Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Luc Recordon, Ständerat Groupe des Verts (Grüne), VD, reichte am 3.10.2008 eine Motion ein.
Der Bundesrat wird beauftragt, ein Netzwerk von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie anerkannten interkulturellen Dolmetscherinnen und Dolmetschern aufzubauen, die bei Bedarf zwischen medizinischem Fachpersonal und Patientinnen und Patienten vermitteln können. Zudem soll der Bundesrat die Finanzierung dieser Dienstleistung regeln.
Begründung Bei den Sozialversicherungen wie auch vor Gericht ist der Beizug von Dolmetscherinnen und Dolmetschern üblich; die Bezahlung erfolgt in der Regel durch die öffentliche Hand. Auch im Gesundheitsbereich besteht ein solcher Bedarf. Mit dem Beizug von Dolmetscherinnen und Dolmetschern könnten erhebliche Kosten gespart werden, und zwar Kosten aufgrund von Diagnose- und Behandlungsfehlern, aber auch Kosten, die entstehen, weil aufgrund von
Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Gesundheitsbereich
Kommunikationsproblemen auf eine Behandlung verzichtet wird; ganz zu schweigen von Kosten und Nachteilen im Zusammenhang mit zum Beispiel verpassten Arztterminen und falsch verstandenen Telefonmitteilungen durch Patientinnen und Patienten, die die Sprache der Ärztin oder des Arztes nur mangelhaft beherrschen. Stellen sich diese Probleme schon in der somatischen Medizin, so verschärfen sie sich noch in der Psychotherapie. Ad-hoc-Lösungen bestehen oft darin, dass man Angehörige oder Spitalpersonal beizieht. Diese Lösung ist aber nicht adäquat, da den beigezogenen Personen vielleicht die Kompetenz fehlt oder nicht immer jemand verfügbar ist und der Schutz der Privatsphäre der Patientin oder des Patienten nicht gewährleistet ist. Der Nationalrat hat einer parlamentarischen Initiative mit ähnlicher, aber weiter gehender Forderung keine Folge gegeben, obwohl seine Kommission die Initiative zunächst befürwortete. Die vorliegende Motion verlangt die Einführung eines flexible-
ren Systems. Spitäler und Privatärztinnen und -ärzte sollen für einfache Verständigungsprobleme Zugriff haben auf ein Netzwerk von Dolmetscherinnen und Dolmetschern, das eventuell per Telefon abrufbar ist. Für komplexere Situationen sollen sie über ein Netzwerk von interkulturellen Dolmetscherinnen und Dolmetschern verfügen können (deren Ausbildung heute auf Bundesebene anerkannt ist). Der Beizug von Dolmetscherinnen und Dolmetschern soll nicht automatisch erfolgen, die Finanzierung eines allfälligen Beizugs muss aber einheitlich und kohärent geregelt sein. Nur mit einem geordneten Dolmetschersystem können, nach erfolgter Aufklärung, die Einwilligung der Patientin oder des Patienten und das Arztgeheimnis gewährleistet werden. Es ist stossend, dass auf das Dolmetschen verzichtet wird, wenn die Gesundheit auf dem Spiel steht, während das Recht auf eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher zugestanden wird, wenn weniger wichtige Werte in Frage stehen, wie dies insbesondere vor Gericht der Fall ist.
Aus der Antwort des Bundesrats vom 26.11.2008
Der Bundesrat anerkennt, dass der Zugang zur Gesundheitsinfrastruktur diskriminierungsfrei auszugestalten ist und dass niemandem infolge mangelnder Sprachkenntnisse der Zugang zu einer medizinisch indizierten Leistung versagt werden darf. Bei folgenreichen Eingriffen oder im Fall, dass mehrere Behandlungsoptionen offen stehen, muss eine hochqualifizierte interkulturelle Übersetzung gewährleistet sein, wenn die behandelnde Person nicht selbst Kenntnisse in der Sprache des Patienten hat. Wo eine Sprachbarriere besteht, genügt die sprachliche Unterstützung durch die Familie, Lebenspartner, Kinder oder Freunde nicht. Der Bundesrat hat daher am 20. Juni 2007 die Bundesstrategie Migration und Gesundheit 2008-2013 gutgeheissen, welche folgende Massnahmen im Bereich des interkulturellen Übersetzens vorsieht: a) Eidgenössischer Fachausweis (Berufsprüfung) zum interkulturellen Übersetzen in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) sowie der nationalen Dachorganisation zum Thema INTERPRET. b) Aus- und Weiterbildungsgänge auf gesamtschweizerischer Ebene für interkulturelles Übersetzen, mit einem INTERPRET-Zertifikatsabschluss. c) Schaffung eines nationalen Telefondolmetscherdienstes. Hierzu läuft im Moment eine Konzepterarbeitung, in welche die wichtigsten betroffenen Organisationen wie das Bundesamt für Migration (BFM), santésuisse, H+ Die Spitäler der Schweiz sowie die Vereinigung der Ärzte (FMH) einbezogen sind. d) Das BFM unterstützt zurzeit 16 Vermittlungsstellen für interkulturelles Über-
setzen in den Kantonen. Über diese Vermittlungsstellen wurden 2007 42 000 Einsätze (66%) interkultureller Übersetzer im Gesundheitsbereich vermittelt. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass das Anliegen des Motionärs erfüllt ist. Bezüglich der Frage nach der Finanzierung stellt der Bundesrat fest, dass das Bundesgesetz über die Krankenversicherung keine Möglichkeit bietet, solche Dolmetscherdienste durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) vergüten zu lassen. Die OKP übernimmt Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Bei den Übersetzungen durch Dolmetscher handelt es sich jedoch gerade nicht um medizinische Leistungen. Der Bund besitzt keine anderweitige Kompetenz, die Finanzierung dieser Dienste zu regeln. Soweit es sich um den Aspekt der Versorgung der Bevölkerung handelt und damit um die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, fällt die Aufgabe gemäss der üblichen Kompetenzverteilung in die Verantwortung der Kantone. Die Strategie Migration und Gesundheit 2008–2013 spricht zudem explizit davon, dass Massnahmen getroffen werden sollen, um bezüglich der Finanzierung von interkulturellem Übersetzen in der Gesundheitsversorgung Verbesserungen zu schaffen. Eine allfällige Übernahme der Einsatzkosten der interkulturellen Übersetzer liegt nicht in der Zuständigkeit des Bundes. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt
1064 ARS MEDICI 24 ■ 2008
Das von Silvia Schenker, Nationalrätin SP, BS, am 3.10.2008 eingereichte Postulat (Begründung siehe ARS MEDICI 23/08) wurde vom Bundesrat beantwortet.
Mangel an Pflegepersonal
Der Bundesrat wird gebeten zu berichten, ob in den kommenden Jahren genügend ausgebildetes Pflegepersonal vorhanden ist, mit welchen Massnahmen der Beruf attraktiver gemacht und wie die Qualität der Aus- und Weiterbildung des
Pflegepersonals sichergestellt werden kann. Insbesondere ist zu prüfen, mit welchen Angeboten Berufsumsteigerinnen und Berufsumsteiger sowie Wiedereinstiegerinnen und Wiedereinsteiger unterstützt und gefördert werden können.
Aus der Antwort des Bundesrats vom 26.11.2008
Der Bundesrat weiss um den Personalmangel in der Pflege und die hohe Bedeutung, die einer qualitativ guten Pflege für die Sicherung der Gesundheitsversorgung in unserem Land zukommt, und ist überzeugt, dass gesamtschweizerisch abgestimmte und ausdifferenzierte Ausbildungsangebote auf verschiedenen Bildungsstufen einen entscheidenden Erfolgsfaktor dafür darstellen. Die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in der Pflege setzt einen breiten Zubringer und adäquate Ausbildungen auf den verschiedenen Bildungsstufen (Fachmann / Fachfrau Gesundheit, dipl. Pflegefachfrau / Fachmann HF, Bachelor / Master of Science in Pflege) sowie eine enge Abstimmung der Bildungs- und Gesundheitspolitik des Bundes mit den Kantonen voraus. Verschiedene Arbeiten laufen: ■ In enger Zusammenarbeit mit der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen
der Schweiz (KFH), der Nationalen Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit (OdASanté) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) sowie der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)
werden für die Pflege gesamtschweizerisch verbindliche Anforderungen auf Fachhochschulstufe (Bachelor/Master) erarbeitet. Zu berücksichtigen ist auch die Abstimmung zu den universitären Medizinalberufen, deren Ausund Weiterbildung im Medizinalberufegesetz geregelt ist. ■ Die GDK hat dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) den Auftrag erteilt, die Personalsituation in den Gesundheitsberufen quantitativ zu erheben. Die Standortbestimmung soll dazu dienen, den Mangel an Fachkräften aktuell und in den folgenden Jahren zu eruieren. Weitere Massnahmen, auch qualitativer Natur in der Versorgung, Ausbildung und Rekrutierung von Fachpersonal in der Pflege sollen folgen.
Bund und Kantone sind sich bewusst, dass der Mangel an Fachkräften in der Pflege gemeinsam anzugehen ist. Der Bundesrat ist bereit, in enger Absprache mit den Kantonen über Ergebnisse und eingeleitete Massnahmen zu berichten.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
Die von Daniel Vischer, Nationalrat Grüne, ZH, am 1.10.2008 eingereichte Interpellation (Begründung siehe ARS MEDICI 21/08) wurde vom Bundesrat beantwortet.
Gibt es den Hirntod doch?
Fragen an den Bundesrat: 1. Sieht er heute ein, dass es sinnvoll ist, im Zusammenhang mit Organentnahmen von «Hirntod» zu sprechen? 2. Sieht er — wie Swisstransplant — die Verwendung des Begriffs «Hirntod» als sinnvolle zutreffende Bezeichnung bei Menschen, deren Hirnfunktionen vollständig
und irreversibel ausgefallen sind? Wenn nicht, wünscht er sich, dass die BAG, SAMW und Swisstransplant ebenfalls nicht mehr von «Hirntod» sprechen? 3. Sollte er weiterhin darauf beharren, dass es nur einen Tod gäbe, was gedenkt er zu tun, um seine Theorie und Transplantationspraxis aufeinander abzustimmen?
Und dies die Antwort des Bundesrats vom 26.11.2008 (Auszug)
Fragen 1 und 2: Der Bundesrat hat (…) das Konzept des Hirntodes nicht bestritten, sondern im Gegenteil vorgeschlagen, den «Hirntod» als Todeskriterium im Transplantationsgesetz festzulegen. Der Bundesrat geht davon aus, dass es nur einen Tod des Menschen geben kann. Der Mensch ist tot, wenn die Funktionen seines Hirns, einschliesslich des Hirnstamms, irreversibel ausgefallen sind. Der «Hirntod» ist somit das Kriterium, diesen Zustand festzustellen. Die Diagnose Tod kann aber auf verschiedene Weise gestellt werden, so auch zum Beispiel durch die Feststellung, dass der Herz-Kreislauf stillsteht. In einem solchen Fall erleidet das Hirn nach einer gewissen Zeit irreversible Schädigungen, so dass das Todeskriterium erfüllt ist.
Der Begriff «Hirntod» ist unglücklich, weil er zu der falschen Annahme führen könnte, dass in diesem Stadium nur das Hirn, nicht aber der Mensch tot sei. Frage 3: Der Bundesrat ist immer noch der Ansicht, dass es nur einen Tod des Menschen geben kann. Dies steht aber nicht im Konflikt mit der Praxis in der Transplantationsmedizin. Im Gegenteil, es ist gerade diese Tatsache, die es erlaubt, eine klare Trennung zwischen dem Zustand des Lebens und demjenigen des Todes zu machen und damit zu definieren, wann es unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, der verstorbenen Person Organe, Gewebe oder Zellen zu entnehmen. Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt
ARS MEDICI 24 ■ 2008 1065
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Bea Heim, Nationalrätin SP, SO, reichte am 2.10.2008 eine Interpellation ein.
Alarmierende Ergebnisse einer schwedischen Studie scheinen die bisher bekannten Studienresultate, die eher Entwarnung gaben und kaum einen Zusammenhang zwischen Mobiltelefonen und Hirntumoren erkannten, in Frage zu stellen. Auch eine dänische Studie scheint eine höhere Tumorhäufigkeit zu bestätigen. Die Ergebnisse
Mobiltelefon. Erhöhtes Gesundheitsrisiko für Kinder?
der internationalen Phonestudie scheinen von der WHO und der Internationalen Krebsagentur unter Verschluss gehalten zu werden. Mitte September 2008 hat nun das europäische Parlament strengere Regeln für die Strahlenaussetzung beschlossen. In seiner Antwort auf die Interpellation Kiener Nellen sagte der Bundesrat 2004, "falls sich der Wissensstand betreffend möglicher Gesundheitsrisiken verändert, wird der Bundesrat entsprechend zum Schutz der
Bevölkerung reagieren". So wird der Bundesrat nun gebeten, zu folgenden Fragen Stellung zu beziehen: Sieht er die Zeit gekommen, eine neue Lagebeurteilung vorzunehmen? Beurteilt er es als notwendig, eine Änderung der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung vorzunehmen und die strengeren Regeln der EU zu übernehmen?
Antwort des Bundesrats vom 26.11.2008
Frage 1: Die Interpellantin bezieht sich auf eine Studie, in der die International Agency of Research on Cancer (IARC) in 13 Ländern einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Mobiltelefonieren und Hirnkrebs untersucht hat. Die bereits publizierten Resultate aus den einzelnen Ländern lassen noch keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. Die Resultate der einzelnen Länder sind in eine Gesamtauswertung eingeflossen, die noch nicht publiziert ist. Der Bundesrat erachtet deshalb eine neue Lagebeurteilung als verfrüht. Frage 2: Es trifft nicht zu, dass die EU über strengere Vorschriften als die Schweiz verfügt. Im Gegenteil: Die Grenzwerte für stationäre Sendeanlagen sind in der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung fest-
gehalten. An Orten mit empfindlicher Nutzung sind sie um einen Faktor 10-20 niedriger als die Immissionsgrenzwerte, welche die EU-Kommission empfiehlt. Damit hat der Bundesrat schon beim Erlass der NISV im Jahr 1999 die Unvollständigkeit der Kenntnisse zu möglichen Risiken berücksichtigt. Im Moment sieht der Bundesrat keine Notwendigkeit, diese Grenzwerte zu ändern. Mobiltelefone unterliegen der Verordnung über Fernmeldeanlagen. Durch die Formulierung in der FAV erlangen die EU-Grenzwerte auch in der Schweiz ihre Gültigkeit. Eine allfällige Verschärfung der EU-Grenzwerte für Mobiltelefone würde auch in der Schweiz umgesetzt.
1066 ARS MEDICI 24 ■ 2008
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