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Titel
Die FMP sagt NEIN zum Gesundheitsartikel
Untertitel
Volksabstimmung vom 1. Juni 2008
Lead
Der zur Abstimmung vorgelegte Verfassungsartikel zur Gesundheits- politik «Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» soll bereits geltende Prinzipien der Krankenversicherung neu auf Verfassungsstufe festlegen. Ob und welche Veränderungen der Artikel tatsächlich bringen wird, darüber streiten sich Befürworter und Gegner. In diesem Artikel soll versucht werden, die Positionen der Befürworter und Gegner kurz darzustellen und zu begründen, weshalb der Vorstand der FMP einstimmig die Ablehnung dieses Artikels empfiehlt.
Datum
Autoren
-
Rubrik
BERUF - PRAXIS - POLITIK - GESELLSCHAFT — FMP
Schlagworte
-
Artikel-ID
13596
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OFFIZIELLES ORGAN FOEDERATIO MEDICORUM PRACTICORUM FOEDERATIO MEDICARUM PRACTICARUM
Die FMP sagt NEIN zum Gesundheitsartikel
Volksabstimmung vom 1. Juni 2008

Ausgangslage Die geltende Bundesverfassung (BV) regelt die Krankenversicherung eigentlich nicht: Der Bund erlässt Vorschriften über die Krankenversicherung (und die Unfallversicherung), und er kann diese allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären (Art. 117 BV). Der Verfassung fehlt für die Ausgestaltung der Krankenversicherung jeder Inhalt. Der Gesetzgeber ist dadurch frei die Krankenversicherung zu regeln – frei innerhalb der weiteren Prinzipien der Verfassung wie beispielsweise der Schutz der Menschenwürde, das Gleichbehandlungsgebot und den wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Geldern. 1996 ist das Krankenversicherungsgesetz (KVG) in Kraft getreten. Seither wird über dieses Gesetz im Parlament diskutiert und Revisionen werden geprüft. Den meisten von diesem Gesetz Betroffenen fehlt der Überblick. Die politischen Absichten aller Beteiligten (und vor allem der Lobbyisten) gehen weit auseinander. Einziger Trend, der sich ausmachen lässt, ist, dass die berufliche Freiheit der Ärzteschaft immer mehr eingeengt wird, die Kassen sich über ihre Parlamentarier mehr Macht zuschanzen und die Kantone ihre Kompetenzen weitgehend verlieren (oder aus Ohnmacht abgeben).
Meinung der Befürworter Die Befürworter des neuen Verfassungsartikels «Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» glau-

Der zur Abstimmung vorgelegte Verfassungsartikel zur Gesundheitspolitik «Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» soll bereits geltende Prinzipien der Krankenversicherung neu auf Verfassungsstufe festlegen. Ob und welche Veränderungen der Artikel tatsächlich bringen wird, darüber streiten sich Befürworter und Gegner. In diesem Artikel soll versucht werden, die Positionen der Befürworter und Gegner kurz darzustellen und zu begründen, weshalb der Vorstand der FMP einstimmig die Ablehnung dieses Artikels empfiehlt.

ben, der Artikel gebe der künftigen Entwicklung der Krankenversicherung Konzept und Richtung. Die Versicherungsleistungen würden dabei weder ausgeweitet noch eingeschränkt. Neu sei in der Verfassung festgehalten, dass nicht mehr Staat und hoheitliche Planung Platz greifen solle, sondern der Wettbewerb. Aber selbstverständlich hätten auch die staatlichen Regulierungen eine Existenzberechtigung, sie seien aber auf das Notwendige zu beschränken. Weitere Prinzipien seien Transparenz, Wettbewerb, hochstehende Qualität der Behandlung, aber auch Eigenverantwortung. Auch die Krankenversicherer würden auf den Wettbewerb verpflichtet. Das Versicherungsobligatorium bleibe

im bisherigen Umfang erhalten. Ausdrücklich werde die Wahlfreiheit unter den Krankenversicherern wie auch den Leistungserbringern gewährleistet. Die Frage der Vertragsfreiheit bleibe vom Wortlaut des Artikels her offen. Wieweit die Versicherer verpflichtet seien, mit allen oder nur einer Anzahl Leistungserbringern zusammenzuarbeiten, werde erst im Gesetz detailliert umschrieben. Auch die Finanzierung werde im Verfassungsartikel geregelt, gleich wie dies bereits heute geschehe (Kopfprämien, Kostenbeteiligungen, Prämienverbilligungen, Subventionen). Neu sei nur, dass die Kantone die Versicherer subventionieren und nicht mehr die Spitäler.

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OFFIZIELLES ORGAN

FOEDERATIO MEDICORUM PRACTICORUM FOEDERATIO MEDICARUM PRACTICARUM

Meinung der Gegner Gemäss Gegner dieses Artikels sollen wegen der Vertragsfreiheit zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern sowie der monistischen Finanzierung künftig die Versicherungen festlegen, wer zu welcher/m Ärztin/Arzt und in welches Spital gehen dürfe und welche Therapien noch bezahlt würden. Krankenversicherungen und Privatspitäler würden mit der vorliegenden Verfassungsänderung eine Machtverschiebung anstreben. Nicht mehr Bund und Kantone, sondern in erster Linie die privaten Krankenversicherungen werden künftig das Sagen im Gesundheitswesen haben. Drei Grundsätze würden bei einem Ja in der Verfassung verankert: ■ Aufhebung der freien Arzt- und Spi-
talwahl. Nicht mehr die Patientin oder der Patient, sondern die Versicherung legt mit entsprechenden Versicherungsprodukten fest, wer Zugang zu welchem Arzt und in welches Spital hat und wem welche Therapie bezahlt wird. Damit würde die Zweiklassenmedizin quasi auf Verfassungsstufe verankert. ■ Zweitens würden private Versicherungsunternehmen als Kassenwarte unserer Steuergelder tätig werden. 8 Milliarden Franken Steuergelder, die die Kantone heute für das Gesundheitswesen aufwenden, gingen an die Versicherungen. ■ Und drittens wäre die Folge dieser Vorlage weniger Leistungen zu höheren Kosten für die Versicherten, weil sich der Staat zurückziehen soll.
Gemäss Gegner der Vorlage seien die von den Befürwortern hochgehaltenen Prinzipien bereits im heute gültigen Gesetz verankert. Offensichtlich seien Behauptungen, man ändere nichts, reine Beschwichtigungsversuche. Auf alle drängenden Fragen im Gesundheitswesen wie Kampf gegen die hohen Kosten

(Medikamente, Überkapazitäten, teure Apparaturen usw.), die teilweise unsoziale Finanzierung, die Neuorganisation des ambulanten Bereichs, die Pflege und allgemein die Qualität gebe der neue Verfassungstext keine Antworten. Im Gegenteil: Durch neue Unklarheiten würden die Lösungen dieser Probleme nur verzögert.
Haltung der FMP Zusammengefasst kann man die Positionen der Befürworter und Gegner in zwei Sätze fassen: Gemäss Befürworter schreibt der neue Verfassungsartikel «Für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» lediglich fest, was im Wesentlichen mit den revidierten Gesetzesartikeln im KVG bereits heute gilt (bspw. neue Spitalfinanzierung). Die Gegner befürchten dagegen, dass eine massgebliche Kräfteverschiebung zugunsten der Krankenversicherer erfolgt. Unter diesen Voraussetzungen fällt die Entscheidung leicht. Die Chancen und Risiken der heutigen gesetzlichen Bestimmungen kennen wir. Gemäss Befürworter gewinnen wir nichts Wesentliches hinzu. Sollten die Gegner aber recht haben und sollte der neue Verfassungsartikel den Krankenversicherern die alleinige Macht geben, das Gesundheitswesen zu gestalten, so ist dieses Risiko inakzeptabel. Nicht aus Standesdünkel, weil wir glauben würden, dass es die Ärzte besser als die Versicherer könnten, sondern weil wir sicher wissen, dass es die Versicherer sicher nicht können. Mit diesem Verfassungsartikel kaufen wir uns nur Risiken ein und keine einzige Chance. Deshalb die klare Parole der FMP: «Nein zum neuen Verfassungsartikel für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung!»
Der Vorstand der FMP

Präsident Dr. med. Hans-Ulrich Bürke Altstetterstrasse 150 8048 Zürich Tel. 044-431 77 87
Vizepräsident Dr. méd. Guy Evequoz Rue du Mont 16 1958 St-Leonard Tél. 027-203 41 41
Quästor Dr. med. Thomas Zünd Bahnstrasse 16 Postfach 130 8603 Schwerzenbach Tel. 044-825 36 66
Vorstandsmitglied Dr. med. Rudolf Hohendahl Zürcherstrasse 65 8406 Winterthur Tel. 052-203 04 21
FMP im Internet: www.fmp-net.ch
La version française suivra dans le prochain numéro.
Fortbildungskongress der FMP mit GV
Donnerstag, 5. Juni 2008, im Technopark in Zürich
GASTREFERENT Fürsprecher Stefan Kaufmann,
Direktor santésuisse «Kosten, Tarife und Einkommen —
wie spielt das zusammen?»
***
WORKSHOPS «Das heisse Gelenk und seine
klinische Abklärung» Referent: PD Dr. Thomas Stoll, Chefarzt Rheumatologie und Rehabilitation, Kantonsspital
Schaffhausen
«Sekundäre Kopfschmerzen sicher erkennen»
Referent: PD Dr. Hans H. Jung, Neurologische Klinik,
Universitätsspital Zürich
Bitte vormerken!

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