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STUDIE REFERIERT
25-Hydroxyvitamin D und Herzinfarktrisiko bei Männern
Bei Vitamin-D-Mangel ist das Herz in Gefahr
Ein ausreichender Vitamin-D-Spie-
gel ist nicht nur für die Knochen
wichtig, sondern auch für die
Herzgesundheit. Eine aktuelle Stu-
die belegt, dass Männer mit einem
Vitamin-D-Mangel ein erhöhtes
Myokardinfarktrisiko aufweisen.
ARCHIVES OF INTERNAL MEDICINE
Verschiedene Beobachtungen lassen sich mit den klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren nicht so recht erklären: Warum zum Beispiel sterben in höheren Breitengraden, während der Wintermonate und in Regionen, die nicht so hoch liegen, mehr Menschen an kardiovaskulären Erkrankungen? Dieses Risikomuster lässt sich mit einem Vitamin-D-Mangel in Übereinstimmung bringen, der in höheren Breitengraden, während der Wintermonate und in niedriger gelegenen Regionen häufiger vorkommt, schreiben Edward Giovannucci und Kollegen in den «Archives of Internal Medicine». Vitamin D hat einen Einfluss auf die Proliferation von glatter Muskulatur in den Gefässwänden, auf Entzündungsprozesse, vaskuläre Kalzifikation, das Renin-Angiotensin-System und den Blutdruck. All diese Faktoren sind ihrerseits für das kardiovaskuläre und Herzinfarktrisiko von Bedeutung. Ein Mangel an Vitamin D ist recht verbreitet, lässt sich aber gut ausgleichen. Deswegen ist es interessant, den Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Spiegel und Herzinfarktrisiko aufzudecken. Aus diesem Grund untersuchten Edward
Giovannucci und Mitarbeiter in einer prospektiven, eingebetteten Fall-Kontroll-Studie im Rahmen der gross angelegten Health Professionals Follow-up Study (HPFS), ob die 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegel im Plasma mit dem Risiko für eine koronare Herzkrankheit assoziiert sind.
Doppelt so hohes Infarktrisiko bei Vitamin-D-Mangel An der HPFS nahmen 18 225 Männer im Alter von 40 bis 75 Jahren teil, die zu Beginn der Studie keine diagnostizierte Herz-Kreislauf-Erkrankung aufwiesen. In den Jahren 1993 bis 1995 gaben die Teilnehmer eine Blutprobe ab, aus der unter anderem der Vitamin-D-Spiegel bestimmt wurde. Während der zehnjährigen Nachbeobachtungszeit erlitten 454 Männer einen nichttödlichen Herzinfarkt, oder sie verstarben an den Folgen einer koronaren Herzkrankheit. Als Kontrollpersonen dienten 900 Männer, die nach Alter, Datum der Blutentnahme und Raucherstatus vergleichbar ausgewählt waren. Im Vergleich zu den Teilnehmern mit normalen 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegeln (≥ 30 ng/ml) wiesen die Männer mit einem Vitamin-D-Mangel (≤ 15 ng/ml) ein deutlich erhöhtes Herzinfarktrisiko auf: Ihr relatives Risiko (RR) betrug 2,42 (95% Konfidenzintervall [95%-KI] 1,53– 3,84: p < 0,001). Auch nach Bereinigung auf andere Faktoren (Herzinfarkte in der Familie, Body-Mass-Index, Alkoholkonsum, körperliche Aktivität, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen, LDL- und HDL-Cholesterin, Triglyzeride sowie Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren) blieb dieser Zusammenhang signifikant (RR: 2,09; 95%-KI 1,24–3,54; p = 0,02). Selbst diejenigen Männer mit zwischen
diesen Werten liegenden 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegeln (25[OH]D) hatten im Vergleich zu den Teilnehmern mit normalen Vitamin-D-Konzentrationen ein erhöhtes Infarktrisiko (RR: 1,60 bei 25[OH]D von 22,6–29,9 ng/ml; RR: 1,43 bei 25[OH]D von 15,0–22,5 ng/ml). In der vorliegenden Kohortenstudie war das Infarktrisiko derjenigen Männer mit zirkulierenden 25(OH)D-Spiegeln von 30 ng/ml oder mehr nur halb so gross, und zwar unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren. Obwohl konventionelle Risikofaktoren wie Dyslipidämie, Hypertonie, Diabetes mellitus und Rauchen auch in dieser Studie starke Risikofaktoren darstellten, schien ein Vitamin-D-Mangel ein unabhängiger Risikofaktor zu sein.
Wie beeinflusst ein Vitamin-DMangel das kardiovaskuläre Risiko? Vitamin D kann sich über verschiedene Mechanismen auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken. Vitamin D beeinflusst die Proliferation der glatten Gefässmuskulatur, Entzündungsprozesse, die vaskuläre Kalzifikation sowie das Renin-Angiotensin-System (RAS) und den Blutdruck. Das RAS reguliert den Blutdruck, die Elektrolytspiegel und die Volumenhomöostase, und eine exzessive RAS-Stimulation geht mit Bluthochdruck einher. Tierexperimentelle Studien belegen, dass Vitamin D ein wichtiger Regulator des RAS-Systems ist, und dass 1,25-Dihydroxyvitamin D, die aktivierte Form
Merksätze
■ Niedrige Vitamin-D-Spiegel im Plasma sind sehr verbreitet.
■ Ausreichende Vitamin-D-Konzentrationen im Plasma (≥ 30 ng/ml) schützen vor Herzinfarkt. In der vorliegenden Studie war das Infarktrisiko von Männern mit einem Vitamin-D-Spiegel von 30 ng/ml oder mehr nur etwa halb so gross — unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren.
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STUDIE REFERIERT
von Vitamin D, die Renin-Gen-Expression unterdrückt. In der HPFS und in der Nurses' Health Study entwickelten die Männer und Frauen mit 25(OH)D-Plasmawerten unter 15 ng/ml während einer vierjährigen Nachbeobachtungszeit dreimal häufiger einen Bluthochdruck als diejenigen Teilnehmer mit 25(OH)DSpiegeln über 30 ng/ml. Kalzifizierung ist ein verbreitetes Merkmal der Atherosklerose, und fast alle angiografisch signifikanten Läsionen sind verkalkt. In Studien wurde gezeigt, dass die Kalzifizierung von Koronararterien mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko und schlechteren Fünf-Jahres-Überlebensraten einhergeht. Die atherosklerotische Kalzifizierung ist ein Prozess, der ähnlich reguliert wird wie die skelettale Osteogenese. Zwischen Osteoporose und Gefässverkalkung besteht ein signifikanter Zusammenhang, was vermuten lässt, dass osteoregulatorische Mechanismen im Zusammenhang mit der Knochenentwicklung die Gefässkalzifizierung beeinflussen. Es liegt eine umgekehrte Korrelation zwischen den 1,25-Dihydroxyvitamin-D-Spiegeln und der Gefässverkalkung vor. Dies lässt vermuten, dass Vitamin D das Herzinfarktrisiko aufgrund seiner Wirkung auf die vaskuläre Kalzifizierung beeinflusst. Weitere Mechanismen können ebenfalls zu dem erhöhten Infarktrisiko bei Vitamin-D-Mangel beitragen. Verschiedene Studien stellten einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel (wahrscheinlich kombiniert mit einer geringen Kalziumzufuhr) und auffälligen Nüchtern-Blutzuckerwerten sowie einem möglichen Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 her. Auffällige Nüchtern-Blutzuckerspiegel und Typ-2-Diabetes stellen kardiovaskuläre Risikofaktoren dar. Im Zusammenhang mit einem Vitamin-DMangel wurde zudem ein proinflammatorisches Zytokinprofil mit höheren CRP- und Interleukin-6-Werten sowie niedrigeren Interleukin-10-Konzentrationen beobachtet. Dies könnte das Myokardinfarktrisiko erhöhen. Schliesslich wäre denkbar, dass ein Vitamin-D-Mangel jahreszeitlich gehäuft auftretende Atemwegsinfekte begünstigt, die ihrer-
seits die kardiovaskuläre Mortalität in den Wintermonaten erhöhen.
Für eine ausreichende VitaminD-Zufuhr sorgen Nur 23 Prozent der HPFS-Teilnehmer wiesen 25(OH)D-Spiegel von 30 ng/ml und höher auf. Dieser Prozentsatz ist typisch für viele Populationen. Bei einigen Untergruppen wie älteren und dunkelhäutigen Menschen tritt ein VitaminD-Mangel sogar noch häufiger auf. In letzter Zeit mehren sich Hinweise, dass zwischen einem Vitamin-D-Mangel und verschiedenen Krankheitsbildern sowie der Gesamtmortalität ein Zusammenhang besteht. Die vorliegende Studie deutet ebenfalls darauf hin, dass ein Vitamin-D-Mangel für das Herzinfarktrisiko von Bedeutung ist. Sollte dieser
Zusammenhang kausal sein – was noch
zu beweisen ist –, dann dürfte die opti-
male Vitamin-D-Dosis viel höher liegen,
als dies die aktuellen Empfehlungen vor-
sehen (200–600 IU/Tag), insbesondere bei
Menschen mit geringer Sonnenlichtexpo-
sition. Die Ergebnisse der aktuellen Studie
lassen vermuten, dass die Vitamin-D-Zu-
fuhr erhöht werden muss, um einen An-
stieg der zirkulierenden 25(OH)D-Kon-
zentrationen auf Werte zu erreichen, die
sich in verschiedener Hinsicht positiv
auf die Gesundheit auswirken.
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E. Giovannucci (Departments of Nutrition and Epidemiology, Harvard School of Public Health, Boston) et al.: 25-Hydroxyvitamin D and risk of myocardial infarction in men. Arch. Intern. Med. 2008; 168(11): 1174–1180.
Interessenkonflikte: Einer der Autoren ist als Berater der Firma Diasorin Corp. tätig.
Andrea Wülker
ARS MEDICI 23 ■ 2008 1045