Transkript
STUDIE REFERIERT
Häufige nächtliche Hämodialyse besser?
Kardiovaskuläre Surrogatmarker, Knochenerkrankung und Lebensqualität werden günstig beeinflusst
Bei terminaler Niereninsuffizienz
leistet die Hämodialyse viel,
Morbidität und Mortalität bleiben
jedoch deutlich erhöht. Kann eine
Änderung bei der Verabreichung der
Hämodialyse bessere Resultate
bringen? Eine kleine randomisierte
Studie sieht Vorteile für häufigere
nächtliche Hämodialysen.
JAMA
Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, die mit Dialyse behandelt werden, haben hohe jährliche Mortalitätsraten. Mehrheitlich ist dann eine kardiovaskuläre Erkrankung die Todesursache. Dies könnte an einer Häufung kardiovaskulärer Risikofaktoren vor und nach Beginn der Dialyse liegen, aber auch mit Volumenüberlastung, Hyperphosphatämie, chronischer Entzündung und anderen urämieassoziierten Faktoren zusammenhängen. Diese Faktoren könnten die linksventrikuläre Struktur und Funktion weiter beeinträchtigen und das Voranschreiten der vaskulären Erkrankung fördern. Beobachtungen aus Fallkontroll- und Kohortenstudien haben den Schluss nahegelegt, dass ein Wechsel zu häufigen nächtlichen Hämodialysen verschiedene Verlaufsparameter bei dialysebedürftigen Patienten günstig beeinflussen kann. Da Beobachtungsstudien oft
durch spätere randomisierte kontrollierte Studien (randomised controlled trial, RCT) widerlegt werden, wollte diese Untersuchung diese Frage in einem RCT klären.
Methodik Die Patienten stammten von zehn Hämodialysestationen an zwei kanadischen Universitätsspitälern. Alle erhielten in verschiedenen Anordnungen (auf der Station passiv oder in «Self-care» oder als konventionelle Heimdialyse) dreimal pro Woche eine Blutwäsche und zeigten Interesse an einem Wechsel zu nächtlichen Hämodialysen. Das Studienprotokoll sah zwei Behandlungsgruppen vor, zu denen die Teilnehmenden randomisiert wurden: entweder die häufigere nächtliche Hämodialyse (6-mal/Woche) oder die konventionelle Hämodialyse (3-mal/Woche). Der im Detail beschriebene ausgeklügelte Randomisierungsprozess sollte auch bei unterschiedlichen Dropout-Raten vergleichbare Kollektive sicherstellen. Die zur intensivierten Hämodialyse randomisierten Patienten erhielten während zwei bis sechs Wochen ein Training im Dialysezentrum, woran sich die nächtliche Hämodialyse zu Hause anschloss. Primärer Studienendpunkt war die Änderung der linksventrikulären Masse über die sechsmonatige Studiendauer. Vorbestimmte sekundäre Endpunkte umfassten Fragen zur Lebensqualität, Veränderung des vor der Dialyse gemessenen systolischen Blutdrucks, des Verhältnisses von Erythropoetin zu Hämatokrit sowie des Kalzium-Phosphat-Produkts. Die Messung der Masse des linken Ventrikels erfolgte mittels kardialer Magnet-
resonanz, die dank, im Vergleich zur Echokardiografie, grösserer Präzision eine kleinere Teilnehmerzahl ermöglichte.
Merksätze
■ Neuere Beobachtungsstudien deuten daraufhin, dass die nächtliche Hämodialyse einige Verlaufsparameter bei terminaler Niereninsuffizienz besser beeinflussen kann.
■ Eine randomisierte Studie hat die intensivierte nächtliche Hämodialyse (6-mal pro Woche) mit der konventionellen Hämodialyse (3-mal/Woche) verglichen und fand unter der häufigeren Verabreichung eine verbesserte linksventrikuläre Masse, einen reduzierten Bedarf an blutdrucksenkenden Medikamenten sowie bessere Werte für den Knochenmetabolismus und für einige Aspekte der Lebensqualität.
■ Die Intensivierung der nächtlichen Hämodialyse hatte jedoch keinen Einfluss auf die Anämie.
Ergebnisse 69 Patienten hatten Interesse an nächtlichen Hämodialysen angegeben, 17 erfüllten jedoch die Aufnahmekriterien nicht. Die verbliebenen 52 Patienten wurden randomisiert, nach einem weiteren Ausschluss blieben 26 Patienten in der Gruppe mit nächtlicher und 25 in der Gruppe mit konventioneller Hämodialyse. Die häufige nächtliche Hämodialyse verbesserte den primären Endpunkt signifikant: Die Differenz in der linksventrikulären Masse betrug 13,5 Gramm (95%Konfidenzintervall 1,0–29,6 g; p=0,04). Auf die Gesamtlebensqualität hatte die intensivierte Therapie keinen signifikanten Einfluss, in ausgewählten nierenspezifischen Aspekten ergaben sich jedoch statistisch signifikante Verbesserungen. Die häufige nächtliche Hämodialyse war mit Verbesserungen beim systolischen Blutdruck (p = 0,01 adjustiert) und beim
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Mineralstoffwechsel assoziiert, sodass in dieser Gruppe mehr Patienten die Antihypertensiva (16/26 vs. 3/25) und Phosphatbinder (19/26 vs. 3/25) absetzen konnten. Auf die Anämie hatte die häufige nächtliche Hämodialyse keinen Einfluss.
Diskussion Diese Studie kommt zum Schluss, dass die häufige nächtliche Hämodialyse im Vergleich zur konventionellen, seltener durchgeführten Hämodialyse einen günstigen Einfluss auf wichtige kardiale Aspekte (linksventrikuläre Masse, systolischer Blutdruck) hat, die als Surrogatendpunkte für kardiovaskuläre Ereignisse dienen können. Trotz weiter Konfidenzintervalle war die Feststellung, dass die häufige nächtliche Hämodialyse zu
einer Regression der linksventrikulären Masse führt, auch nach Berücksichtigung der basalen Ventrikelmasse sowie der Blutdrücke statistisch signifikant. Diese Studie liefert nach Einschätzung ihrer Autoren neue Informationen, sollte jedoch im Rahmen ihrer Einschränkungen interpretiert werden. So war die Teilnehmerzahl doch sehr klein. Dank der kardialen Magnetresonanz besass sie die Power zur Beurteilung von Änderungen der Ventrikelmasse, zeigte aber keine Beeinflussung hinsichtlich signifikanter Auswirkungen auf die Lebensqualität oder Nebenwirkungen wie Hospitalisationen oder Komplikationen mit Gefässzugang. Die Ergebnisse können auch nicht ohne Weiteres auf andere Patientenkollektive
übertragen werden. Hier wurden mit der
«Self-Care»- oder Heimdialyse Vertraute
und im Mittel schon seit über fünf Jahren
unter Dialyse stehende Patienten behan-
delt. Die beobachteten Effekte gehen
nach Ansicht der Autoren auf den grossen
Unterschied der wöchentlichen Dialyse-
dauer (30–48h mit nächtlicher Hämo-
dialyse, 101/2–131/2 h mit konventioneller
Hämodialyse) zurück.
■
Bruce F. Culleton et al. (Department of Medicine, University of Calgary, Alberta/CAN): Effect of frequent nocturnal hemodialysis vs conventional hemodialysis on left ventricular mass and quality of life. JAMA 2007; 298: 1291—1299.
Interessenlage: keine finanziellen Interessenkonflikte deklariert.
Halid Bas
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