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Dänische Beobachtungsstudie zu Myokardinfarkt und Hormonersatztherapie:
Nicht was die Frau nimmt, sondern wie sie es nimmt …
Eine neue, am 30. September im «European Heart Journal» online publizierte Studie von Ellen Lokkegaard vom Rigshospitalet in Kopenhagen und Mitarbeitern kommt zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit einer Herzattacke von der Art der Hormonersatztherapie (HRT) abhängt. Die Beobachtungsstudie anhand zuverlässiger dänischer Erkrankungs- und Verschreibungsregister fand zunächst, dass derzeitige Benützerinnen einer HRT insgesamt kein erhöhtes Myokardinfarkt-(MI-) Risiko hatten. Sie identifizierte jedoch Unterschiede für unterschiedliche Verabreichungsformen der HRT: Frauen mit zyklischen Präparaten (täglich Östrogen plus Progestagen während 7–10 Tagen pro Monat) sowie solche, die transdermale Systeme oder Vaginalgels anwandten, hatten geringere MI-Risiken als Frauen unter kontinuierlicher, kombinierter Östrogen-
plus-Progestagen-Behandlung, wie sie beispielsweise in der berüchtigten Women’sHealth-Initiative (WHI-)Studie eingesetzt worden waren. Zusätzlich fanden Lokkegaard und Mitarbeiter bei jüngeren Frauen zwischen 51 und 54 unter kontinuierlicher kombinierter HRT im Vergleich zu Frauen, die niemals eine HRT bekommen hatten, ein erhöhtes MI-Risiko. Dieser Befund steht in völligem Gegensatz zu bisherigen Studienergebnissen. Ausserdem nahm das kardiale Risiko bei diesen jüngeren Frauen mit der Zeit zu, nicht jedoch bei den höheren Altersgruppen. Wie Frau Lokkegaard gegenüber dem Kardioportal heartwire.org ausführte «ändert diese Studie die Indikationen und Empfehlungen zur Dauer der HRT nicht.» Und sie fuhr fort: «Hauptbotschaft ist, dass wenn eine HRT bei einer Frau indiziert erscheint,
ein zyklisches kombiniertes Regime vorzu-
ziehen ist und die Östrogenapplikation
über Haut oder Vagina mit dem geringsten
Herzinfarktrisiko assoziiert ist.»
Zu den doch eher beunruhigenden Berech-
nungsergebnissen bei jüngeren Frauen
unter HRT präzisierte die dänische Gynä-
kologin, dass sie nicht sicher sein könne, ob
die Ergebnisse «real» seien, da eine umfas-
sende Information über alle möglichen
Störfaktoren nicht vorlag, dass sie aber
überzeugt sei, in der heutigen Ära, die ran-
domisierte HRT-Studien nurmehr schwer
zulasse, wichtige Informationen vorzule-
gen: «Es ist aber ein ziemlich dramatisches
Resultat, und ich würde jüngeren Frauen
eine kontinuierliche kombinierte Hormon-
ersatztherapie nicht empfehlen.»
■
H.B.
Nature-Studie
HIV gab es wohl schon um 1900
Der Ursprung von HIV muss offenbar zurückdatiert werden. Vermutlich haben sich HI-Viren bereits um das Jahr 1900 in Afrika ausgebreitet. Das haben Arbeiten einer Forschergruppe um Michael Worbey von der University of Michigan in Tucson ergeben, die kürzlich in «Nature» publiziert wurden (Nature 2008; 455: 661). Sie fanden im Lymphknotengewebe einer Frau aus Kinshasa eine Virussequenz von HIV. Die Frau war 1960 im Alter von 48 Jahren gestorben, die Gewebeproben waren damals konserviert worden. Allerdings waren die Proben mit Formalin fixiert und jahrzehntelang bei Zimmertemperatur gelagert worden. Die Forscher brauchten Jahre, um die HIV-Gensequenz zu entschlüsseln. Schliesslich verglichen sie die Sequenz mit den bislang ältesten HIV-Spuren, die von einem Afrikaner stammen und aus dem Jahr 1959 datieren. Zwischen den beiden HIV-Sequenzen offenbarten sich deutliche Differenzen. Diese Unterschiede müssen sich nach evolutionsbiologischen Gesetzen über einen langen Zeitraum, vermutlich
etwa 40 Jahre, entwickelt haben, meinen
die Forscher. Das Virus könnte demnach
etwa um das Jahr 1900 entstanden sein. Zu
dieser Zeit entwickelte sich Kinshasa, das
zur belgischen Kolonialzeit noch Léopold-
ville geheissen hat, allmählich zu einer
urbanen Metropole. Die neuen Lebens-
bedingungen, so die Annahme, dürften zur
Ausbreitung des HIV beigetragen haben.
Aufgrund der Diversität, so rechneten die
Wissenschaftler aus, muss es bereits in den
Sechzigerjahren in Kinshasa etliche HIV-
Infizierte gegeben haben. Aber erst Anfang
der Achtzigerjahre wurde man auf die neue
Viruserkrankung aufmerksam, als sie sich
unter Homosexuellen in San Francisco aus-
zubreiten begann. Im Jahr 1984 berichteten
Forscher über den Patienten O; der Buch-
stabe stand für «Out of Califonia», später
wurde daraus fälchlicherweise der «Patient
Null». Damit war ein homosexueller Ste-
ward benannt, der angeblich 40 Menschen
mit dem Virus infiziert haben soll.
■
U.B.
Kein Vitamin C bei Krebs?
Vitamin C stärkt möglicherweise die Wider-
standskraft von Krebszellen und bremst die Wir-
kung verschiedener Chemotherapeutika. Das
hat eine experimentelle Studie gezeigt, die
kürzlich in «Cancer Research» (2008; 68: 8031—
8038) erschienen ist. Vitamin C ist ein Radikal-
fänger, der schädliche Formen des Sauerstoffs,
im englischen Sprachgebrauch Reactive Oxygen
Species (ROS) genannt, neutralisiert, bevor
diese die Zellen angreifen. Einige häufig einge-
setzte Krebsmedikamente erzielen ihre Wirkung
jedoch, indem sie ROS freisetzen, die dann einen
programmierten Zelltod (Apoptose) induzieren.
Mark Heaney vom Memorial Sloan-Kettering
Cancer Center in New York hat nun an Zelllinien
von Leukämien oder Lymphomen herausgefun-
den, dass die Wirkung von verschiedenen Zyto-
statika nach Zusatz von Dehydro-Ascorbinsäure
herabgesetzt ist. Ähnliche Effekte wurden auch
bei tumorkranken Mäusen beobachtet.
Die Forscher um Heaney stellten weiterhin fest,
dass Vitamin C die Membranen der Mitochon-
drien stabilisierte, die auch Angriffspunkt vieler
Chemotherapeutika sind. Die Eigenschaft als
Radikalfänger spielt also möglicherweise keine
Rolle. Ob die Ergebnisse auf den Menschen über-
tragbar sind, weiss derzeit niemand.
U.B.■
884 ARS MEDICI 20 ■ 2008