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VERNETZT
Kooperatives Integrationsmanagement der Suva mit Ärztenetzen — das Zukunftsmodell in der Zusammenarbeit mit Versicherern
Das Projekt KIMSA soll den Wiedereingliederungsprozess von Verunfallten durch die verbesserte Koordination zwischen Hausarzt und Versicherer optimieren. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Suva und argomed zum Wohle des Patienten hat Modellcharakter.
Bei der Wiedereingliederung von kranken oder verunfallten Patienten in den Arbeitsprozess spielen wir Hausärzte1 eine zentrale Rolle. Nicht nur als medizinische Betreuer, auch als Berater bei psychosozialen Problemen sowie bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit leisten wir einen unverzichtbaren Beitrag. Mit dem Case Manager erscheint ein neuer Akteur im Prozess der Wiedereingliederung. Seine Aufgabe besteht darin, die Betreuungsmassnahmen zu planen, zu koordinieren und zu überwachen sowie dafür zu sorgen, dass sich der Patient für die richtige Massnahme zur richtigen Zeit am richtigen Ort befindet. Case Manager können uns Hausärzte in den nichtmedizinischen Bereichen wirksam unterstützen und entlasten.
Hausarzt und Wiedereingliederungsmanagement Der Hausarzt ist mit der Situation des Patienten bestens vertraut und kann den Patienten deshalb umfassend beraten. Dank dem guten regionalen Beziehungs-
1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird einheitlich die männliche Form gewählt. Selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint.
netz zu Fachärzten, Therapeuten sowie Organisationen des pflegerischen und häuslichen Supports ist es uns möglich, Reintegrationshindernisse früh zu erkennen und die Arbeitsunfähigkeit zu beurteilen. Wenig vertraut sind wir hingegen mit den Verhältnissen und Anforderungen am Arbeitsplatz des Patienten. Aktivitäten der Hausärzte zugunsten von Fallmanagementprogrammen nehmen zuweilen viel Zeit in Anspruch und werden bis heute nicht adäquat abgegolten.
Hausarzt mit oder gegen Case Manager Case Manager verfügen über besondere Kenntnisse und Kompetenzen auf dem rechtlichen und versicherungstechnischen Sektor. Zu ihren Aufgaben gehört es, ausführliche Informationen (z.B. über den Arbeitsplatz) zu beschaffen. Die Zusammenarbeit von Ärzten und Case Managern verläuft aber noch nicht immer optimal, oft wegen ungenügenden Einbezugs in Entscheidungsprozesse. Nicht nur Unfallversicherer, auch andere Versicherungen beschäftigen zunehmend Case Manager und erschweren somit uns ärztlichen Grundversorgern die Übersicht. Viele Ärzte sind irritiert durch die Bezeichnung «Case Manager», da
Management mit Verantwortung assoziiert wird. Doch die medizinische Verantwortung für den Patienten trägt allein der Arzt. Der administrative Case Manager darf keinen therapeutischen Ansatz haben, sondern soll eine Koordinationsfunktion übernehmen, die uns in der Praxis entlastet.
Vorteile des Netzwerks gegenüber der Einzelpraxis Dank dem höheren Organisationsgrad, der Vernetzung sowie der Ressourcenoptimierung ist ein Netzwerk respektive eine Betriebsgesellschaft wie die argomed in der Lage, verbindliche Kooperationen einzugehen, Prozesse zu definieren und zu optimieren und so die Behandlungskette gesamthaft zu koordinieren. In der Einzelpraxis hingegen ist es nicht möglich, sich neben der zeitintensiven medizinischen Tätigkeit um das Prozessmanagement zu kümmern.
Das Kooperationsprojekt Um die Zusammenarbeit zwischen Grundversorgern und Fall-Managern zu verbessern, hat die argomed die Initiative ergriffen und die Suva zu einem Kooperationsprojekt eingeladen. Ziel dieses Projektes mit dem Titel KIMSA (Kooperatives Integrationsmanagement der Suva mit Ärztenetzen) ist es, den Wiedereingliederungsprozess durch eine verbesserte Koordination zwischen Hausarzt und Case Manager respektive Versicherer zu optimieren. Als Erfolgsfaktoren werden ausreichende Care-ManagementKompetenzen der Ärzte und der weiteren Betreuungspersonen wie auch definierte Prozessbeschriebe und Schnittstellenregelungen angesehen. Vermehrte finanzielle Anreize dürften auch zu einem stär-
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Projektphasen
Phase 1: abgeschlossen
Identifikation Kooperationsfelder
Phase 2: bis 12.2008
Entwicklung Kooperationsprozesse
Phase 3: bis 3.2009
Pilotbetrieb
Phase 4: bis 10.2009
Phase 5: bis 11.2009
Implementierung Evaluation
keren Engagement der Grundversorgung bei der Wiedereingliederung beitragen. Managementinstrumente wie zum Beispiel integrierte Behandlungsleitlinien (Disease Management) oder Patientensteuerungsstrukturen (Demand Management) werden eine wichtige Rolle spielen. Grundlage eines unbehinderten Informationsaustauschs ist – selbstverständlich immer im Rahmen des Datenschutzes – eine sichere elektronische Vernetzung. Die erste Projektphase fand Anfang bis Mitte des vergangenen Jahres statt, als in Workshops gemeinsam mögliche Kooperationsfelder identifiziert und bewertet wurden. In diesen Workshops, welche bei den Hausärzten grossen Anklang fanden, konnten Probleme mit Vertretern der Suva diskutiert, aber auch mögliche Lösungsansätze aufgezeigt werden. Die Resultate dieser Workshops dienten als Grundlage für die Erarbeitung des Kooperationsprozesses, welcher in vier Arbeitsgruppen in Form von Teilprojekten entwickelt wurde. Darauf basierend wurden die erwähnten Schnittstellen definiert und angepasst und das Konzept zur elektronischen Vernetzung erarbeitet. Insbesondere geht es um die Früherfassung komplexer beziehungsweise in Bezug auf eine Wiedereingliederung risikobehafteter Situationen bei Patienten anhand von Risikofaktoren, aber auch des «Bauchgefühls» des Arztes, sowie die
Festlegung von Kommunikationsregeln und -plattformen zwischen Hausärzten, Patienten, Arbeitgebern und Case Managern. Eine solche Lösung kann dank konsequenten webbasierten e-HealthAnwendungen erreicht werden. Mit dem Teilprojekt Arbeitsfähigkeitsbeurteilung wurden Einheitsformulare zur differenzierten Arbeitsfähigkeitsbeurteilung geschaffen, auf der Basis einer Arbeitsplatzbeschreibung, welche eine den Fähigkeiten entsprechende Reintegration ermöglicht. Die Schulung Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung für die Ärzte wird in dem Projekt einen wichtigen Teil ausmachen. Die Prüfung des Konzepts von spezialisierten Arbeitsfähigkeits-Abklärungsstellen (AFAS) im eigenen Netzwerk, welche durch speziell ausgebildete und zertifizierte Hausärzte geleitet werden, eröffnet Perspektiven, um bestehende und künftige Netzwerke im Gesundheitsmarkt zu positionieren. Mit dem Einsatz moderner Informationsund Kommunikationstechnologie auf der Basis der HIN-Plattform, ist ein unkomplizierter, sicherer und individuell konfigurierbarer Zugriff auf das Suva-Extranet möglich. Der autorisierte Zugriff auf das Patientendossier und eine rasche Kommunikation zwischen Arzt, Suva und Arbeitgeber ermöglicht eine zukunftsweisende und umfassende Betreuung des Verunfallten.
Eine faire Abgeltung der Mehrleistung durch die Entwicklung von TarmedTarif-Positionen für (neuartige) ärztliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem kooperativen Integrationsmanagement ist für beide Partner selbstverständlich und konnte gemeinsam erarbeitet und ausgehandelt werden. In der nächsten Phase, welche im kommenden Jahr beginnt, werden die Prozesse in einer Pilotregion auf ihre Praktikabilität getestet. Guidelines sollen entwickelt und anschliessend in einem grösseren Gebiet getestet und implementiert werden. Eine abschliessende Evaluation wird dann Informationen über den Erfolg des Projektes geben. Diese Erfahrungen werden anschliessend publiziert und die überprüften Koordinationsprozesse auf weitere Netze ausgeweitet werden.
Partnerschaft mit Modell-
charakter
Eine echte partnerschaftliche Zusammen-
arbeit zwischen der Suva als Versicherer
und den Ärzten als Leistungserbringern
zum Wohle des Patienten wird Modell-
charakter haben. So können die argo-
med-Ärzte auch anderen Versicherern,
insbesondere im KVG-Bereich, aber auch
der IV, aufzeigen, wie sie als Partner im
Gesundheitswesen ernst- und nicht nur
als Kostenverursacher wahrgenommen
werden wollen.
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Dr. med. Wolfgang Czerwenka Vorsitzender der Geschäftsleitung
argomed Ärzte AG Täfernstrasse 16
5405 Baden-Dättwil E-Mail: wolfgang.czerwenka@hin.ch
Internet: www.argomed.ch
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