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FORUM
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Ohne sofort verfügbares Labor gibt es keine Notfallmedizin!
Ungeachtet der über 10 000 demonstrierenden Ärzte auf dem Bundesplatz am 1. April 2006 und der über 300 000 Unterschriften besorgter Bürgerinnen und Bürger holt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zum Todesstoss aus.
Gregor Dufner
Die Senkung der Labortarife um 10 Prozent führte am 1. April 2006 zu einer bisher einzigartigen Ärztedemonstration auf dem Bundesplatz. Unter dem Druck der Öffentlichkeit bekannten sich Bundesrat Couchepin und sein BAG zur Hausarztmedizin. Jetzt beweisen sie mit der auf 1. Januar 2009 geplanten Labortarifrevision und der erneuten Senkung der Labortarife um 30 Prozent, dass es sich dabei um reine Lippenbekenntnisse handelte. Anerkannte wissenschaftliche Studien belegen, dass das Praxislabor heute schon eine geringe Rentabilität hat. Mit einer weiteren Reduktion wird das Labor unrentabel und kann in der heutigen Zeit nicht überleben.
Was leistet das Praxislabor? Neben Kontrollen diverser Erkrankungen (Diabetes, Quick, Leber- und Nierenerkrankungen usw.) liegt die Stärke des Praxislabors in der Notfalldiagnostik für akute Erkrankungen. Ohne sofort verfügbares Labor gibt es keine Notfallmedizin! Nach dem Willen des BAG sollen Laboruntersuchungen nicht mehr in der Praxis erfolgen, sondern müssen an ein auswärtiges Labor gesandt werden. Das Resultat liegt dann erst am nächsten Tag vor. Heute sind in der Hausarztpraxis alle Resultate innert 5 bis 30 Minuten verfügbar, was eine Therapieoder Triageentscheidung am gleichen Tag ermöglicht. Akute Infekte können heute innert 10 Minuten mit den Entzündungswerten, dem Blutbild, Urinstreifentests, Rachenabstrichen und einigen wenigen organspezifischen Zusatzuntersuchungen beurteilt werden. Dies er-
möglicht die Unterscheidung, ob es sich um ein Virus oder ein Bakterium handelt. Ist diese Diagnostik nicht möglich, so müssen all diese häufigen Notfälle ans Spital überwiesen werden. Will man dies umgehen, so muss auf reinen klinischen Verdacht hin mit Antibiotika behandelt werden. Am nächsten Tag — wenn das Resultat aus dem auswärtigen Labor eintrifft — werden wir sehen, ob die Entscheidung richtig oder eben falsch war. Verlaufsuntersuchungen bei Infekten gehören zum täglichen Brot des Grundversorgers. So kann rasch (und häufig auch vor der subjektiven Besserung) gesehen werden, ob eine Heilungstendenz vorliegt oder ob zum Beispiel die Antibiotika gewechselt werden müssen. In Zukunft kommen diese Informationen am Folgetag und damit einen Tag zu spät! Die Behandlung wird verzögert, was den Patienten gefährdet. Messungen der häufig nötigen Dauer-Blutverdünnungen ermöglichen die weitere Verordnung der blutverdünnenden Medikamente innert Minuten. In Zukunft wird der Patient am Folgetag nochmals zur Besprechung vorbeikommen müssen. Die gesamten Laborkosten machen derzeit kaum 3 Prozent der Gesundheitskosten aus. Ausgerechnet diese für unsere Patienten wichtige Dienstleistung soll durch Kosteneinsparungen zunichte gemacht werden.
Zusätzliche Kosten anstatt Einsparungen Der Arzt kann mit dem Labor eine qualitativ hochstehende Notfallmedizin ausüben. Ohne Labor wird der Patient in Zukunft wegen einer einfachen Magen-Darm-Grippe oder viralen Bronchitis in den Notfall des nächstgelegenen Spitals gehen oder unnötig Antibiotika einnehmen müssen.
Das kostet Zeit und Nerven für den Patienten
und — liebes BAG — viel Geld. Denn die Spital-
kosten sind bekanntermassen viel höher. Sie
werden die Einsparungen im «Laborkässeli»
bei Weitem übertreffen, ganz abgesehen von
den zusätzlichen Kosten der Folgebespre-
chungen für die Patienten und die Wirt-
schaft. Aber offenbar ist es wichtiger, sich
mit einer (Schein-)Einsparung im Labor zu
brüsten, als umsichtige, volkswirtschaftlich
vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Zudem ist ein Stellenabbau bei den Praxis-
assistentinnen nicht zu umgehen: Das Lehr-
stellenangebot wird schrumpfen. Damit ver-
liert der anspruchsvolle Beruf der MPA an
Attraktivität.
Die Grundversorgung wird erneut massiv
geschwächt! Oder ist es gar ein Frontal-
angriff auf die ärztliche Grundversorgung?
Das BAG will offenbar das Vorbild einiger
benachbarter Länder nachahmen. Ein Arzt
(oder auch nicht!) mit einer medizinischen
Schnellbleiche, bewaffnet mit Stethoskop
und einem Kugelschreiber, den er für die
Überweisungen in den Dschungel des Ge-
sundheitswesens benötigt. Und wo bleibt der
Patient?
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Dr. med. Gregor Dufner
Der hier gekürzte Text erschien zuerst in «Defacto 3/08», dem Mitteilungsblatt für Patientinnen und Patienten der argomed.
ARS MEDICI 21 ■ 2008 939