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Asthmamanagement optimieren
Wie ein kontrolliertes Asthma erreicht werden kann
BERICHT
Ziel einer Asthmatherapie ist das Erreichen eines kontrollierten Asthmas. Dies erfordert ein umfassendes Management — von der exakten Diagnostik bis hin zum Selbstmanagement des Betroffenen. Wichtige Aspekte hat der Pneumologe Dr. med. Thomas Schmid, Solothurn, anlässlich einer Novartis-Hausarztfortbildung Anfang Mai in Solothurn zusammengefasst.
WALTER KAISER
Asthma ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten weltweit. Ihre Prävalenz beträgt in der Schweiz etwa 7 Prozent und hat wie in anderen westeuropäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Sie scheint sich aber jetzt zu stabilisieren (1, 2). Das Vorkommen von Asthma verläuft
parallel zur Verbreitung einer urbanen Lebensweise. Asthma ist am seltensten bei Personen, die während ihrer Kindheit auf einem Bauernhof gelebt haben. Im Gegensatz zur Morbidität ist die Asthmamortalität (Abbildung 1) seit einigen Jahren rückläufig (3). Dazu hat wahrscheinlich ein vermehrter Einsatz inhalativer Kortikosteroide beigetragen (1). Trotz dieses therapeutischen Erfolges
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253 239 211 200 181 146 156 119 122
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 BfS, Todesursachenstatistik 1995—2004
Abbildung: Asthmamortalität in der Schweiz
scheint Asthma im Allgemeinen unterbehandelt zu sein (1). Die 1999 in sieben europäischen Ländern durchgeführte AIRE-Studie weist darauf hin, dass die Asthmatherapie deutlich verbessert werden könnte. Danach hatten – gemessen an den Kriterien der GINAGuidelines – nur 5,3 Prozent ein «kontrolliertes» Asthma. Die Diagnostik und vor allem die Therapie richten sich heute stark nach den GINA- Guidelines (www.ginasthma.org). GINA, Global Initiative for Asthma, ist eine weltweite Organisation von Experten und Institutionen, die bezweckt, über Asthma zu informieren und neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Betreuung von Patienten einfliessen zu lassen. Sie hat seit 1993 verschiedene Dokumente und Empfehlungen zum Asthmamanagement herausgegeben.
Diagnose Asthma äussert sich typischerweise episodisch mit den Symptomen Dyspnoe, Husten und Giemen. In der Regel verursacht die Abgrenzung von Asthma zu anderen Krankheiten, besonders während einer akuten Episode, wenig Schwierigkeiten (Tabelle 1). Die Diagnose Asthma wird durch den Nachweis einer reversiblen Atemwegsobstruktion gestellt. Reversibilität heisst ein mindestens 15-prozentiger Anstieg des FEV1 nach zwei Hüben eines Betamimetikums. Nicht alle Patienten zeigen bei jedem Test Reversibilität, vor allem nicht, wenn sie behandelt sind. Deshalb sind wiederholte Tests empfehlenswert. Falls die Spirometrie normal ausfällt, kann die Hyperreagibilität durch Provokation mit Inhalation von Metacholin oder Mannitol nachgewiesen werden.
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BERICHT
Tabelle 1: Differenzialdiagnose Asthma
Störung/Krankheit ■ Obstruktion oberer Atemwege
— Tumor — Kehlkopfödem — Funktionelle Glottisstörung (VOC)
■ Endobronchiale Krankheiten — Tumor — Fremdkörper
■ Chronische Bronchitis
■ Eosinophile Pneumonie ■ Rezidivierende Lungenembolien ■ Linksherzinsuffizienz
Bemerkungen Typischerweise inspiratorischer Stridor, evtl. Laryngo- oder Bronchoskopie
Episodische Glottisverengung beim Ein- oder Ausatmen, inspiratorischer und exspiratorischer Stridor Oft anhaltendes lokales Giemen
Ähnliche Symptome wie Asthma möglich, in der Regel keine symptomfreien Intervalle Zeigt oft asthmatische Symptome Können Bronchospasmen auslösen Weitere Zeichen der Linksherzinsuffizienz
Tabelle 2: Stufen der Asthmakontrolle
Charakteristiken
Symptome tagsüber
Einschränkung der Aktivitäten Nächtliche Symptome, Erwachen Einsatz der Bedarfsmedikation (Reliever) Lungenfunktion PEF oder FEV1
Kontrolliert (alle nachfolgenden) Keine (≤ 2×/Woche) Keine
Keine
Keine (≤ 2×/Woche) Normal
Exazerbationen
Keine
Zum Teil kontrolliert (irgendeine in einer beliebigen Woche)
Nicht kontrolliert
Häufiger als 2×/Woche
Irgendeine
Irgendeine
Häufiger als 2×/Woche
3 oder mehr Zeichen von zum Teil kontrolliertem Asthma jede Woche
< 80% des erwarteten Werts oder des persönlichen Bestwerts (falls bekannt) an irgendeinem Tag ≥ 1×/Jahr Jede Woche Therapieziele Ziel der Asthmatherapie ist ein sogenanntes kontrolliertes Asthma. Die Kriterien der Asthmakontrolle sind in Tabelle 2 dargestellt (4). Eine gute Asthmakontrolle erfordert ein Asthmamanagement mit folgenden Komponenten: Diagnose einschliesslich Erfassen der Krankheitsaktivität, Pharmakotherapie, klinische Kontrollen sowie Patientenschulung/Selbstmanagement. Die meisten Patienten können eine Kontrolle des Asthmas erreichen und beibehalten. Pharmakotherapie Medikamente zur Asthmabehandlung werden in zwei Gruppen eingeteilt: «Controller» und «Reliever». Controller werden regelmässig eingenommen und dienen der Langzeittherapie, während Reliever schnell und kurz wirksam sind und bei Bedarf eingesetzt werden (Tabelle 3). Die meisten Patienten benötigen eine entzündungshemmende Basistherapie. Eine ausschliesslich bronchodilatatorische Therapie kann beim intermittierenden Asthma bronchiale oder beim anstrengungsinduzierten Asthma infrage kommen. Reliever Kurz wirksame Betaagonisten (SABA): Sie dienen der Notfalltherapie bei einer Verschlechterung des Asthmas und der Vorbeugung des anstrengungsinduzierten Asthmas. Ein steigender Verbrauch von kurz wirksamen Betaagonisten ist ein Warnzeichen für eine ungenügende Asthmakontrolle. Die Basistherapie sollte überprüft und eventuell angepasst werden. Anticholinergika: Sie wirken bronchodilatatorisch, aber weniger stark und weniger schnell als Betaagonisten, dafür länger. Sie werden bei Notfallbehandlungen zum Teil mit Betaagonisten kombiniert. In der Langzeittherapie sind sie im Gegensatz zur COPD nicht Mittel erster Wahl. Systemische Kortikosteroide: Sie werden oral oder parenteral zur Therapie der Exazerbation eingesetzt. Die Dosis beträgt 30 bis 50 mg über 5 bis 10 Tage. Controller Inhalative Kortikosteroide (ICS): Sie bilden wegen der starken Entzündungshemmung die Basistherapie. Sie werden bevorzugt in einer niedrigen bis mittleren Dosis verabreicht. Lang wirksame Betaagonisten (LABA): Sie sollen nur als Zusatz zu einem inhalativen Kortikosteroid eingesetzt werden. Asthma kann besser kontrolliert werden durch Zusatz eines lang wirksamen Betaagonisten als durch Verdoppelung der Dosis inhalativer Kortikosteroide (5). Kombinationspräparate (ICS + LABA): Mit Kombinationspräparaten – einer fixen Kombination eines inhalativen Kortikosteroids und eines lang wirksamen Betaagonisten – lässt sich in der Regel eine gute Asthmakontrolle erreichen. Damit wird oft auch die Compliance der Patienten verbessert. 752 ARS MEDICI 17 ■ 2008 ASTHMAMANAGEMENT OPTIMIEREN Tabelle 3: Übersicht Asthmamedikamente Reliever ■ Kurz wirksame Betaagonisten — Salbutamol (Ventolin®) — Terbutalin (Bricanyl®) ■ Anticholinergika — Ipratropriumbromid (Atrovent®) — Tiatropiumbromin (Spiriva®) ■ Systemische Kortikosteroide Controller ■ Inhalative Kortikosteroide — Fluticason (Axotide®) — Budesonid (Miflonide®) ■ Lang wirksame Betaagonisten — Formoterol (Foradil®) — Salmeterol (Serevent®) ■ Kombinationspräparate — Symbicort® (Budesonid + Formoterol) — Seretide® (Fluticason + Salmeterol) ■ Leukotrienantagonisten — Montelukast (Singulair®) ■ Theophyllin — Unifyl® — Theolair® SR ■ Anti-IgE-Therapie — Omalizumab (Xolair®) Leukotrien-Antagonisten: Sie wirken bronchodilatatorisch und entzündungshemmend. Sie kommen als Zusatz zu inhalativen Kortikosteroiden infrage. Sie wirken schwächer als lang wirksame Betaagonisten. Theophyllin: Theophyllin wirkt in tiefen Dosen (200 mg) leicht entzündungs- hemmend, in höheren zusätzlich bronchodilatatorisch. Es ist kein Medikament erster Wahl in der Langzeittherapie. Theophyllin kann als Zusatz zu anderen Controllerpräparaten gebraucht werden. Systemische Kortikosteroide: Orale Kortikosteroide kommen nur bei anderweitig nicht kontrollierbarem Asthma infrage. Sie sind in der Langzeitanwendung mit erheblichen unerwünschten Wirkungen verbunden. Anti-IgE-Antikörper Omalizumab: Seit 2006 steht in der Schweiz der monoklonale Anti-IgE-Antikörper Omalizumab zur Verfügung. Er ist bei schwerem allergischem Asthma und erhöhtem IgESpiegel als Zusatz indiziert, wenn trotz hoch dosierten inhalativen Kortikosteroiden und lang wirksamen Betaagonisten die Asthmakontrolle ungenügend ist (FEV1, Tages- oder Nachtsymptome, Exazerbation). Die gut verträgliche Therapie führt bei schlecht kontrollierten Asthmapatienten trotz konventioneller Basistherapie (ICS und LABA) zu einer signifikanten Reduktion der IgE-Spiegel Tabelle 4: Stufentherapie des Asthmas Kontrollmöglichkeiten Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Patientenschulung und Umfeldkontrolle Nach Bedarf: RABA Keine zusätzlichen 1 auswählen 1 auswählen 1 oder mehrere hinzufügen 1 oder beide hinzufügen Niedrig dosiertes ICS Niedrig dosiertes ICS plus LABA Mittel oder hoch dosiertes ICS plus LABA Anti-IgE-Therapie (z.B. Xolair) Leukotrienantagonist Mittel oder hoch dosiertes ICS Leukotrienantagonist Orales Kortikosteroid (niedrige Dosis) Niedrig dosiertes ICS plus Leukotrienantagonist Retardiertes Theophyllin Niedrig dosiertes ICS plus retardiertes Theophyllin ICS = Inhalatives Kortikosteroid RABA = Rasch wirkender Betaagonist LABA = Lang wirkender Betaagonist ARS MEDICI 17 ■ 2008 753 BERICHT Tabelle 5: Warnsymptome ■ Verbrauch Notfallspray ■ Husten und Auswurf ■ Nächtliche Hustenattacken ■ Atemnot tags und nachts ■ Atemnot bei Anstrengung ■ Erkältung Tabelle 6: Notfalltherapie der Tabelle 6: Asthmaexazerbation ■ Repetitive Gabe von kurz wirksamen Betamimetika ■ Frühe Gabe von systemischen Steroiden ■ Sauerstoffgabe ■ Engmaschige Überwachung des Therapie- ansprechens mit repetitiver Messung der Lungenfunktion (PEF oder FEV1) Tabelle 7: Asthmaschulung ■ Grundwissen über die Erkrankung ■ Wirkung und Nebenwirkungen der Medi- kamente ■ Richtige Anwendung der Medikamente, Inhalationstechnik ■ Rechtzeitiges Erkennen einer Verschlech- terung ■ Schriftlicher Aktionsplan im Serum und der Asthmasymptome (6). Die Dosis richtet sich nach dem Gesamt-Serum-IgE-Spiegel und dem Körpergewicht des Patienten. Sie wird alle zwei bis vier Wochen subkutan verabreicht. Die Erstverschreibung hat auf Grund einer Kassenlimitation durch einen Pneumologen oder Allergologen zu erfolgen. Die (kassenzulässige) Langzeittherapie kann der Hausarzt übernehmen. Stufentherapie des Asthmas Der Einsatz der verschiedenen Asthmamedikamente folgt einem Stufenschema. Dabei wird diejenige Behandlungsstufe angewendet, mit der das Ziel «Asthmakontrolle» erreicht wird. Dabei ist sowohl eine Unter- als auch eine Überbehandlung zu vermeiden. Der Grad der Asthmakontrolle ist regelmässig zu überprüfen, um bei Bedarf die Behandlungsstufe anzupassen. Dazu gibt es auch einen nützlichen Onlinetest von aha! – Schweizerisches Zentrum für Allergie, Haut und Asthma (www.ahaswiss.ch), den der Patient direkt auf der Website ausfüllen kann. Er kann ihn ausdrucken und zur Beurteilung durch den Arzt in die Sprechstunde mitbringen (Tabelle 4). Exazerbation Asthmaexazerbation ist eine Episode mit fortschreitender Zunahme von Atemnot, Husten, Giemen oder Brustenge. Pathophysiologisch ist sie durch eine Abnahme des exspiratoischen Flusses charakterisiert. Zur Quantifizierung und Monitorisierung eignet sich das FEV1 oder PEF. Schwere Exazerbationen sind potenziell lebensgefährlich, Patienten sind engmaschig zu kontrollieren. Um eine Exazerbation frühzeitig erfassen zu können, sollten auch dem Patienten die Warnsymptome bekannt sein (Tabellen 5 und 6). Patientenschulung und Selbstmanagement Der Behandlungserfolg bei Asthma hängt stark vom Wissen des Patienten und seinem Verhalten im Alltag ab. Die Patientenschulung vermittelt dem Patienten die Grundlagen zum Selbstmanagement. Dazu zählen Wissen und Fähigkeiten zur Asthmakontrolle. Sie fördert zudem das Bewusstsein, dass dem Patienten eine zentrale Rolle in der Behandlung zukommt und dass er durch eigene Aktivitäten einen wichtigen Erfolgsbeitrag leisten kann (Tabelle 7). Sehr nützlich sind von der Lungenliga angebotene Asthmaschulungen (www.lung.ch). Entscheidend ist, dass der Patient einen eigenen Aktionsplan an die Hand bekommt. Dieser enthält Instruktionen für das Vorgehen bei Auf- treten oder Verschlechterung von Sym- ptomen sowie bei der Abnahme des Peak-Flow-Wertes. Damit kann der Pa- tient Veränderungen interpretieren und richtig reagieren. Durch ein umfassendes Asthmamana- gement ist es möglich, 80 Prozent der Patienten praktisch beschwerdefrei zu halten. Zum Management gehören ärzt- liche Kontrollen, die immer auch der praktischen Schulung des Patienten die- nen, der Einsatz von Medikamenten sowie das Selbstmanagement des Pa- tienten. ■ Dr. med. W. Kaiser c/o Dr. Schlegel Healthworld AG Sennweidstrasse 46 6312 Steinhausen E-Mail: w.kaiser@schlegelhealth.ch Interessenlage: Der Autor berät die Firma Novartis Pharma Schweiz. Referenzen: 1. Masoli M, Fabian D, Holt S, Beasly R, Global Burden of Asthma, Report, www.ginasthma.com 2. Braun-Fahrländer C, Gassner M, Grize L, Takken-Sahli K, Neu U, Stricker T, Varonier H.S, Wüthrich B, Sennhauser F.H and the Swiss Study on Childhood Allergy and Respiratory symptoms with respect to Air Pollution team. No further increase in asthma, hay fever and atopic sensitisation in adolescents living in Switzerland. Eur Respir J 2004; 23: 407— 413. 3. Bundesamt für Statistik, www.bfs.admin.ch 4. www.ginasthma.org 5. Pauwels RA, Lofdahl CG, Laitinen LA, Schouten JP, Postma DS, Pride NB, et al. Long-term treatment with inhaled budesonide in persons with mild chronic obstructive pulmonary disease who continued smoking. European Respiratory Society Study on Chronic Obstructive Pulmonary Disease. The New England journal of medicine 1999; 340: 1948—53. 6. Milgrom H, Fick RB Jr, Su JQ, Reimann JD, Bush RK, Watrous ML, Metzger WJ. Treatment of allergic asthma with monoclonal anti-IgE antibody. rhuMab-E25 Study Group. N Engl J Med 1999; 341 (26): 1966—1973. 754 ARS MEDICI 17 ■ 2008