Transkript
STUDIE REFERIERT
Welche Frauen neigen zu jahrelang anhaltenden Hitzewallungen?
Weitere Beobachtungen aus der MORE-Studie
In einer amerikanischen Studie
wurden die Zusammenhänge der
Persistenz von Hitzewallungen mit
epidemiologischen und klinischen
Faktoren bei älteren postmeno-
pausalen Frauen untersucht.
ARCHIVES OF INTERNAL MEDICINE
Während der Wechseljahre treten bei bis zu 80 Prozent aller Frauen innerhalb des ersten Jahres nach Ausbleiben der Regelblutung Hitzewallungen auf. Eine Hormonersatztherapie kann die Beschwerden lindern. Randomisierte kontrollierte Studien weisen jedoch auf negative Langzeitauswirkungen einer systemischen Östrogentherapie bei postmenopausalen Frauen hin. Daher versucht man jetzt, modifizierbare Prädiktoren für Hitzewallungen zu identifizieren und alternative Therapien zu entwickeln. Bei den meisten Frauen verschwinden die Hitzewallungen innerhalb weniger Jahre nach der Menopause, bei manchen treten sie jedoch weiterhin über viele Jahre auf. Warum dies so ist, weiss man bisher nicht.
Methodik Zur Untersuchung dieser Zusammenhänge analysierten amerikanische Wissenschaftler die Daten von Teilnehmerinnen der MORE-Studie (Multiple Outcomes of Raloxifene Evaluation), die sich fast alle bereits mindestens fünf Jahre in der Postmenopause befanden.
Die Datenauswertung wurde mit dem Ziel durchgeführt, Informationen über die zeitabhängige Entwicklung von Hitzewallungen bei älteren postmenopausalen Frauen zu erhalten und Faktoren zu identifizieren, die im Zusammenhang mit einer verlängerten Persistenz stehen. Dazu wurden die Prävalenz, die Schwere und zeitlichen Veränderungen von Hitzewallungen bei 3167 älteren postmenopausalen Osteoporosepatientinnen aus 65 Zentren der MORE-Studie in Grossbritannien über einen Zeitraum von drei Jahren anhand eines Fragebogens erfasst. 2188 der Teilnehmerinnen waren im Rahmen von MORE einer Behandlung mit Raloxifen (Evista®) zugeordnet, 1049 gehörten der Plazebogruppe an. Zwei weitere häufige Symptome der Postmenopause, Scheidentrockenheit und Schlafstörungen, wurden ebenfalls mithilfe von Fragebögen evaluiert. Zur Identifizierung demografischer und klinischer Charakteristika in Verbindung mit den Wechseljahrsymptomen wurden zum Ausgangszeitpunkt und nach drei Jahren Follow-up logistische Regressionen durchgeführt. Zunächst wurden Charakteristika untersucht, die bereits in älteren epidemiologischen Studien zur Evaluierung von Hitzewallungen herangezogen worden waren. Dazu gehörten die Zeitspanne seit der Menopause, die Rasse, der Bildungsstand, der Raucherstatus, der Alkoholkonsum, der Body-Mass-Index, Hysterektomien und/oder Oophorektomien, Depressionen und körperliche Aktivitäten sowie die Serumspiegel von Östradiol und follikelstimulierendem Hormon (FSH). Zusätzlich erforschten die Autoren Zusammenhänge mit der Einnahme von
Medikamenten, die neurohormonale oder vaskuläre Mechanismen beeinflussen und somit zu Hitzewallungen beitragen können. Untersuchte Substanzen waren Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, trizyklische Antidepressiva, Betablocker, Kalziumkanalblocker, Nitrate, Alphablocker, Aspirin, Statine und nichtsteroidale Antirheumatika. Assoziationen von Hitzewallungen mit kardiovaskulären Variablen wie koronare Herzerkrankungen, Serumcholesterin und Nüchternglukose wurden ebenfalls geprüft.
Resultate Demografische und klinische Charakteristika Die Studienteilnehmerinnen waren durchschnittlich 67 Jahre alt und befanden sich median 19 Jahre in der Postmenopause. 94,8 Prozent waren weiss und 95,9 Prozent der Frauen waren seit mindestens fünf Jahren postmenopausal. Bei 11,3 Prozent wurde zuvor eine bilaterale Oophorektomie vorgenommen und 43,5 Prozent hatten vor Studienbeginn eine orale oder transdermale Östrogentherapie erhalten. Zu Beginn der Studie litten 375 (11,8%) der Frauen seit mindestens sechs Monaten unter klinisch signifikanten Hitzewallungen. Die Prävalenz der Hitzewallungen korrelierte invers zu den Jahren,
Merksätze
■ Bei einigen postmenopausalen Frauen treten Hitzewallungen länger als fünf Jahre auf.
■ In der Studie korrelierten Hitzewallungen invers mit der Dauer der Postmenopause, den Schul- und Ausbildungsjahren und dem Serum-HDL-Cholesterin.
■ Mit Body-Mass-Index und Serum-FSH korrelierten die Hitzewallungen direkt.
■ Keine signifikanten Zusammenhänge bestanden mit Rauchen, körperlicher Aktivität, dem Alkoholkonsum und dem Östradiolspiegel im Serum.
ARS MEDICI 19 ■ 2008 873
STUDIE REFERIERT
die seit der Menopause vergangen waren. Die Zunahme der Prävalenz an vaginaler Trockenheit war dagegen weniger stringent mit der Dauer der Postmenopause assoziiert. Zwischen der Prävalenz von Schlafstörungen und der Dauer der Postmenopause wurde kein statistisch signifikanter Zusammenhang festgestellt. In der multivariaten Analyse waren ein niedriger Bildungsstatus, eine erst kurz zurückliegende Menopause, eine vorherige systemische Östrogentherapie und Hysterektomien mit dem Auftreten von Hitzewallungen verbunden. Auch ein höherer Body-Mass-Index, höhere Blutkonzentrationen an follikelstimulierendem Hormon (FSH) und niedrige Serumspiegel an HDL-Cholesterin begünstigten Hitzewallungen. Vaginaltrockenheit und Schlafstörungen waren ebenfalls mit Hitzewallungen assoziiert (Tabelle). Zwischen Hitzewallungen und Raucherstatus oder Alkoholkonsum sowie Oophorektomien, Depressionen oder der körperlichen Aktivität wurde in der multivariaten Analyse dagegen kein Zusammenhang festgestellt. Auch die Einnahme von Medikamenten (ausser Östrogenen), die LDL-Cholesterinwerte im Serum oder die Nüchternblutglukose und die Blutkonzentrationen an thyroidstimulierendem Hormon (TSH) standen nicht in einer signifikanten Verbindung dazu. Die Östradiolkonzentrationen im Serum korrelierten ebenfalls nicht signifikant mit Hitzewallungen.
Zeitliche Veränderungen Am Ende der Studie konnten die Daten von 278 der 375 Frauen ausgewertet werden. 157 von ihnen (56%) litten nach den drei Beobachtungsjahren weiterhin an Hitzewallungen, mit einem vergleichbaren Anteil in der Raloxifenund in der Plazebogruppe. Innerhalb des dreijährigen Untersuchungszeitraums hörten die Hitzewallungen mit höherer Wahrscheinlichkeit bei Frauen mit länger zurückliegender Menopause auf. Von den Frauen, die zu Beginn der Studie zwei bis fünf Jahre in der Menopause waren, litten bei Studienende 66 Prozent weiterhin unter Hitzewallun-
Tabelle: Mit klinisch signifikanten Hitzewallungen assoziierte Charakteristika bei Studienbeginn
Demografische und klinische Faktoren ■ geringer Bildungsstatus ■ kurzer Zeitraum seit der Menopause ■ Hysterektomien ■ vorherige systemische Östrogentherapie
Physische und biologische Messgrössen ■ höherer Body-Mass-Index ■ höheres Serum-FSH ■ niedriges Serum-HDL-Cholesterin
Komorbide postmenopausale Symptome ■ Scheidentrockenheit ■ Schlafstörungen
gen. Bei denen, die sich zum Ausgangszeitpunkt bereits etwa 20 Jahre in der Postmenopause befanden, waren es dagegen nur 49 Prozent.
Diskussion In dieser Studie korrelierte das Ausmass der Hitzewallungen invers mit den Schulund Ausbildungsjahren. Dieses Phänomen wurde auch in anderen Studien mit peri- und postmenopausalen Frauen beobachtet. Die Erklärung, dass gebildete Frauen gesünder leben und daher weniger unter Hitzewallungen leiden könnten, wird durch den nicht erkennbaren Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum, dem Raucherstatus oder der körperlichen Aktivität widerlegt. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei Frauen mit niedrigem sozioökonomischem Status möglicherweise eine höhere neurosympathische Aktivierung mit erhöhter neurohormonaler Stressreaktivität vorliegt, die Hitzewallungen begünstigen könnte. Die Autoren erachten es als bemerkenswert, dass in ihrer Untersuchung eher die FSH- als die Östradiolwerte mit Hitzewallungen verbunden waren. In einer älteren Studie fand man ebenfalls einen Zusammenhang zwischen vasomotori-
schen Symptomen und FSH-Serumkonzentrationen. Dies deutet darauf hin, dass nicht östrogenabhängige Rückkopplungssysteme in der Regulierung der Hitzewallungen eine wichtige Rolle spielen könnten, auch bei Frauen, deren Menopause bereits lange zurückliegt. Frauen mit ausgeprägten Hitzewallungen litten in der vorliegenden Studie auch häufiger unter weiteren postmenopausalen Symptomen wie Scheidentrockenheit, unabhängig von FSH-Werten, Östradiolwerten oder anderen Charakteristika. Möglicherweise liegt diesen verschiedenen klinischen Manifestationen ein gemeinsamer Mechanismus zugrunde, der nicht mit einem Östrogendefizit zusammenhängt. Ähnliches gilt für Schlafstörungen, die ebenfalls mit Hitzewallungen assoziiert waren. Man vermutet, dass beide Beschwerden ein komorbides Symptom mit gemeinsamen, zugrunde liegenden Triggern darstellen. In der Studie konnten die Daten einer grossen Zahl älterer postmenopausaler Frauen mit einem breiten Spektrum an klinischen und demografischen Charakteristika ausgewertet werden. Die Autoren betrachten es jedoch als eine Limitation ihrer Untersuchung, dass alle Teilnehmerinnen an Osteoporose litten. Die Hormonprofile oder das Ansprechen auf Hormonwirkungen könnten somit bei Frauen mit erhaltener Knochendichte anders verlaufen. Zudem wurden Frauen, deren Wechseljahrbeschwerden so schwer waren, dass sie mit Hormonen behandelt werden mussten, nicht in die Studie aufgenommen. Wie viele Personen deshalb ausgeschlossen wurden, ist nicht bekannt. Die Prävalenz der Hitzewallungen bei älteren postmenopausalen Frauen könnte daher in der Realität höher liegen als im Rahmen der Studie. ■
Huang Alison J, Grady Deborah: Persistent Hot flushes in Older Postmenopausal Women. Arch Intern Med, 2008; 168: 840—846.
Interessenlage: Die MORE-Studie wurde von Eli Lilly finanziert. Auf diese Datenanalyse der Autoren hatte der Sponsor jedoch keinen Einfluss. Finanzielle Verflechtungen liegen ebenfalls nicht vor.
Petra Stölting
874 ARS MEDICI 19 ■ 2008