Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Die Interpellation von Markus Zemp, Nationalrat CVP, Kanton AG, stellten wir in ARS MEDICI Nr. 11/08 (Seite 457) vor.
Präventionsmaschinerie des Bundesamtes für Gesundheit
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zeichnet sich in den letzten Wochen und Monaten durch einen bisher nicht gekannten Aktivismus aus. Immer neue Gesundheitskampagnen und Präventionsprogramme werden in sogenannten Anhörungsverfahren vorgestellt. Dass überhaupt Anhörungen stattfinden, ist nur auf die Intervention der Wirtschaft zurückzuführen. Das BAG beabsichtigte nämlich, das Nationale Programm Alkohol 2008—2012 oder das Nationale Programm Ernährung und Bewegung 2008—2012 nur dem Bundesrat zur Kenntnisnahme vorzulegen, ohne dass dieser sich über die einzelnen Massnahmen hätte äussern können. Wenn in Betracht gezogen wird, dass einzelne Präventionsmassnahmen massgeblich in die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung des Schweizer Bürgers eingreifen, mutet dieses Demokratieverständnis des BAG seltsam an. Diese nationalen Programme stehen auf tönernen Füssen, zumal keine Gesetzesgrundlage besteht. Aus diesem Grund lancierte das BAG im Februar 2008 ein Hearing über das vorgesehene Präventions- und Gesundheitsförderungsgesetz. Dieses soll nun künftig als Grundlage für
den BAG-Präventionsaktivismus dienen — notabene mit ungeahnten Kostenfolgen für Staat und Bürger.
1. Wie stellt sich der Bundesrat zu den zum Teil massiven Eingriffen in die Grundrechte des Bürgers, welche in den Präventionsprogrammen (Nationales Programm Alkohol oder Nationales Programm Ernährung und Bewegung) vorgeschlagen werden?
2. Ist er sich bewusst, dass er mit einem unkritischen «Kenntnisnehmen» der verschiedenen Nationalen Präventions-Programme und den in diesem Zusammenhang zum Teil in die Grundrechte eingreifenden Massnahmen Tür und Tor für eine riesige Präventionsmaschinerie mit ungeahnten Kostenfolgen öffnet?
3. Wie stellt er sich zum Vorgehen des BAG, welches als Verwaltungseinheit den Gesetzgebungsprozess — auch in den Kantonen — massiv zu beeinflussen versucht und somit die verfassungsmässige Kompetenzordnung in Frage stellt?
Und dies die Antwort des Bundesrats vom 21.5.2008
Der Bundesrat kann auf eine langjährige Erfahrung in gesundheitspolitisch relevanten Themenbereichen, z.B. HIV/Aids oder Tabak, zurückblicken. Er erachtet nationale Programme als effizientes Instrument zur Koordination der Aktivitäten von Bund, Kantonen und Privaten. Sie sollen insbesondere einen effizienten Ressourceneinsatz ermöglichen. Auch gemäss dem verwaltungsinternen Vorentwurf für ein Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung sind solche Programme eines der zentralen Steuerungs- und Koordinationsinstrumente zur Vereinheitlichung der Vorgehensweisen und Massnahmen der verschiedenen Akteure.
Bei der Erarbeitung von Programmen sind Anhörungen ein nützlicher Schritt, um die Meinung der verschiedenen von den Programminhalten betroffenen Akteure einzuholen. Bewertungen und Schlussfolgerungen der Anhörungsresultate sind Sache des Bundesrates.
■ Zu Frage 1: Vom Bundesrat verabschiedete Programme stellen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger nicht in Frage. Dies wird der Bundesrat auch bei zukünftigen Entscheiden zu Programmen zu beachten wissen.
■ Zu Frage 2: Bei den bisherigen Programmen wurden die Budgetvorgaben des Parlaments stets eingehalten. Der gesamte Präventionskredit des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) wurde seit 2003 unter anderem aufgrund der Entlastungsprogramme und der Aufgabenverzichtsplanung um über 30 Prozent gekürzt.
■ Zu Frage 3: Nationale Programme ermöglichen es, dass Bund und Kantone gemeinsame Ziele setzen und sich gegenseitig in der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung können damit allfällige Doppelspurigkeiten, Schnittstellen oder Widersprüche zwischen Bund und Kantonen vermindert werden. Dies gilt insbesondere auch für Gesetzgebungsvorhaben. Die in der Interpellation erwähnten Programme wurden unter der Leitung des BAG unter Einbezug verschiedener Bundesstellen, der Kantone sowie weiterer öffentlicher und privater Organisationen erarbeitet.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
600 ARS MEDICI 14 ■ 2008
Die Motion von Josef Zisyadis, Nationalrat PdS, VD, eingereicht am 20.3.2008 (ARS MEDICI 9/08), wurde vom Bundesrat beantwortet.
Handy-Verbot für Kinder
Der Bundesrat wird beauftragt, ein generelles Handy-Verbot für Kinder unter 14 Jahren in die Tat umzusetzen, um den unmittelbaren und künftigen Gefahren für ihre Gesundheit vorzubeugen.
Und hier die Antwort des Bundesrats vom 30.5.2008
Nach heutigem Kenntnisstand besteht kein wissenschaftlich fundierter Nachweis einer möglichen gesundheitsschädigenden Wirkung der Strahlung von Mobiltelefonen, weder für Erwachsene noch für Kinder. Die europäischen Produkteanforderungen, welche auch in der Schweiz gelten, schreiben die Einhaltung der internationalen Grenzwerte vor. Sie bieten Schutz vor wissenschaftlich nachgewiesenen, akuten gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter Strahlung. Diese Produkteanforderungen berücksichtigen auch den Gesundheitsschutz der Kinder. Der Bundesrat anerkennt, dass die Forschung zu diesen Fragen nicht abgeschlossen ist und dass gewisse Unsicherheiten bestehen, insbesondere bezüglich möglicher Langzeiteffekte. Dennoch ist der Bundesrat der Meinung, dass ein Verkaufsverbot von Mobiltelefonen für Kinder aufgrund des Vorsorgeprinzips unverhältnismässig ist und sich nicht rechtfertigen liesse. Der Bundesrat ist allerdings der Ansicht, dass angemessene Vorsorgemassnahmen sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene
zu treffen sind. Auf nationaler Ebene stehen die Information sowie die Forschung im Vordergrund. So wird die Forschung zu Gesundheitsrisiken — auch bei Kindern — gefördert (z. B. durch das nationale Forschungsprogramm NFP 57 «Nichtionisierende Strahlung — Umwelt und Gesundheit» sowie die vom Bundesamt für Gesundheit unterstützte internationale Studie zum Hirntumorrisiko bei Kindern als Folge von Handystrahlung). Auf internationaler Ebene steht die Aufnahme von Vorsorgemassnahmen (wie Strahlungsdeklaration, zusätzliche Verbraucherinformationen) in die internationalen Produktenormen zur Diskussion.
Im Übrigen liegt es vor allem in der Eigenverantwortung der Erziehungsberechtigten und kann nicht Sache des Staates sein, die Nutzung des Handys durch die Kinder zu regeln. Der Bundesrat lehnt vor dem Hintergrund dieser Argumente die Motion ab.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Felix Gutzwiller, Ständerat FDP,
Ausverkauf des eidgenössischen Arztdiploms?
Kanton ZH, reichte am
26.5.2008 folgende Interpellation ein:
kannt wird, sofern die Gleichwertigkeit mit damit in der Schweiz eine selbstständige Tätigdem eidgenössischen Diplom in einem Ver- keit aufnehmen. Heute erfüllen mehrere Hun-
trag mit dem betreffenden Staat vorgesehen dert Ärzte diese Bedingungen. Es gibt kein
1. Welche gesundheitspolitischen Ziele wer- ist. Ein solcher Staatsvertrag existiert nur mit vergleichbares Land, in dem ein eidgenössisch
den mit dieser einseitig grosszügigen Pra- der EU. Bei Inhabern eines Nicht-EU-Diploms diplomierter Arzt dieselbe Vorzugsbehand-
xis der MEBEKO verfolgt? Steht sie im Ein- entscheidet die MEBEKO, unter welchen Vor- lung erhält. Die einseitige Zulassung auslän-
klang mit der in Artikel 1 MedBG statuierten aussetzungen das eidgenössische Diplom er- discher Ärzte stellt eine Diskriminierung der
Qualitätsförderung ärztlicher Aus- und Wei- worben werden kann. Bisher musste in jedem Schweizer Ärzte dar, wenn die Schweiz für ihre
terbildung sowie Berufsausübung?
Fall die «besondere Fachprüfung» bestanden Bürger kein Gegenrecht verlangt.
2. Mit welchen Ländern plant der Bundesrat werden. Die MEBEKO erteilt das eidgenössi- Durch die Praxis der MEBEKO fördert die
Gegenrechtsvereinbarungen abzuschliessen, sche Diplom neu prüfungsfrei, wenn folgende Schweiz den Brain-Drain, da mit der vollstän-
damit die Diskriminierung der Schweizer Bedingungen erfüllt sind:
digen Zulassung kein Anreiz besteht, nach
Ärztinnen und Ärzte beseitigt werden kann? ■ Äquivalenzausweis FMH
der Weiterbildung ins Heimatland zurück-
3. Welche Massnahmen trifft er, damit kein ■ 5 Jahre klinische Tätigkeit in der Schweiz zukehren.
Diplomtourismus stattfindet?
■ Bei fehlender Facharztprüfung: Fortbil- Mit der Praxis der MEBEKO wird der Wert
dungsnachweis.
des eidgenössischen Arztdiploms reduziert.
Begründung
Ärzte, welche ein qualitativ minderwertiges
Das eidgenössische Arztdiplom ist seit 1877 Dieser prüfungsfreie Erwerb des eidgenös- Medizinstudium absolvieren, erhalten nach
ein Qualitätsausweis, dessen Erwerb bis zur sischen Arztdiploms führt automatisch zur 5-jähriger Tätigkeit in der Schweiz das gleiche
Inkraftsetzung des MedBG Schweizer Bürgern Erteilung des eidgenössischen Weiterbil- Diplom prüfungsfrei. Die Praxis lädt zum
vorbehalten war. Artikel 15 Absatz 1 MedBG dungstitels und der Berufsausübungsbewilli- Erwerb eines «billigen» Arztdiploms im Aus-
sieht vor, dass ein ausländisches Diplom aner- gung. Ärzte aus Nicht-EU-Staaten können land ein.
ARS MEDICI 14 ■ 2008 601