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KONGRESSBERICHT
Selbstmanagement: Arthrosepatienten profitieren von einer guten Schulung
Ein Bericht vom Satellitensymposium der Firma IBSA anlässlich des EULAR 2008
Allein durch eine gute Schulung kann Patienten mit Kniegelenksarthrose schon geholfen werden, besser mit ihrer Erkrankung zurechtzukommen. Das demonstrierten Referenten auf einem von der Firma IBSA veranstalteten Satellitensymposium am diesjährigen europäischen Rheumatologenkongress in Paris. Ausserdem stellten sie neue Ergebnisse zu Chondroitinsulfat vor.
KLAUS DUFFNER
Obwohl die EULAR-Empfehlungen zum Management der Kniearthrose der Schulung und Ausbildung der Patienten eine sehr wichtige Stellung zuschreiben, sieht die wissenschaftliche Literatur zum Thema nach den Worten von Prof. Dr. Liana Euller-Ziegler, Service de Rhumatologie in Nizza, eher «traurig» aus. Aber warum überhaupt «Education» für Arthrosepatienten? «Man will die Betroffenen lehren, ihre Krankheit selbst zu managen und vermeidbaren Komplikationen von vornherein vorzubeugen.» Dies führe zur Verbesserung der Lebensqualität, aber auch zu langfristiger Kostenersparnis. Ein solcher Lernprozess sollte daher integraler Bestandteil der Behandlung sein.
wurde bemängelt. In einer weiteren Untersuchung mit 177 Arthrosepatienten wurde deutlich, dass 33 Prozent der Teilnehmer nach dem Arztbesuch ihre Erwartungen nicht erfüllt sahen (2). Davon war fast die Hälfte (47%) mit den erhaltenen Informationen unzufrieden. Das Ziel sei es daher, die Patienten über die Anwendung und Wirkung von Medikamenten besser aufzuklären, aber auch über Gelenkschutz, richtige körperliche Aktivität und Gewichtsverlust zu informieren, meinte Euller-Ziegler. Dabei können neben den Ärzten auch spezialisierte Krankenschwestern eine wichtige Rolle spielen. Um den Erfolg einer solchen Aufklärungsarbeit zu gewährleisten, sollten auch Partner oder nahe Verwandte der Arthrosepatienten mit einbezogen werden, sagte Euller-Ziegler.
Durch Schulung weniger Schmerzen Tatsächlich konnte in einer neueren französischen Studie gezeigt werden, dass seitens der Patienten ein grosser Bedarf an mehr Information besteht (1). Auch die fehlende Möglichkeit, eine kompetente Person bei Problemen zu fragen,
Ergebnisse uneinheitlich Trägt eine gute Patientenschulung Früchte? In einer Metaanalyse aus dem Jahr 1987 wurde deutlich, dass sich mit der Zunahme der Kenntnisse zur Arthrose auch der gesundheitliche Zustand bei 61 Prozent der Patienten verbesserte (3). Auch eine computerassis-
EULAR 2008
Satellitensymposium der Firma IBSA:
«Educational efforts in the management of osteoarthritis»
Paris, 13. Juni 2008
tierte Patientenschulung führte gegenüber der Vergleichsgruppe zu einem besseren Medikamentengebrauch und zur realistischeren Einschätzung der Wirksamkeit (4). Allerdings konnten in dieser Untersuchung im Vergleich zur Plazebogruppe keine Unterschiede hinsichtlich der Schmerzreduktion beziehungsweise der Arbeitsfähigkeit festgestellt werden. Solche Vorteile offenbarten sich jedoch in einer Studie aus dem Jahre 1999, in die 211 Patienten mit Kniearthrose eingeschlossen waren (5). Nachdem die Teilnehmer intensiv zu den Themen Arthroseprotektion, richtige Bewegung und Strategien zur Lösung auftretender Probleme geschult worden waren, zeigten sich im Einjahres-Follow-up gegenüber der Vergleichsgruppe signifikante Verminderungen der Schmerzen und Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit (p<0,05) (6). Und: Bereits nach einem Jahr hatte man die für die Schulungen erforderlichen Ausgaben durch geringere Therapiekosten wieder eingespart. In einer neueren australischen Untersuchung wollte man in einer Analyse der Cochrane-Database wissen, ob Schulungsprogramme vor einer Hüft- oder Knieoperation Ängste reduzieren helfen und einen besseren Outcome nach der OP förderten (7). Zwar war eine moderate Reduktion der
660 ARS MEDICI 15 ■ 2008
SELBSTMANAGEMENT: ARTHROSEPATIENTEN PROFITIEREN VON EINER GUTEN SCHULUNG
Patientenschulung der Rheumaliga Schweiz
Die Rheumaliga Schweiz fördert Patientenschulungen als Dienstleistung für Menschen mit Rheuma. Dabei wird in mehreren Modulen das Wissen zu unterschiedlichen Aspekten der Erkrankung vermittelt sowie ein Erfahrungsaustausch ermöglicht.
■ Die Module der Patientenschulung ■ Medizin (Krankheitsbild, Diagnose/Behandlung/Therapie, Medikamente etc.) ■ Psychologie (Schmerzbewältigung, Copingstrategien, Entspannung etc.) ■ Soziale Fragen (Leben mit Rheuma, Angehörige, Arbeit, Partnerschaft/Sexualität, Kinder, ■ Sozialversicherungsfragen, etc.) ■ Physiotherapie/Bewegung (Unabhängigkeit durch Bewegung, Ausdauer-, Kraft-, Gleich
gewichtstraining u.a.) ■ Ernährung (gesundheitsfördernde Ernährung) ■ Selbsthilfe (welche Unterstützung seitens der Selbsthilfeorganisation; Literatur) ■ Ergotherapie (Alltagshilfen — wirksame Hilfen im Alltag) ■ Kreativwerk (Beschäftigung mit sich und der Krankheit durch Malen, Musik oder viele ■ andere Techniken/Beschäftigungen)
Weitere Informationen: www.rheumaliga.ch (Marianne Schütz, Projektleitung PatientInnenschulung)
präoperativen Angst tatsächlich möglich, eine Schmerz- oder Funktionsverbesserung wurde gegenüber der Vergleichsgruppe allerdings nicht festgestellt. Diese heterogenen Ergebnisse, die auch in weiteren Untersuchungen bestätigt wurden, seien durch unterschiedliche Patientenpopulationen, unterschiedliche Schulungsprogramme und das Fehlen angemessener Evaluationswerkzeuge erklärbar, sagte Liana EullerZiegler. Fest stehe jedoch, so die französische Rheumatologin, dass die Schulung von Arthrosepatienten in der täglichen Praxis aufgrund fehlender Kompetenzen, mangelnder Zeit und einer gewissen Ignoranz bisher vernachlässigt worden sind.
Neue Metaanalyse: Chondroitin ist wirksam Allerdings wird auch ein gut informierter Arthrosepatient irgendwann nicht ohne schmerzlindernde Medikamente auskommen. Mit Paracetamol und NSAR stehen zwar wirksame Medikamente zur Verfügung, am strukturellen Schaden der Gelenkknorpel können sie
indes nichts ändern. Hier setzt Chondroitinsulfat an, ein Mukopolysaccharid, das einen wichtigen natürlichen Bestandteil des Knorpelgewebes ausmacht. Als Kapsel eingenommen, soll es die strukturelle Schädigung des Knorpels aufhalten oder zumindest den fortschreitenden Zerstörungsprozess verlangsamen. Die schmerzlindernde Wirkung von Chondroitinsulfat wird vor allem auf seine entzündungshemmenden Eigenschaften zurückgeführt. Allerdings sind Wirksamkeit und Stellenwert des Wirkstoffes umstritten. Im letzten Jahr kam eine firmenunabhängige Metaanalyse von Dr. Stephan Reichenbach et al. aus der Universität Bern unter Einschluss von 20 randomisierten und kontrollierten Studien zu dem Schluss, dass Chondroitinsulfat bei Gonarthrose nicht oder bestenfalls marginal wirksam sei (8) (siehe ARS MEDICI 14/2007). Die Herstellerfirma ihrerseits hatte die Methodik der Berner Wissenschafter in Zweifel gezogen. Auf dem IBSA-Symposium in Paris wurde nun, offenbar als Reaktion darauf, eine auf den Rohdaten von 1744 Patienten basierende neue Metaanalyse vorgestellt.
Die Ergebnisse, so der Studienleiter Dr. Daniel Uebelhart aus Zürich, zeigten, dass Chondroitinsulfat den Schmerz signifikant reduziere. «Eine multivariate Metaregressionsanalyse, die auf Rohdaten basiert, ergibt aussagekräftigere Daten als eine Analyse, deren Daten aus Publikationen erhoben wurden», erklärte Uebelhart.
STOPP-Studie zeigt verlang-
samte Progression
Auch die Zwischenergebnisse der ran-
domisierten, multizentrischen und pla-
zebokontrollierten STOPP-Studie wurden
auf dem Satellitensymposium vorgestellt.
In ihr erhielten über 600 Patienten mit
Kniegelenksarthrose über zwei Jahre
entweder 800 mg Chondroitinsulfat pro
Tag oder Plazebo. Bestimmt wurden die
Verschmälerung des Spalts des Femur-
tibia-Gelenkes über Röntgenaufnahmen
(primärer Endpunkt) sowie als sekundä-
rer Endpunkt der Schmerz (VAS-Skala),
der WOMAC-Index (Fragebogen zu
Schmerz, Steifigkeit und Funktionalität)
sowie der Schmerzmittelverbrauch (Pa-
racetamol und NSAR). Dabei habe sich
gezeigt, so der Studienleiter Professor
André Kahan vom Cochin Hospital, Des-
cartes- Universität in Paris, dass eine
kontinuierliche Einnahme von Chon-
droitinsulfat die radiologische Progres-
sion der Kniearthrose verlangsamt.
Während Patienten unter Plazebo eine
Verschmälerung des Gelenkspaltes um
0,31 mm vorwiesen, zeigten Patienten
der Chondroitinsulfat-Gruppe eine Ver-
engung um 0,07 mm. Dies sei ein struk-
turmodifizierender Effekt, meinte
Kahan. Auch die schmerzreduzierende
Wirkung war gegenüber Plazebo unter
Chondroitinsulfat signifikant stärker
(WOMAC und VAS). Eine in Paris vorge-
stellte Subgruppenanalyse deutete da-
rauf hin, dass dies möglicherweise pri-
mär auf übergewichtige Patienten (BMI
25–30) zutrifft (VAS-Index).
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Klaus Duffner
Interessenlage: Die Berichterstattung erfolgte mit Unterstützung der Firma IBSA SA. Auf den Inhalt des Beitrages hat die Firma keinen Einfluss genommen.
Literaturverzeichnis beim Verlag erhältlich
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