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STUDIE REFERIERT
Dyspepsie: initial probatorisch Protonenpumpenhemmer verschreiben
Randomisierte Studie bestätigt NICE-Richtlinien
Dyspeptische Symptome gehören zu den häufigsten Beschwerden in der Allgemeinarztpraxis. In der MRC-CUBE-Studie wurde die Kosteneffizienz des Nachweises von Helicobacter pylori mit anschliessender Eradikation bei positivem Befund (Test-and-Treat) mit der einer empirischen Gabe von Protonenpumpenhemmern zur Erstbehandlung der Dyspepsie in der Hausarztpraxis verglichen. Beide Vorgehensweisen erwiesen sich als ähnlich effizient, auch im Hinblick auf die klinischen Ergebnisse.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Die Kosteneffizienz verschiedener Strategien zum Management der Dyspepsie wurde in einigen randomisierten kontrollierten Studien untersucht, wobei sich die Endoskopie im Vergleich zur empirischen Säureunterdrückung oder zur Eradikation eines nachgewiesenen Helicobacter-pylori-Infekts als kostenintensiver herausstellte. Die Studienergebnisse wurden in einem Cochrane-Review zusammengefasst und sind Bestandteil
zahlreicher Behandlungsrichtlinien in Grossbritannien, Europa und den USA. In den Richtlinien des National Institute for Clinical Excellence (NICE) zum Management der Dyspepsie bei Erwachsenen von 2004 werden sowohl der Nachweis von Helicobacter pylori mit anschliessender Eradikation bei positivem Befund (Test-and-Treat) als auch die empirische Gabe von Protonenpumpenhemmern (PPI) als geeignete Erstmassnahmen zur Behandlung der Dyspepsie empfohlen. Welche dieser Behandlungsoptionen kosteneffizienter ist, war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. In den NICE-Richtlinien wird zudem geraten, bei der Wahl der Behandlung nicht zwischen prädominanten epigastrischen Schmerzen und vorwiegendem Sodbrennen zu unterscheiden, da die Symptome nicht immer mit der zugrunde liegenden Pathologie korrelieren.
Die MRC-CUBE-Studie In der multizentrischen randomisierten kontrollierten MRC-CUBE-Studie (CUBE = carbon 13 urea breath test and eradication) wurde die Kosteneffizienz des Nachweises von Helicobacter pylori mit anschliessender Eradikation bei positivem Befund (Test-and-Treat) mit der einer empirischen PPI-Gabe zur Erstbehandlung der Dyspepsie in der Hausarztpraxis verglichen. Die Dyspepsie wurde entsprechend Rome I definiert als Symptomkomplex mit wiederholten Beschwerden wie Schmerzen im Oberbauch, Sodbrennen, Säurerückfluss, Völlegefühl, vorzeitiges Sättigungsgefühl oder Übelkeit über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen.
An der randomisierten kontrollierten Studie nahmen 699 Patienten aus 80 Allgemeinarztpraxen in Grossbritannien im Alter von 18 bis 65 Jahren teil, die den Arzt wegen epigastrischer Schmerzen, Sodbrennen oder beidem aufsuchten, bei denen jedoch keine Anzeichen für eine bösartige Erkrankung erkennbar waren. 356 der Patienten wurden der PPI-Gruppe und 343 der Test-and-TreatGruppe zugeordnet. In der Test-and-Treat-Gruppe wurde zunächst ein 13C-Harnstoff-Atemtest zum Nachweis von Helicobacter pylori durchgeführt. Patienten mit positivem Ergebnis wurde eine Eradikationstherapie angeboten. Zur Beseitigung des Helicobacter pylori erhielten sie zunächst eine Woche lang Omeprazol (Antra MUPS® oder Generika, 20 mg einmal täglich), Clarithromycin (Klacid®, Klaciped® oder Generika, 250 mg zweimal täglich) und Metronidazol (Flagyl® oder Generika, 400 mg zweimal täglich). Die Behandlung mit Omeprazol (1 x 20 mg/Tag) wurde anschliessend noch über weitere drei Wochen beibehalten. Patienten der Test-and-Treat-Gruppe mit negativem Befund erhielten vier Wochen lang einmal täglich 20 mg Omeprazol. Zwölf Wochen nach der Eradikation wurde der Erfolg mit einem erneuten Atemtest überprüft. Das Ergebnis des Wiederholungstests blieb bis zum Studienende verblindet.
Merksätze
■ Zur ersten Behandlung der Dyspepsie sind der Nachweis einer Helicobacter-pyloriInfektion mit anschliessender Eradikation und die empirische Gabe von Protonenpumpenhemmern gleich gut geeignet.
■ Bei der Erstbehandlung muss nicht zwischen prädominanten Oberbauchschmerzen und vorwiegendem Sodbrennen unterschieden werden, da die Beschwerden nicht immer mit der Pathologie korrelieren.
962 ARS MEDICI 21 ■ 2008
STUDIE REFERIERT
Die 356 Patienten der empirisch behandelten Vergleichsgruppe erhielten vier Wochen lang ausschliesslich Omeprazol. Nach der Erstversorgung blieb die Wahl der weiteren Behandlung den jeweiligen Hausärzten überlassen. Eine erneute Helicobacter-pylori-Eradikation durfte allerdings innerhalb der zwölf Monate des Follow-up-Zeitraums nicht mehr vorgenommen werden, ausser bei endoskopisch nachgewiesenem peptischem Magengeschwür. Primärer Studienendpunkt war der Vergleich der Kosteneffizienz zwischen beiden Vorgehensweisen, erfasst als Quality-Adjusted Life-Year (QALY). Als sekundäre Endpunkte wurden die Veränderungen der dyspeptischen Symptome, erhoben anhand eines validierten Fragebogens (short form Leeds dyspepsia questionnaire), und die Patientenzufriedenheit definiert und zu Studienbeginn und nach einem Jahr erfasst.
Ergebnisse Die Auswertung erfolgte gemäss Intention-to-Treat. Bei 100 der 343 Studienteilnehmer aus der Test-and-Treat-Gruppe wurde eine Infektion mit Helicobacter pylori nachgewiesen. 99 der positiv getesteten Patienten erhielten eine Eradikationstherapie, und 73 von ihnen unterzogen sich zwölf Wochen später einem Kontroll-Atemtest. Die Erfolgsrate der Eradikation lag bei 78 Prozent. Nach zwölf Monaten wurden zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten
Unterschiede bezüglich der Kosten, der Lebensqualität oder der dyspeptischen Symptome festgestellt: ■ Der anfängliche finanzielle Mehrauf-
wand in der Test-and-Treat-Gruppe wurde durch verminderte Folgekosten über das Jahr wieder ausgeglichen, da in dieser Gruppe weniger medizinische Massnahmen wie Ultraschalluntersuchungen notwendig waren. ■ In der Test-and-Treat-Gruppe bestanden die dyspeptischen Beschwerden weiterhin bei 213 von 260 Patienten (82%) und in der PPI-Gruppe bei 228 von 275 Patienten (83%). ■ Die Auswertung des Leeds-Fragebogens ergab keinen Unterschied zwischen Patienten mit vorwiegend epigastrischen Schmerzen und prädominantem Sodbrennen bei Studienbeginn. Innerhalb der Test-andTreat-Gruppe zeigte sich im Hinblick auf die dyspeptischen Beschwerden nach einem Jahr kein Unterschied zwischen den Untergruppen mit positivem und negativem Nachweis des Helicobacter pylori.
Diskussionspunkte In früheren kontrollierten klinischen Studien erwies sich die Eradikation des Helicobacter pylori in der Behandlung der Dyspepsie als wirksamer im Vergleich zu Plazebo. In der MRC-CUBE-Studie war dieser Unterschied weniger signifikant. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass in klinischen Studien die Behand-
lungsoptionen an einer kleinen ausgewählten Personengruppe geprüft wurden, während sich die Patientengruppen der MRC-CUBE-Studie aus einer grossen realen Patientengruppe mit heterogenem Beschwerdebild zusammensetzten. Die Eradikation des Helicobacter pylori verhindert in grossem Ausmass Magengeschwüre und kann zudem das Risiko für die Entwicklung von Magenkrebs senken. Die Evidenz zur Senkung des Magengeschwürrisikos ist jedoch bis anhin nicht beweiskräftig, sodass die Notwendigkeit der Eradikationstherapie kontrovers diskutiert wird.
Fazit
Die Ergebnisse der MRC-CUBE-Studie
bestätigen die NICE-Empfehlungen von
2004. Die Test-and-Treat-Methode und
die empirische Säureblockierung sind
sowohl bezüglich der Kosten als auch im
Hinblick auf die klinischen Ergebnisse
im Anfangsmanagement der Dyspepsie
ähnlich zu bewerten. Bei Nachweis einer
Infektion mit Helicobacter pylori sollte
der Hausarzt daher die weitere Vorge-
hensweise mit dem Patienten bespre-
chen.
■
Petra Stölting
Delaney Brendan C, Qume Michelle et al.: Helicobacter pylori test and treat versus proton pump inhibitor in initial management of dyspepsia in primary care: multicentre randomised control trial (MRC-CUBE trial), BMJ, 2008; 336: 651—654, doi:10.1136/ bmj. 39479.640486.AE.
Interessenkonflikte: Drei der neun Autoren haben Honorare von Unternehmen erhalten, die Protonenpumpenhemmer anbieten.
964 ARS MEDICI 21 ■ 2008