Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Felix Gutzwiller der Sozial- und Präventivmediziner alimentiert Felix Gutzwiller den Ständerat mit guten Ideen für Vorstösse im Bereich der sich krakenhaft ausbreitenden Präventivmedizin und Gesundheitsförderung. Zum Dank dafür versorgt Felix Gutzwiller der Politiker, Felix Gutzwiller den Gesundheitsförderer mit immer neuen Aktionen zur Gesunderhaltung der Leute und zu deren Schutz vor sich selber. So wäscht eine Hand sich selber. Und so besteht Gewähr, dass die Auftragsbücher der gutmenschelnden «Personenschützer» auf Jahre hinaus gefüllt bleiben. Bezahlen tuns – ungefragt – die ungefragt Beschützten. Ein System von überragender Effizienz – im Dienst der Erhaltung dieses Systems.
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Dieses zeitfressende Ungeheuer namens Internet! Ein simpler Suchbegriff bei Google eingeben und man ist für eine Stunde beschäftigt. Um herauszufinden, obs nun «stigelisinnig» oder «stifelisinnig» heisst, benötigt man zwar kaum mehr als 20 Sekunden (es gibt beides, wie fast immer bei Dialektausdrücken), die restlichen 59 Minuten und 40 Sekunden frisst das World Wide Web. Es führte den willfährigen User direkt auf ein altes EnglischForum, wo eine Translaterin Hilfe erflehte für die Übersetzung von Begriffen aus einem mit Helvetismen angereicherten Text. Darunter eben «stigelisinnig», des weiteren aber auch «Gfröörlig», Tausendguldenkraut, «Karusselweib», «Stündeler», Nüsslisalat oder «Gschpönli» u.a. Wenn Sie sich des Englischen kundig glauben, dann übersetzen Sie mal schön! Und surfen Sie dann weiter. See you in two hours!
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Wofür Englisch-Foren so alles herhalten müssen. Fragt die Mutter einer Tochter, die sich Ratten hält: «I cannot use my tele-
phone because of my daughters rats. Ok I love my daughter, and her rats, but yesterday one of them chewed the telephone cable, and now I cannot use the telephone. Does anyone know how to stop them chewing the cables? Also a few weeks ago they chewed the TV cable in the bedroom, but luckily not all the way through, and my husband managed to fix it (with a good few electric shocks along the way). Anyone please help …» Und das war die originellste Antwort:
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Sich gegenseitig oder einseitig wegen jedem Klacks anzuzeigen, kommt immer mehr in Mode. Ein Redaktor der Aargauer Zeitung zeigt Heini Meier, den greiselnden, aber standhaft eingebildeten Hundecoach aus «Leben live» (TV-Sendung, Sie haben nichts verpasst, wenn Sie sie noch nie gesehen haben) wegen Tierquälerei an, dieser den Redaktor wegen übler Nachrede. Der Thuner SP-Grossrat Patric Bhend klagt gegen unbekannt, die Gemeinde Köniz gegen die SBB, beide wegen angeblich verbotener Werbung für Raucherwaren. Ein Schaffhauser Kantonsrat klagt gegen die Schweizer SVP wegen Nötigung. Und Nachbar K. klagt gegen den einen Nachbarn wegen überhängender Äste, gegen den anderen wegen eines Gockels mit Durchschlafstörungen. Sie mögen ja alle recht haben, die Kläger, und doch: sie alle sind ein Übel unserer Gesellschaft.
Wer die Juristen über Hundegebell und störende Werbung entscheiden lassen will, muss sich nicht wundern, wenn die Juristen am Ende bestimmen, was wir wo und wann zu welchem Preis und unter welchen Bedingungen essen
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Die «Aktion lebendiges Deutsch» in Hamburg unternimmt den lobenswerten (wenn auch völlig aussichtslosen) Versuch, einen Teil der Anglizismen in unserer Sprache einzudeutschen. Das sieht dann so aus: Für das aktuelle «Public Viewing» landete man bei «Schau-Arena». Fürs «chatten» im Internet schlagen die Fachleute «netzplaudern» vor (Frage: Wie konjugiert man das? Ich plaudere netz oder du netzplauderst?). Für «Anti-Aging» fand sich keine deutsche Alternative. Die Jury schloss sich damit indirekt der Meinung an: «Was da stattfindet, ist nichts, was einer Benennung bedarf, in welcher Sprache auch immer.» Unter den nicht berücksichtigten Vorschlägen waren: «Runzelblocker» und «Faltenbügler». Für den «Blackout» hingegen fand sich eine deutsche Entsprechung: der «Aussetzer». Nicht mehrheitsfähig waren Übersetzungen wie «Abschalter», «Zündstörung», «Synapsenschaden», «Oberstübchenblockade», «Schlappschuss», «Politikersyndrom», «Denkloch», «Denksperre» oder «Denkblockade» oder etwas härter «Hirnblock», «Hirnleere», «Hirnriss» und «Filmriss»
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Last, not least: Wer Pay-TV guckt (egal ob EURO 08, Teleclub oder einen Erotikkanal) nutzt einen «Zahlkanal». Die nicht berücksichtigten Vorschläge haben allerdings deutlich mehr Unterhaltungswert: «Geldröhre», «Zasterglotze», «Schröpfkanal».
Richard Altorfer
ARS MEDICI 12 ■ 2008 501