Transkript
FORTBILDUNG
Protonenpumpeninhibitoren: Wann ist die Langzeittherapie wichtig?
Die Indikationen für eine langfristige Behandlung mit den potenten Säurehemmern
Protonenpumpenhemmer bringen in der Regel eine
rasche Beeinflussung magensäureabhängiger Sym-
ptome, können aber bei H.-pylori-Infizierten eine
Eradikationstherapie nicht ersetzen. Auch bei lang-
fristiger Einnahme wird die Sicherheit heute als gut
betrachtet.
AUSTRALIAN PRESCRIBER
Protonenpumpenhemmer (PPI) unterdrücken sowohl die basale als auch die stimulierte Magensäuresekretion, weshalb die Einnahme vor dem Essen empfohlen wird. Im Allgemeinen genügt eine einmal tägliche Einnahme, da die Halbwertszeit der Restitution der Säuresekretion – je nach Wirkstoff – zwischen 15 und 46 Stunden liegt. Der antisekretorische Effekt der PPI nimmt innert der ersten wenigen Tage nach Beginn der oralen Behandlung zu. Zum Siegeszug der PPI beigetragen hat auch ihr günstiges pharmakologisches Profil: Es gibt nur wenig klinisch signifikante Interaktionen (zu nennen sind Phenytoin und Warfarin wegen Hemmung des Zytochrom-P-450-Systems), allerdings kann durch die Anhebung des Magen-pH die Aufnahme anderer Pharmaka (z.B. Chinolone, Ketoconazol) beeinflusst werden.
Alkohol, fettreiche Speisen) den Reflux verstärken und damit nicht nur die Symptome, sondern auch das Adenokarzinomrisiko beeinflussen. Mit PPI allein ist es nicht getan. Langzeitstudien zeigen, dass viele Patienten mit Dyspepsie und Refluxsymptomen eine Symptombesserung erfahren und mit der Zeit die Therapie absetzen. Zwar sind PPI in der Symptomlinderung den H2-Antagonisten überlegen, es gibt aber auch einen substanziellen Anteil an Patienten, dem mit Lifestyle-Interventionen sowie H2-Antagonisten oder PPI bei Bedarf eine ausreichende Symptomkontrolle gelingt. PPI sollten regelmässig bei einer Anamnese von Speiseröhrenstriktur verschrieben werden, da sie – anders als die H2-Antagonisten – das Risiko für ein Strikturrezidiv verringern können. Auch ältere Patienten brauchen eher eine anhaltende, regelmässige PPI-Behandlung, da bei ihnen die Wahrscheinlichkeit einer schweren Ösophagitis trotz geringerer unspezifischer Symptomatik grösser ist.
Barrett-Ösophagus Für alle Patienten mit dokumentiertem Barrett-Ösophagus wird heute eine Langzeit-PPI-Therapie empfohlen. obwohl erst noch bewiesen werden muss, dass dies das Risiko der Entwicklung eines Adenokarzinoms reduziert. Zurzeit läuft eine Langzeitstudie mit Acetylsalicylsäure und PPI zu dieser Fragestellung.
Merksätze
Indikationen Beim Langzeitmanagement von Patienten, die PPI einnehmen, muss die ursprüngliche Indikation gelegentlich überdacht werden, schreiben die australischen Autoren in ihrer knappen Übersicht für die Praxis. Anhaltende Symptome können eine weitergehende Diagnostik bedingen.
Gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD) Sie ist wahrscheinlich die häufigste Verschreibungsursache für PPI. Bei Patienten mit typischen Symptomen kann ein empirischer Behandlungsversuch mit einem PPI als erster Schritt gewählt werden. Bessern sich die Symptome, stützt dies die vermutete Diagnose. GERD-Patienten sollten immer daran erinnert werden, dass Risikofaktoren (Übergewicht, Rauchen,
■ Hauptindikation für eine Langzeittherapie mit Protonenpumpenhemmern (PPI) ist die Refluxkrankheit.
■ Für die Mehrheit der Betroffenen steht die Symptomkontrolle im Zentrum, die mit einer intermittierenden PPI-Behandlung erreicht werden kann.
■ Eine langfristige Erhaltungstherapie mit PPI hat eine eindeutige Rolle bei der Verhinderung NSAR-induzierter Ulzera und bei der Rezidivverhinderung von Speiseröhrenstrikturen.
■ Der Nutzen einer Langzeit-PPI-Therapie beim Barrett-Ösophagus sollte hinsichtlich Krankheitsverlauf und Verhütung von Adenokarzinomen noch besser untersucht werden.
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FORTBILDUNG
Magen- und Duodenalulzera Bei Patienten, die weder langfristig nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) noch Aspirin einnehmen, ist Helicobacter pylori die Hauptursache einer peptischen Ulkuserkrankung, und die Eradikation bewirkt eine Heilung. Bei dokumentiertem peptischem Ulkus und Hinweis auf H. pylori soll daher zunächst eine Eradikation mit Antibiotika vorgeschlagen werden und nicht eine Langzeit-PPI-Therapie. Patienten mit H.-pyloriInfektion, die langfristig NSAR einnehmen, haben ein sechsfach höheres Blutungsrisiko, bei alleiniger Helicobacterinfektion ohne NSAR ist es doppelt, bei NSAR ohne Helicobacterinfektion fünffach erhöht. Das Vorgehen zur Primärprävention von Ulzera und Blutungskomplikationen bei der Langzeittherapie mit NSAR oder Plättchenhemmern richtet sich nach den individuellen Umständen. Schwerwiegende NSAR-bedingte gastrointestinale Komplikationentreten treten pro Jahr bei etwa 1,5 Prozent der Patienten auf. Dieses Risiko ist vom NSAR-Typ abhängig, steigt aber auch bei gleichzeitiger Plättchenhemmung, zunehmendem Alter und anamnestischer Ulkusbelastung. Bei Patienten, die NSAR, Aspirin oder Clopidogrel benötigen, sollte eine gleichzeitige Behandlung mit einem PPI ins Auge gefasst werden.
Weitere PPI-Indikationen Der Stellenwert einer Langzeit-PPI-Behandlung für Symptomatik und Lebensqualität bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie ist fraglich. Die empirische Einnahme von PPI bei Patienten unter Kortikosteroiden ist nicht indiziert. Beim seltenen Zollinger-Ellison-Syndrom mit Ausschüttung von Gastrin aus einem Pankreastumor und schweren peptischen Ulzerationen können sehr hohe PPI-Dosen notwendig sein.
Sicherheit der PPI-Langzeittherapie PPI sind gut verträgliche Medikamente, die meisten Nebenwirkungen sind geringfügig und vorübergehend. Als häufige unerwünschte Wirkungen (bis 10% der Behandelten) werden Kopfschmerzen, Durchfall, gastrointestinales Unbehagen, Verstopfung und Flatulenz aufgeführt. Seltene, aber wichtige Nebenwirkungen sind akute interstitielle Nephritis, Hyponatriämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Pankreatitis und Stevens-Johnson-Syndrom. Es gibt Berichte über ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen und für Clostridum-difficileColitis bei Langzeiteinnahme von PPI.
Hypergastrinämie induziert werden, aber trotz ihrer Häufigkeit ist nur selten über eine Dysplasie berichtet worden, halten Sam Al-Sohaily und Mitautoren fest. Um das Risiko von Magenkrebs unter Langzeit-PPI-Behandlung, vor allem bei gleichzeitiger H.-pylori-Infektion, ist viel Aufhebens gemacht worden. Tatsächlich sieht man bei derartigen Patienten häufiger eine atrophische Gastritis, aber Belege für eine Häufung von Magenkarzinomen, die sich daraus ergeben sollen, gibt es nicht. Der Maastricht-Konsensus von 2006 hat den Bedenken Rechnung getragen mit der Empfehlung, dass bei Patienten mit atrophischer Gastritis eine HelicobacterEradikation erfolgen soll.
Enterische Infektionen Das Fehlen oder sehr geringfügige Konzentrationen von Magensäure erhöhen das Risiko für Darminfektionen. Fallkontrollstudien zum Darminfektionsrisiko unter Langzeit-PPITherapie, besonders auch bei älteren Patienten, haben keine schlüssigen Ergebnisse gebracht. Einige Studien sahen ein erhöhtes Infektionsrisiko, vor allem mit Campylobacter, andere konnten eine signifikante Erhöhung nicht bestätigen. Bei ambulant und im Krankenhaus erworbenen Clostridum-difficileInfekten scheint eine PPI-Behandlung ein Risikofaktor zu sein.
Malabsorption
PPI beeinflussen die Bioverfügbarkeit von Mineralien, etwa
Kalzium, klinisch ist dies aber nicht relevant. Eine einzige Fall-
kontrollstudie sah bei Langzeit-PPI-Therapie häufigere Hüft-
frakturen, berücksichtigte aber nicht eine Zöliakie als mögliche
Ursache.
Die Unterdrückung der Magensäure kann die Aufnahme von
Vitmin B12 hemmen, da dessen Lösung aus Eiweissen durch die Magensäure gefördert wird. Nach heutiger Datenlage
scheint dies jedoch nur bei sehr intensiver, langfristiger Säure-
inhibition, wie beim Zollinger-Ellison-Syndrom, auch zu einer
klinisch relevanten und überwachungsbedürftigen B12-Mangel-
versorgung zu führen.
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Sam Al-Sohaily et al.: Long-term management of patients taking proton pump inhibitors. Australian Prescriber 2008; 31: 5—7.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Halid Bas
Magenschleimhautatrophie und Karzinome Die Langzeittherapie mit PPI führt bei den meisten Patienten zu einer Hypergastrinämie. Die Gastrinkonzentration liegt gewöhnlich bei weniger als dem Vierfachen des oberen Normwerts und normalisiert sich nach Absetzen des PPI rasch. Höhere Konzentrationen können bei atrophischer Gastritis und H.-pylori-Infektion vorkommen. Vor allem bei solchen Patienten wird auch eine Hyperplasie von enterochromaffinähnlichen Zellen beobachtet, es gibt aber keine Berichte über Fälle von Dysplasie oder Karzinoidentwicklung. Auch Polypen im Bereich des Magenfundus können durch die fortgesetzte
440 ARS MEDICI 10 ■ 2008