Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Meinrado Robbiani, Nationalrat Partito popolare democratico svizzero (PPD), TI, reichte am 20.12.2007 folgende Motion ein:
Im Rahmen der Debatte über die Änderungen des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), die vor allem die Bestimmungen über die Arzneimittel betreffen, wurde insbesondere die heute gängige Praxis, die Arzneimittelpreise der Schweiz mit denen anderer europäischer Länder zu vergleichen, diskutiert. Als Refe-
Referenzländer für Arzneimittelpreise
renzländer werden zurzeit Deutschland, die Niederlande, Dänemark und Grossbritannien beigezogen, subsidiär auch Frankreich, Italien und Österreich. Dass letztgenannte Länder nur subsidiär in den Vergleich einbezogen werden, ist heute allerdings nicht mehr vertretbar – dies vor allem in Anbetracht der Einheitswährung, die dazu beigetragen hat, dass sich die Arzneimittelpreise in den verschiedenen Ländern grösstenteils angeglichen
haben. Deshalb fordere ich, dass in Zukunft alle Nachbarländer der Schweiz wie auch die Niederlande, Dänemark und Grossbritannien ohne hierarchische Unterscheidung als Referenzländer beigezogen werden. Dies würde zu einer weiteren Senkung der Arzneimittelpreise führen, die einen beträchtlichen Teil zu den hohen Gesundheitskosten und besonders zu den von der sozialen Krankenversicherung getragenen Kosten beitragen.
Aus der Antwort des Bundesrats vom 7.3.2008
Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die in der Schweiz geltende Preisgestaltung sinnvoll ist. Die Beurteilung eines Arzneimittels stützt sich einerseits auf den Vergleich im Inland mit ähnlichen Wirkstoffen und Anwendungen und orientiert sich andererseits am Preisgefüge in wirtschaftlich vergleichbaren Ländern. Diese Regelung wurde im Rahmen der laufenden KVG-Reform (Vorlage Managed Care, Teil 2 Medikamentenpreisbildung) nicht nur grundsätzlich bestätigt, sondern der Preisvergleich mit wirtschaftlich vergleichbaren Ländern soll ausdrücklich auf Gesetzesstufe verankert werden.
In der Krankenpflege-Leistungsverordnung werden heute die Länder Deutschland, Dänemark, Grossbritannien und Niederlande als primär wirtschaftlich vergleichbare Länder definiert. Dies deshalb, weil diese Länder Europa, auf dem Boden vergleichbarer Kaufkraft, breit abbilden und weil ein Vergleich der schweizerischen Fabrikabgabepreise mit den Arzneimittelpreisen in diesen Ländern möglich ist. Hinzu kommt, dass diese Länder wie die Schweiz ebenfalls über eine forschende Pharmaindustrie verfügen. Um die Nachbarländer der Schweiz nicht nur durch Deutschland vertreten zu wissen, werden in der KLV Frankreich, Österreich und Italien subsidiär als weitere Vergleichsländer definiert.
In der Praxis verzichtet das Bundesamt für Gesundheit lediglich bei generellen Preisüberprüfungen auf den Einbezug von Frankreich, Österreich und Italien. Bei der Aufnahme eines Arzneimittels in die Spezialitätenliste sowie bei der Überprüfung drei Jahre nach Aufnahme in die Spezialitätenliste und nach Patentablauf wird hingegen eine individuelle Preisprüfung unter Einbezug aller Nachbarländer durchgeführt, um so dem durchschnittlichen europäischen Preisniveau Rechnung zu tragen. Das Anliegen der Motion ist insoweit also erfüllt.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Josef Zisyadis, Nationalrat Parti Suisse du travail (PdS), VD, reichte am 20.3.2008 folgende Motion ein:
Der Bundesrat wird beauftragt, ein generelles Handy-Verbot für Kinder unter 14 Jahren in die Tat umzusetzen, um den unmittelbaren und künftigen Gefahren für ihre Gesundheit vorzubeugen.
Begründung Die Zahl der Kinder, die ein Handy benützen, hat enorm zugenommen. Im Jahr 2005 besassen in Deutschland 47 Prozent der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren ein Mobiltelefon. In
Handy-Verbot für Kinder
Grossbritannien erhält ein Kind im Durchschnitt mit 8 Jahren sein erstes «mobile phone» geschenkt. Gemäss der Eurobarometer-Umfrage von 2005 hatten in mehreren Ländern mehr Kinder ein Handy als Zugang zum Internet. Es geht hier um einen Markt, in dem beachtliche Gewinne erzielt werden, aber auch um einen Markt, der sich zwar auf die Kinder ausrichtet, dessen finanzielle Auswirkungen jedoch voll zulasten der Eltern gehen. Über die erheblichen gesundheitlichen Risiken, die der Handy-Gebrauch für Kinder mit sich bringt, gibt es schon sehr viele wissenschaftliche Studien. Offensichtlich reagieren Kinder besonders empfindlich auf die hoch-
frequente Strahlung der Mobiltelefone, da sich ihr Organismus noch in der Entwicklung befindet. Überdies kann der mit der Strahlung einhergehende Wärmeeffekt grössere Schädigungen bewirken, ja sogar Krebs auslösen. Da somit für eine ganze Generation eine grössere Gefährdung der Gesundheit nicht ausgeschlossen werden kann, rechtfertigen sich vorbeugende Massnahmen. Deshalb erscheint es angemessen, in der Schweiz als Schutz- und Vorsichtsmassnahme ein generelles Verbot der Herstellung und des Verkaufs von Handys für Kinder unter 14 Jahren zu erlassen und die Benützung von Handys durch diese Kinder zu untersagen.
368 ARS MEDICI 9 ■ 2008
Klärung von Artikel 33 des Heilmittelgesetzes
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats hatte am 13.9.2006 eine Motion eingereicht:
Der Bundesrat wird beauftragt, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden.
(Begründung und Stellungnahme des Bundesrats siehe ARS MEDICI 6/2007).
Aus den Verhandlungen des Nationalrats vom 5.3.2008
Jürg Stahl, SVP, ZH, sprach für die Kommission: Der Bundesrat wird mit dieser Motion beauftragt, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen
der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden können. Bei der Beratung des neuen Bundesgesetzes haben wir in Artikel 33 beschlossen, dass grundsätzlich das Versprechen und Annehmen geldwerter Vorteile für Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, verboten sind. Damit soll verhindert werden, dass Pharmaunternehmen im Bereich der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten Druck auf Ärzte und Spitäler ausüben können. In der Praxis sah das etwas anders aus. Bisherige Rabatt-
regelungen führten bei Grossabnehmern zu Problemen. Aufgrund dieser Problematik wurden zwei Standesinitiativen eingereicht, die dann — gekoppelt an die Motion des Ständerats — abgeschrieben wurden. Die Motion liegt uns nun vor. Der Ständerat hat die Motion angenommen. In unserer Kommission haben wir an der Sitzung vom 14. September 2007 einstimmig die Annahme der Motion beschlossen. Es zeigt sich, dass tatsächlich Umsetzungsprobleme vorhanden sind. Wir beauftragen den Bundesrat, hier Formulierungen und Lösungen zu finden.
Keine verschreibungspflichtigen Medikamente über den
Versandhandel
In Ausgabe 21/2006 hat ARS MEDICI die am 24.3.2006 eingereichte Parlamentarische Initiative von Anne-Catherine Menétrey-Savary und die Stellungnahme des Bundesrats vorgestellt.
Aus den Verhandlungen des Nationalrats vom 5.3.2008
Bea Heim (SP, SO) sprach für die Kommission: Diese Initiative hat sehr viel Post an die Adresse der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ausgelöst, und es ist uns ein Anliegen, hier den Entscheid der Kommission klärend zu vertreten. Die Initiative verlangt, den Versandhandel mit Arzneimitteln über eine Änderung des Heilmittelgesetzes wirksamer zu verbieten, die Ausnahmen im Gesetz zu präzisieren und die finanziellen Vorteile, die heute verschreibenden Ärzten zum Teil gewährt werden beziehungsweise die sie sich selbst gewähren, auszuschliessen. Die SGK (Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit) des Nationalrats beschloss am 25. Januar 2007 mit 15 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben; dies aus folgenden Überlegungen: Das Heilmittelgesetz verbietet grundsätzlich den Versandhandel mit Medikamenten, aber
die Kantone können unter bestimmten Bedingungen Bewilligungen erteilen. Diese Ausnahmen sollen der Situation Chronischkranker in abgelegenen Regionen der Schweiz Rechnung tragen. Seither hat nun der Versandhandel so stark zugenommen, dass er heute einen Marktanteil von rund 20 Prozent ausmacht. Es kommt hinzu, dass Ärzte mit der Verschreibung von Medikamenten beim Versandhandel zum Teil zu finanziellen Vorteilen kommen. Die Verschreibungsboni und -rabatte stehen im Widerspruch zu Artikel 33 des Heilmittelgesetzes, der geldwerte Vorteile für die Verschreibung und Abgabe von Medikamenten ausdrücklich verbietet. Wenn schon effiziente Vertriebskanäle Rabatte erlauben, müssen diese den Versicherten zugute kommen, hörte man in der Kommission. Weiter hat sich gezeigt, dass über die Vermittlerdienste, die ein Grossverteiler angeboten hat, das in einzelnen Kantonen geltende Verbot der Selbstdispensation unterlaufen werden kann. Schliesslich wurden gesundheitspolitische Argumente ins Feld geführt wie Anreize zur Mengenausweitung, Verhinderung der wirkstofforientierten Substitution von Originalpräpa-
raten mit Generika und eventuell mangelnde Beratung der Patientinnen und Patienten. Die SGK des Ständerats hat der Initiative allerdings keine Folge gegeben. Aber was nicht bestritten war, auch vom Ständerat nicht, ist, dass Handlungsbedarf besteht. Die SGK unseres Rats beantragt heute unserem Plenum, der Initiative Folge zu geben, damit eben die Thematik umfassender geprüft werden kann als mit der Motion des Ständerats, die nur besagten Artikel 33 geklärt haben will. Die SGK unseres Rats will zusätzlich auch Artikel 27 des Heilmittelgesetzes geklärt haben. Damit die Gesetzeskonformität insgesamt geprüft werden kann, müssen die gesundheitspolitischen Fragen der Mengenausweitung und der negativen Anreize betreffend den Einsatz von Generika, aber auch die Themen Arzneimittelsicherheit, Rabatte, finanzielle Boni und Rolle oder Möglichkeiten von Grossverteilern geprüft werden.
Abstimmung (namentlich) Für Folge geben: 79 Stimmen Dagegen: 90 Stimmen
ARS MEDICI 9 ■ 2008 369