Transkript
P O L I T- FO RU M
LABOR WEG = HAUSÄRZTE WEG
POLITIK IST GESUNDHEIT IM GROSSEN
Die am 11. Juni vom eidgenössischen Departement des Inneren publizierte Version Beta 8.0 der Analysenliste bedeutet bei ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2009 das Ende des Praxislabors. Nimmt man uns Hausärzten das Labor weg, kehren wir diagnostisch ins Mittelalter zurück. Das wäre unendlich dumm, kriminell und teuer. Kein Arzt kann zu einem solchen Vorgehen Hand bieten. Es wäre, wie wenn man dem Zimmermann Hammer und Nagel und dem Bäcker Zucker und Salz wegnehmen würde. Sollten unsere Worte wieder versagen, dann braucht es beherzte Taten. Als nächster Schritt wird von Bundesrat Couchepin schon angemahnt, unsere Medikamentenmarge von 15 auf 7 Prozent zu senken. Das wäre ebenfalls das sichere Ende der ärztlichen Medikamentenabgabe. Wir Ärzte haben die Verpflichtung, uns für das Wohl unserer Patienten im Kleinen, aber auch im Grossen einzusetzen. Wir haben, ob wir es wollen oder nicht, einen staatspolitischen Auftrag (Virchow: «Politik ist Gesundheit im Grossen»). Wir sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Ärzte der folgenden Generationen nicht in von Krankenkassen oder Ge-
sundheitskonzernen beherrschten Regionalzentren auf Gedeih
und Verderben einem Kostendiktat unterworfen sind.
Leider scheint es, als hätten einige unserer Standesvertreter im
Vorfeld nicht nur nicht (genügend) Widerstand, sondern sogar
nolens volens Bundesrat Couchepin Schützenhilfe geleistet.
Passend zu dieser Grundhaltung wird die Schaffung einer ge-
samtschweizerischen Hausärzte-Organisation angestrebt, in
der diese Herren die Macht des Vorstandes ausbauen und die
der Basis schmälern wollen.
Wir unten genannten Hausärzte der Notfallkreise Thierstein
und Laufental fordern, dass wir Hausärzte gesamtschweize-
risch über die uns drohenden Massnahmen, insbesondere über
die Version Beta 8.0 der Analysenliste vom 11. Juni 2008, infor-
miert werden. Dann wird sich zeigen, ob wir unserer Aufgabe
gewachsen sind.
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Dr. med. Samuel Buser, Dr. med. Marc Cueni, Dr. med. Raphael Haberthür, Dr. med. Christoph Hollenstein, Dr. med. Peter Hofer, Dr. med. Benno Lütold, Dr. med. Fredi Rappo, Dr. med. Markus Rudin, Dr. med. Roland Stäuble, Dr. med. Martin Tschan
«... BIS WIR TATSÄCHLICH DIE UNHEILVOLLE EIGENDYNAMIK BREMSEN UND STOPPEN KÖNNEN»
Wieder einmal herzlichen Dank und Gratulation für ein weiteres ausgezeichnetes Editorial («Dummheit trägt keine Verantwortung» in ARS MEDICI 14/2008), das ich (stellvertretend sicher für den Grossteil unserer Gilde) voll mitunterzeichnen würde. Es enthält genau das, was wir in unzähligen Tischgesprächen und Gesprächen mit Kollegen, etwas weniger wortgewaltig und präzis, zu verarbeiten und zu ändern/verhindern versuchen. Es nimmt mich wunder, auf welchen Bereich der «Richterskala» wir sowohl publizistisch als auch bezüglich der Reaktionen der Basis kommen müssen, bis wir tatsächlich die unheilvolle Eigendynamik der Spirale bremsen und stoppen können. Wir müssen ein Leben lang dem Job und unseren Patienten treu bleiben können, damit das Ganze funktioniert. Aber die Politiker können sich (meist ja aus persönlichen Gründen, was dann auch immer dahintersteckt) kurzfristig und ohne irgendwelche Konsequenzen aus der Affäre ziehen, wenn sie sehen, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt und Mist gebaut haben. Die dargestellten Einsichten haben in meiner standes-
politisch aktiven Zeit auch mich belastet, noch mehr aber die
Einsicht, dass man diesen fatalen «Mecchano» offenbar nicht
ändern kann (ausser man hätte eine Mehrheit der Entschei-
dungsträger hinter sich, die diese Einsicht teilen und tatsächlich
auch daran etwas ändern möchten). Ich bin froh, dass du nicht
nur resignierende Zeilen schreibst, sondern die Kraft auf-
bringst, das Kind zunehmend klarer und lauter beim Namen zu
nennen. Vielleicht müssen wir versuchen, nicht nur zu reagie-
ren oder proaktiv zu agieren, sondern wieder einmal einen «au-
genöffnenden» Paukenschlag zu lancieren, damit die Zuständi-
gen endlich merken, dass man auch einmal aufhören könnte,
dauernd weiterzuschräubeln, mindestens dort, wo es nur noch
kontraproduktiv sein kann. Hoffen wir, dass «es» trotzdem noch
gut herauskommt.
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Dr. med. Jürg Weber Wigoltingen
654 ARS MEDICI 15 ■ 2008