und Dyspnoe. An nicht infektiöser Pneumo-
Längere Überlebenszeit? Da allen Plazebopatienten, bei denen es zu einer Tumorprogression kam, Everolimus angeboten wurde, erlaubt diese Studie keine Aussage darüber, ob die gesamte Überlebenszeit durch Everolimus verlängert werden kann. Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass angesichts der zahlreichen Optionen, die für eine Zweit- und Drittlinientherapie bei Krebspatienten mittlerweile verfügbar sind, kaum mehr «saubere» Studiendesigns für den Endpunkt Überlebenszeit möglich seien. Auch sei es unethisch, Plazebopatienten im Fall einer Tumorprogression eine potenziell wirksame Substanz vorzuenthalten. Der klar erkennbare Aufschub der Tumorprogression sei in jedem Fall ein deutliches Zeichen für eine Anti-Tumor-Wirkung des Everolimus. Everolimus hat zwar eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, doch wurden nur 3 Prozent davon als schwer eingestuft. Die Studienautoren bewerten die NutzenRisiko-Bilanz angesichts einer lebensbedrohenden Erkrankung darum als akzeptabel und empfehlen Everolimus als Standardtherapie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, sofern es trotz Sorafenib oder Sunitinib zur Tumorprogression kommt. In der Schweiz ist Everolimus bisher nur für die Prophylaxe von Organabstossungen nach Transplantationen zugelassen. ■
* Motzer R.J. et al.: Efficacy of everolimus in advanced renal cell carcinoma: a double-blind, randomised, placebo-controlled phase III trial. Lancet 2008; 372: 449—456.
Interessenlage: Sponsor der Studie war Novartis Oncology. Die Autoren geben zahlreiche Grants und Beratertätigkeiten für verschiedene Pharmaunternehmen an, darunter Amgen, Bayer, GlaxoSmithKline, Novartis, Pfizer, Roche und Wyeth. Einige der Autoren sind Mitarbeiter von Novartis.
Renate Bonifer
1134 ARS MEDICI 25/26 ■ 2008