Transkript
INTERVIEW
Wie sieht heute die Standardtherapie der Rosazea aus?
Der 2. Teil des Gesprächs mit dem Tübinger Dermatologen Professor Martin Schaller
Mit einer professionellen Therapie kann man vielen Rosazeapatienten sehr wirkungsvoll helfen. Für Verunsicherung sorgt allerdings immer wieder die Frage, welche Medikamente eigentlich zu einer guten Therapie gehören, zumal es im deutschsprachigen Raum bei dieser häufigen Hauterkrankung noch keine offiziellen Therapieleitlinien gibt, an denen man sich orientieren könnte. Im zweiten Teil unseres Interviews befragten wir den Dermatologen Martin Schaller, welche Medikamente heute bei der Rosazea als Standardtherapie zu empfehlen sind und welches die häufigsten Behandlungsfehler sind.
Therapie der Rosazea gibt und bei dieser Hauterkrankung auch immer noch sehr unterschiedliche Therapieansätze verbreitet sind. Allerdings haben sich mittlerweile in vielen dermatologischen Zentren relativ ähnliche Standardtherapien herausgebildet. Beim erythematösen und papulopustulösen Subtyp ist zum Beispiel die Kombination aus lokalem Metronidazol und systemischem Doxycyclin ein weitverbreiteter Standard. Innerhalb weniger Wochen sollte es damit zur vollständigen Abheilung der Pusteln kommen oder zumindest zu einer deutlichen Besserung. In leichten Fällen wird mancherorts auch auf die systemische Antibiotikagabe verzichtet und nur lokales Metronidazol eingesetzt. Wird Metronidazol nicht vertragen, was durchaus einmal möglich ist, bietet sich Azelainsäure als gleich wirksame Alternative an. Der Nachteil ist allerdings, dass Azelainsäure die Haut stärker reizt als Metronidazol, weshalb Azelainsäure in den meisten Zentren nicht die erste Wahl darstellt. Zwar gibt es Untersuchungen, denen zufolge Azelainsäure etwas besser wirksam sein soll als Metronidazol, allerdings dürften diese Vorteile am ehesten studientechnisch bedingt sein, zumal sich die bessere Wirksamkeit nur bei der Auswertung durch die beteiligten Studienärzte fand, während die Einschätzung durch die behandelten Patienten keine Unterschiede aufwies.
ARS MEDICI: Herr Professor Schaller, wie hoch sind die Behandlungserfolge bei der Rosazea unter einer professionellen Therapie? Schaller: Die Erfolgschancen hängen bei der Rosazea in erster Linie vom jeweiligen Subtyp ab. Bei der papulopustulösen und der glandulär-hyperplastischen Form lassen sich beispielsweise mit einer optimalen Therapie in rund 90 Prozent sehr gute Erfolge erzielen. Etwas schwieriger ist dagegen die Behandlung des erythematösen Subtyps, dessen Hautrötungen sich lediglich bei 60 bis 80 Prozent der Betroffenen zufriedenstellend therapieren lassen. Keinen Einfluss auf den Erfolg haben dabei Faktoren wie zum Beispiel Alter oder Geschlecht.
ARS MEDICI: Wie sieht die Standardtherapie bei der Rosazea aus? Schaller: Grundsätzlich muss betont werden, dass es im deutschsprachigen Raum keine verbindlichen Leitlinien zur
Nach Triggerfaktoren suchen!
Um optimale Therapieerfolge zu erreichen, ist bei der Rosazea nicht nur auf eine professionelle medikamentöse Therapie zu achten. Hilfreich kann auch die Vermeidung von Triggern sein, die zum Aufblühen der Haut führen und oft bei einer Rosazea anzutreffen sind. Häufige Trigger sind zum Beispiel Sonnenlicht, emotionaler Stress, heisse Getränke, scharfe Speisen, minimale Mengen Alkohol oder Temperaturunterschiede etwa beim Hereinkommen aus der Kälte in die warme Wohnung. Stellt sich bei einem Betroffenen zum Beispiel Sonnenstrahlung als Trigger heraus, kann ein konsequenter Schutz mit Sonnencremes überaus sinnvoll sein, bei denen je nach Experte ein Lichtschutzfaktor von 15 oder höher empfohlen wird.
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Keine Rolle spielt es, ob man Metronidazol als Gel, Lotion oder Creme anwendet. Alle drei Applikationsformen sind gleich wirksam, wie sich in Untersuchungen gezeigt hat. Am besten orientiert man sich am jeweiligen Patientenwunsch. Beginnen kann man beispielsweise mit der Gelform, und wenn das Betroffenen zu trocken ist beziehungsweise wenn etwas Fettigeres gewünscht wird, wechselt man eben auf eine Creme. Sinnvoll ist, dass Metronidazol im Gegensatz zum systemischen Doxycyclin nicht nur über einen kurzen Zeitraum zum Einsatz kommt, sondern zur Rezidivprophylaxe dauerhaft über Jahre eingesetzt werden kann.
Professor Dr. med. Martin Schaller ist leitender Oberarzt der Universitäts-Hautklinik Tübingen.
ARS MEDICI: Wie sollte Doxycyclin dosiert werden? Schaller: Für Doxycyclin ist eine Dosierung von 2 × 50 mg pro Tag über drei Monate zu empfehlen. Liegt ausserdem eine Augenbeteiligung vor, wird von ophthalmologischer Seite sogar ein halbes Jahr empfohlen. Früher hat man statt Doxycyclin auch gerne Minocyclin gegeben, das aber wegen verschiedener seltener Nebenwirkungen wie etwa einer Hepatitis oder einer Lupusauslösung heute von vielen Experten bei der Rosazea nicht mehr verschrieben wird. Nicht vergessen sollte man, dass unter Doxycyclin die Gefahr einer phototoxischen Dermatitis höher ist als unter Minocyclin und deshalb während der Therapie konsequent Sonnencremes mit einem Lichtschutzfilter ab 15 zu verwenden sind. Ausserdem empfiehlt es sich, unter Doxycyclin alle vier bis acht Wochen die Leberwerte und das Blutbild zu kontrollieren. Wenn Tetrazykline nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind, können Makrolidantibiotika eine Alternative darstellen, die allerdings wegen der etwas schlechteren Verträglichkeit im Falle von Erythromycin beziehungsweise der höheren Kosten der Nachfolgepräparate nicht als erste Wahl anzusehen sind.
ARS MEDICI: Was ist zu empfehlen, wenn sich die Hautrötungen unter der Therapie nicht zufriedenstellend bessern? Schaller: Die Erytheme sind bei der Rosazea oft schwierig zu behandeln. Wichtig ist, dass man Metronidazol, das gegen die Hautrötungen von allen etablierten Medikamenten wahrscheinlich am besten hilft, über einen sehr langen Zeitraum anwendet, da die Wirkung oft über Monate weiter zunimmt. Darüber hinaus lassen sich mit Lasertherapien gute Erfolge erzielen, bei denen kleine Blutgefässe verödet werden und dadurch die übermässige Durchblutung der Haut abnimmt. Sehr gut können mit Laser auch grössere Teleangiektasien behandelt werden, die von Patienten teilweise als störend empfunden werden und bei der erythematösen Form häufig anzutreffen sind. Wenig überzeugend ist die Datenlage dagegen für die systemische Gabe von Betablockern, Clonidin oder auch Spironolacton. Zwar werden in der Literatur für diese Medikamente einzelne Erfolge beschrieben, für eine pauschale Empfehlung reicht die Datenlage allerdings nicht aus, zumal die Wirkstoffe teilweise auch erhebliche Nebenwirkungen haben können. Interessant ist ausserdem ein innovativer Therapieansatz mit Oxymetazolin, das normalerweise als Nasenspray in der Schnupfenbehandlung zur Gefässkonstriktion beziehungsweise Abschwellung der Nasenschleimhäute zum Einsatz kommt. Erste publizierte Fallberichte zeigen, dass ein tägliches Aufsprühen von Oxymetazolin zu einer Reduktion der Erytheme führen kann. Ein Gewöhnungseffekt oder Privinismus scheint dabei nicht aufzutreten. Auch nach langfristiger Anwendung über mehrere Monate zeigte sich kein Nachlassen der Wirksamkeit. Betont werden sollte allerdings, dass es sich bei diesem Therapieansatz nicht um eine zugelassene
ARS MEDICI: Wie sollte Metronidazol angewendet werden? Schaller: Zu empfehlen ist 0,75-prozentiges Metronidazol, das einmal täglich aufgetragen wird und sich in Studien genauso wirksam erwiesen hat wie 1-prozentige Präparate. Eine zweimal tägliche Anwendung hat in Studien keine Vorteile gebracht und ist daher nicht notwendig.
Abbildung 1: Papulopustulöse Rosazea vor der Therapie
Abbildung 2: Papulopustulöse Rosazea nach 3 Monaten Behandlung mit Isotretinoin
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Fazit für die Praxis
■ Bei der papulopustulösen Rosazea sind nach Experteneinschätzung in rund 90 Prozent der Fälle sehr gute Therapieerfolge möglich. Etwas schwieriger kann dagegen die Behandlung des erythematösen Subtyps sein.
■ Als Standardtherapie kommt beim erythematösen und papulopustulösen Subtyp in vielen dermatologischen Zentren die Kombination aus lokalem Metronidazol und systemischem Doxycyclin zum Einsatz.
■ Eine Alternative zu Metronidazol ist Azelainsäure.
■ Bei mangelndem Ansprechen kommt für die papulopustulöse Form statt Doxycyclin auch das Aknemittel Isotretinoin infrage, das bei der glandulär-hyperplastischen Rosazea vielerorts die erste Wahl darstellt.
■ Gegen Erytheme können zudem Lasertherapien sinnvoll sein, mit denen sich oftmals gute Erfolge erzielen lassen.
■ Wichtig ist neben der Medikamentengabe auch die individuelle Suche nach Triggerfaktoren. Stellt sich zum Beispiel Sonnenlicht als Auslöser heraus, können Sonnencremes mit einem hohen Lichtschutzfaktor immer wieder deutliche Verbesserungen bewirken.
■ Einer der häufigsten Fehler bei der Rosazeatherapie ist die Gabe von lokalen Steroiden, die bei den meisten Rosazeaformen als kontraindiziert gelten. Eine Ausnahme ist zum Beispiel die Rosazea fulminans, bei der Cortison über kurze Zeit sinnvoll sein kann.
■ Verbreitet ist auch der Fehler, dass nicht nach einer Augenbeteiligung gefahndet wird, für die oft zusätzliche Therapiemöglichkeiten von augenärztlicher Seite bestehen.
Behandlung handelt und es für eine generelle Empfehlung noch zu früh ist.
Ausserdem darf wegen der Gefahr von Hirndruckerhöhungen keine gleichzeitige Gabe von Tetrazyklinen erfolgen.
ARS MEDICI: Wie sieht die Standardtherapie bei der glandulär-hyperplastischen Rosazea aus? Schaller: Bei der glandulär-hyperplastischen Rosazea, also wenn Talkdrüsenwucherungen vorhanden sind, ist für die systemische Therapie statt Doxycyclin orales Isotretinoin zu bevorzugen, das ähnlich wie beim papulopustulösen Subtyp jeden zweiten Tag in einer niedrigen Dosierung von 10 mg gegeben wird. Darüber hinaus sind chirurgische Therapien zu empfehlen, bei denen zum Beispiel mit einem Einmalrasierer oder durch Abschleifen sehr gute Ergebnisse möglich sind.
ARS MEDICI: Welche Rolle spielt Benzoylperoxid bei der Rosazeatherapie? Schaller: Bei der Rosazea sind gute Erfolge für die Lokaltherapie mit Benzoylperoxid 5 Prozent in Kombination mit Erythromycin 3 Prozent beschrieben. Da die Wirksamkeit jedoch nur gleich gut ist wie unter Metronidazol und Benzoylperoxid die Haut stärker reizt sowie die Kleidung verfärbt, bietet dieser Ansatz keine Vorteile gegenüber der Metronidazolgabe.
ARS MEDICI: In letzter Zeit wurde bei Doxycyclin auch über eine Niedrig-Dosis-Variante als Alternative diskutiert. Schaller: Bei diesem Ansatz kamen für Doxycyclin 2 × 20 mg/Tag statt 2 × 50 mg/Tag zum Einsatz. Allerdings werden die Ergebnisse von vielen Experten als wenig überzeugend eingeschätzt. Nur bei 30 beziehungsweise 15 Prozent der Rosazeapatienten kam es in plazebokontrollierten Untersuchungen nach mehrwöchiger Behandlung zu einer vollständigen oder fast vollständigen Abheilung. Zum Vergleich: Unter Isotretinoin ist im gleichen Zeitraum erfahrungsgemäss bei 90 Prozent der Betroffenen eine Abheilung zu erwarten. Nicht zu vergessen, dass die niedrig dosierten Doxycyclinpräparate teilweise um ein Vielfaches teurer sind als die bislang üblichen Dosierungen.
ARS MEDICI: Welche Therapiealternative kommt beim papulopustulösen Subtyp infrage? Schaller: Bei der papulopustulösen Rosazea kann bei mangelndem Ansprechen zusätzlich zur Metronidazolanwendung statt Doxycyclin das Aknemittel Isotretinoin zum Einsatz kommen, das für diese Indikation zwar keine Zulassung hat, aber sehr gut gegen Papeln und Pusteln wirkt. Erytheme sprechen dagegen nur sehr mässig an. Zu empfehlen ist für Isotretinoin die Einnahme einer niedrigen Dosierung von 10 mg alle zwei Tage. Aufgrund der Nebenwirkungen sollte die Indikation für Isotretinoin bei Frauen im gebärfähigen Alter allerdings kritisch gestellt werden. Bei ihnen muss wegen der potenziell fruchtschädigenden Wirkung zum Beispiel vor Therapiebeginn eine Schwangerschaft sicher ausgeschlossen werden und während der Behandlung eine zuverlässige Kontrazeption erfolgen. Zudem sollten Leberwerte und Blutfette kontrolliert werden.
ARS MEDICI: Welche Erfolge sind mit Schwefelpräparaten möglich? Schaller: Für Schwefelpräparate gibt es immer wieder positive Einzelberichte. Teilweise schwören auch noch einige ältere Dermatologen darauf, während dieser Ansatz unter jüngeren Kollegen kaum noch verbreitet ist. Da gute kontrollierte Studien zur Therapie mit Schwefelpräparaten eher Mangelware sind, sind dazu keine allgemein gültigen Empfehlungen sinnvoll.
ARS MEDICI: Zeitweise wurde bei der Rosazea eine Helicobacter-Eradikation ähnlich der Ulkustherapie vorgeschlagen. Schaller: Dieser Ansatz kann ad acta gelegt werden. Der Zusammenhang zwischen Helicobacter pylori und Rosazea ist rein zufällig. Die Erfolge der Eradikation lassen sich damit erklären, dass zur Eradikation unter anderem Metronidazol verwendet wurde, das auch alleine gegen die Rosazea hilft.
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ARS MEDICI: Was ist der häufigste Fehler bei der Rosazeabehandlung? Schaller: Zu den häufigsten Fehlern der Rosazeatherapie gehört die Anwendung von lokalen Steroiden. Zwar können Cortisonpräparate das klinische Bild anfangs bessern, aber nach längerer Benutzung kann es zu einer Steroidrosazea kommen, bei der Papeln und Pusteln neben Hautatrophien und Teleangiektasien auftreten. Beim Absetzen der Steroidcremes kann es dann zum Rebound kommen, und die Rosazea verschlimmert sich. Glukokortikoide sind daher bei der Rosazea kontraindiziert. Eine Ausnahme ist die Rosacea fulminans, die eine Maximalvariante der Rosazea darstellt und eine Cortisongabe über wenige Wochen erforderlich machen kann. Der zweite ebenfalls häufige Fehler ist, dass nicht nach einer Augenbeteiligung gefragt wird und dann keine Überweisung zum Ophthalmologen erfolgt. Denn von augenärztlicher Seite existieren zusätzliche Therapiemöglichkeiten wie zum Beispiel die mechanische Reinigung der Augenlider, worauf nicht verzichtet werden sollte. Ausserdem lässt sich feststellen, ob die entzündlichen Prozesse das Auge gefährden.
da die Erkrankung das Selbstwertgefühl enorm beeinträchtigen kann. Schaller: Eine psychologische Unterstützung ist nur in seltenen Ausnahmefällen erforderlich. Denn die meisten Betroffenen lassen sich so gut therapieren, dass sie mit dem Behandlungsergebnis sehr zufrieden sind. Das Problem ist allerdings, dass viele Rosazeapatienten nicht optimal behandelt werden, was wahrscheinlich sogar bei der Mehrheit der Betroffenen der Fall sein dürfte. Viele erhalten beispielsweise nur topisches Erythromycin oder irgendwelche Lösungen, unter denen sich das klinische Bild nicht zufriedenstellend bessert. Ein häufiger Grund für die Unterversorgung wird wahrscheinlich die Angst vor Nebenwirkungen sein, die bei der Standardtherapie jedoch praktisch nicht zu beobachten sind.
Das Interview führte Karl Eberius E-Mail: K.Eberius@Medizinjournalist.com
Interessenkonflikte: keine deklariert
ARS MEDICI: Immer wieder wird gefordert, man solle Rosazeapatienten auch eine psychologische Betreuung anbieten,
Hinweis: Der erste Teil des Gesprächs zu Fragen der Rosazea-Diagnostik erschien in ARS MEDICI 9/2008, S. 376.
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