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Fettleber: ein Problem der Zukunft?
Von der Leberverfettung zur Zirrhose und was man dagegen unternehmen kann
BERICHT
Mit der zunehmenden Verbreitung von massivem Übergewicht steigt auch die Häufigkeit der Fettleber, die über eine Entzündung und reaktive Fibrose zur Zirrhose führen kann. Dies ist kein isoliertes Phänomen, sondern steht sehr oft in Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom. Entsprechend seien auch die Behandlungsmöglichkeiten eher zurückhaltend zu bewerten, sagte Professor Dr. Jean-François Dufour, Leitender Arzt des Instituts für Klinische Pharmakologie und Viszerale Forschung (IKPVF) der Universität Bern, am «Tag der Leber 2008» in Zürich.
Professor Jean-François Dufour, Bern
HALID BAS
Der Weg von der Fettleber zur Zirrhose Die Leber bewältigt unter ihren vielen Aufgaben in Synthese, Umwandlung und Exkretion auch die Verbrennung von freien Fettsäuren und Glukose. Dabei droht ihrer faszinierenden Funktion eine stetig zunehmende Gefahr in Gestalt von Fettsucht und Diabetes mel-
«Die Fettleber schadet vielleicht der Leber nicht, verkürzt aber das Über-
leben etwas.»
litus. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass bis im Jahr 2020 gegen 40 Prozent der Bevölkerung einen Body-Mass-
Index (BMI) über 30 kg/m2 haben werden. Parallel dazu wird auch die Häufigkeit eines Diabetes mellitus Typ 2 massiv ansteigen und ebenso diejenige einer Verfettung der Leber als Folge von Nahrungsüberfluss und mangelnder körperlicher Aktivität. Unter Hinweis auf eine 2005 von Adams et al. veröffentlichte Überlebensstudie stellte Jean-François Dufour fest: «Die Fettleber schadet vielleicht der Leber nicht, verkürzt aber das Überleben etwas.» Die Studie hatte im Olmsted-Gebiet im US-Bundesstaat Minnesota bei 420 Patienten mit nichtalkoholischer Fettlebererkrankung das Überleben mit der Allgemeinbevölkerung verglichen. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 7,6 Jahren lag bei den initial mit einer Fettleber belasteten Patienten die Mortalität ein wenig höher als in der Allgemeinbevölkerung (standardisierte Mortalitätsrate 1,34; p = 0,03), und Alter, gestörte Glukosetoleranz und das Vorliegen einer Zirrhose waren mit einer
höheren Mortalität assoziiert. Das absolute Mortalitätsrisiko wegen der Fettlebererkrankung war jedoch gering. Die überragende metabolische Funktion der Leber betrifft auch den Fettstoffwechsel. Bei Adipositas – wie auch bei
Tag der Leber
Der «Tag der Leber» ist eine Fortbildung, die jedes Jahr von der Schweizerischen Vereinigung für das Studium der Leber (Swiss Association for the Study of the Liver [SASL], www.sasl.ch) durchgeführt wird. In diesem Jahr wurde die Veranstaltung von PD Dr. Beat Müllhaupt, Leitender Arzt Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich, und Dr. Beat Helbling, Leitender Arzt Gastroenterologie, Stadtspital Waid, Zürich, zusammen mit den Hausärzten aus Zürich organisiert.
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Diabetes mellitus Typ 2 und metabolischem Syndrom – wird nicht nur vermehrt Fett in den Adipozyten eingelagert, sondern es kommt auch zu einer vermehrten Aufnahme freier Fettsäuren in die Leber und zur Steigerung der hepatischen De-novo-Lipogenese. Die an sich noch harmlose Verfettung der Hepatozyten (Steatose) kann – auch bei fehlendem Alkoholmissbrauch – in 10 bis 40 Prozent der Fälle in eine nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) übergehen. Bei der NASH ist von einem erhöhten oxidativen Stress in der Leber auszugehen, der Zytokine (z.B. den Tumor-Nekrose-Faktor-alpha) aktiviert und auch zur Lipidperoxidation führt. Beides begünstigt den Zelltod (Apoptose) von Hepatozyten, was die hepatischen Sternzellen, also eine Entzündung, aktiviert und über eine gesteigerte Kollagensynthese zur Fibrose und letztlich in einem gewissen Prozentsatz der Betroffenen auch zur Zirrhose mit konsekutivem Leberzellkarzinomrisiko führt. Welche Faktoren den Übergang einer Steatose in eine NASH fördern, ist noch Gegenstand weiterer Forschung. JeanFrançois Dufour nannte genetische und Umweltfaktoren wie Ernährung und (mangelnde) Bewegung, Insulinresistenz und Adiponectin als wichtige Einflussgrössen (Abbildung). Das in den Adipozyten produzierte Adiponectin erhöht die Fettoxidation und die Glukoseaufnahme durch die Muskulatur. Ferner hemmt es die Glukogenese in der Leber und schützt Arterien vor Atherosklerose. Bei Steatose der Leber und bei NASH werden erniedrigte Adiponectinspiegel im Blut gemessen, bei Zirrhose hingegen erhöhte.
Abbildung: Pathogenese der nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH) FFS = freie Fettsäuren; CYP = Zytochrom P 450 (CYP2E1 wird durch Alkohol induziert); LPS = Lipopolysaccharide; TNF = Tumornekrosefaktor
die der Grundkonstellation von Übergewicht und seinen metabolischen Folgen inklusive Fettleber entgegenwirken: ■ Diät ■ Sport ■ medikamentengestützte Gewichtsre-
duktion (Orlistat [Xenical®]) ■ bariatrische Chirurgie.
Für jede dieser Optionen gibt es Wirksamkeitsbelege, wie Jean-François Dufour anhand jeweils kleiner Studien zeigte. In einer Studie mit 41 Teilnehmenden liess sich durch eine hypokalorische Diät innert neun Monaten eine Abnahme des BMI von 43 auf 33 kg/m2 erzielen, und parallel dazu verschwand die Steatose bei vielen. Portale Entzün-
weise nahm in der Folge auch die Leberfibrosierung ab, bei einigen Patienten kam es jedoch zu einer Zunahme der hepatischen Entzündung. Die Beeinflussung von Fettleibigkeit und metabolischem Syndrom durch Lifestyle-Änderungen oder chirurgische Eingriffe bleibt somit ein therapeutischer Weg, der nicht allen offensteht, durchaus mit Nebenwirkungen behaftet ist und für die Leber nur individuell sehr variable positive Auswirkungen verspricht. Auch bei der NASH gilt die Insulinresistenz als Einflussfaktor. Damit bieten sich grundsätzlich orale Antidiabetika wie Metformin (Glucophage® oder Generika), Pioglitazon (Actos®), Rosiglitazon (Avandia®) therapeutisch an. Hin-
«Die nichtalkoholische Steatohepatitis ist Teil des metabolischen Syndroms.»
Therapeutische Möglichkeiten Zwischen Adipositas und Typ-2-Diabetes besteht ein gut dokumentierter Zusammenhang, der oft in ein metabolisches Syndrom mündet. Diese Konstellation begünstigt zunächst die Entstehung einer Fettleber und dann auch deren Fortschreiten zur NASH sowie allenfalls zur Leberzirrhose. In einem ersten Schritt erscheinen somit therapeutische Interventionen sinnvoll,
dung und Fibrose nahmen jedoch bei einigen auch zu. Die Kombination einer Diät plus Jogging bei 25 deutlich übergewichtigen Patienten mit dokumentierter hepatischer Steatose bewirkte nach drei Monaten eine Verbesserung der Transaminasen und der Steatose. Eine deutliche Reduktion des BMI liess sich auch durch verschiedene Techniken der bariatrischen Chirurgie erreichen. Teil-
sichtlich der Leberveränderung sind die Auswirkungen jedoch enttäuschend, wie Jean-François Dufour festhielt: ■ Metformin hat keinen Einfluss auf
die Entzündung und Fibrose (bleibt jedoch bei Diabetes indiziert). ■ Thiazolidindione (Glitazone) führen zu einer Gewichtszunahme und erwecken Bedenken wegen einer möglichen Hepatotoxizität.
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Gegen den erwähnten hepatischen oxidativen Stress liesse sich allenfalls Vitamin C oder Vitamin E einsetzen. Für Vitamin E liess sich gegenüber Plazebo kein zusätzlicher Effekt nachweisen, allerdings war die entsprechende Studie nicht gut, wie Jean-François Dufour anmerkte. Dank bekannter zytoprotektiver und antiapoptotischer Wirkungen ist auch von der Ursodeoxycholsäure (ursodeoxycho-
det beurteilt wurde. Zu Studienende waren 8, nicht durch Nebenwirkungen verursachte Drop-outs zu verzeichnen. In der UDCA-plus-Vitamin-E-Gruppe nahmen die Aspartataminotransferase-(AST)und Alaninaminotransferase-(ALT-)Werte signifikant ab. In der Plazebogruppe war keine AST/ALT-Abnahme zu beobachten, unter alleiniger UDCA gingen nur die ALT-Spiegel zurück. Histologisch wurde am Ende der Studie nur in der
«Die Kombinationsbehandlung der nichtalkoholischen Steatohepatitis mit Ursodeoxycholsäure und Vitamin E macht kaum Nebenwirkungen und scheint eher zu wirken.»
lic acid: UDCA [z.B. Ursofalk®]) bei der NASH eine therapeutische Wirkung zu erwarten. Eine grosse Studie war negativ verlaufen. Im Rahmen der Schweizerischen Vereinigung für das Studium der Leber erbrachte jedoch eine Studie mit der Kombinationstherapie vielversprechende Ergebnisse (SASL 11). An sieben schweizerischen Zentren erhielten 48 Patienten mit bioptisch dokumentierter NASH, erhöhten Transaminasewerten und geringem Alkoholkonsum (< 40 g/ Woche) randomisiert entweder UDCA plus Vitamin E, nur UDCA oder nur Plazebo. Nach zwei Jahren erfolgte eine erneute Leberbiopsie, die ebenfalls verblin- UDCA-plus-Vitamin-E-Gruppe eine signifikante Verbesserung des Aktivitätsindexes dokumentiert (vor allem wegen Regression der Steatose), nicht jedoch in den beiden Vergleichsgruppen. «Die Kombinationsbehandlung von UDCA und Vitamin E macht kaum Nebenwirkungen und scheint eher zu wirken», kommentierte Jean-François Dufour die unter seiner Leitung entstandene Studie. Neben den bekannten antioxidativen und immunmodulierenden Wirkungen bietet sich für die Wirksamkeit der Kombination von UDCA und Vitamin E auch eine günstige Steigerung der Adiponectinspiegel als weitere Erklärung an. Zur Behandlung des metabolischen Syndroms ist neuerdings auch Rimonabant (Acomplia®) zugelassen. Von diesem Cannabinoid-CB1-Rezeptor-Antagonisten ist eine günstige hemmende Wirkung auf das Essverhalten und das Körpergewicht bekannt, ferner bewirkt Rimonabant einen Adiponectinanstieg und hat, gestützt auf experimentelle Daten, in der Leber einen antifibrotischen Effekt. «Bei depressiver Anamnese sollte man mit dieser Substanz jedoch aufpassen», mahnte Jean-François Dufour. Zurzeit läuft eine plazebokontrollierte Rimonabantstudie bei NASH in Bern. Wann nach NASH suchen? Auf diese Frage aus dem Publikum nannte Jean-François Dufour folgende Konstellation: deutliche BMI-Erhöhung, Alter über 40 Jahre, Vorliegen eines me- tabolischen Syndroms, erhöhtes Ferritin («ab 400–500 µg/l wird es relevant»). Dann ist eine Leberbiopsie zu erwägen. Abschliessend bekräftigte der Berner Leberspezialist: «Die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) ist Teil des me- tabolischen Syndroms.» ■ Interessenlage: Diese Berichterstattung erfolgt industrieunabhängig. Halid Bas 764 ARS MEDICI 17 ■ 2008