Transkript
INTERVIEW
Rosazea — in den meisten Fällen einfach zu erkennen
Ein Gespräch mit dem Tübinger Dermatologen Martin Schaller über die Diagnostik der Rosazea
Gerade beim Diagnostizieren einer Rosazea kommt es in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten. Liegt eventuell doch eine Akne vor, oder sollte man nicht vielleicht eher an eine periorale Dermatitis denken? In der Praxis ist die Diagnose in den meisten Fällen jedoch leichter gestellt, als viele denken. Das Anschauen der Effloreszenzen und ein paar gezielte Fragen reichen bei dieser überaus häufigen Hauterkrankung üblicherweise völlig aus. Wie sich eine Rosazea in der Praxis einfach erkennen lässt, erläutert der Dermatologe Martin Schaller.
ist nicht mehr gebräuchlich. Denn mittlerweile weiss man, dass die Erkrankung in vielen Fällen nicht fortschreitet beziehungsweise kein stadienhafter Verlauf stattfindet. Stattdessen spricht man bei der Rosazea heute nur noch von Subtypen, an denen sich die Therapie orientiert. Häufigster Subtyp ist die erythematöse Rosazea, die schätzungsweise bei rund 70 Prozent der Fälle vorliegt und sich mit Rötungen und Teleangiektasien bemerkbar macht. Am zweithäufigsten ist mit etwa 20 Prozent die papulopustulöse Rosazea, bei der neben den Erythemen zusätzlich Knötchen und Eiterbläschen auftreten. Seltener ist dagegen die glandulär-hyperplastische Rosazea, die vielleicht 5 Prozent betrifft. Typisches Kennzeichen sind Gewebsvermehrungen, wie etwa Rhinophyme, die im Volksmund auch als Knollennase bezeichnet werden. Darüber hinaus existieren noch einige seltenere Formen wie zum Beispiel die Rosacea conglobata, bei der es zu tiefen entzündlichen Knoten kommen kann. In etwa 30 Prozent liegt zusätzlich eine okuläre Beteiligung vor, die sich mit einem Trockenheits- oder Fremdkörpergefühl im Auge bemerkbar machen kann.
ARS MEDICI: Professor Schaller, wie oft lässt sich eine Rosazea eindeutig diagnostizieren? Wie oft bleibt es lediglich bei einer Verdachtsdiagnose? Schaller: Zwar gibt es keinen speziellen Test oder festen Parameter zur Diagnose einer Rosazea, dennoch lässt sich die Erkrankung bei schätzungsweise 90 Prozent aller Betroffenen eindeutig anhand des klinischen Erscheinungsbildes diagnostizieren. Zusatzuntersuchungen sind nicht erforderlich – weder histologische Schnitte noch irgendwelche Blutwerte. Typisches Erkennungszeichen ist das zentrofaziale, meist symmetrische Auftreten von teleangiektatischen Erythemen, Papeln und Pusteln, die durch Triggerfaktoren, zum Beispiel Sonnenlicht, emotionaler Stress, heisse Getränke, scharfe Speisen, minimale Mengen von Alkohol oder Temperaturunterschiede etwa beim Hereinkommen aus der Kälte in die warme Wohnung, schlechter werden.
ARS MEDICI: Ist die Einteilung in Stadien bei der Rosazea noch aktuell? Schaller: Die alte Einteilung in drei Stadien (Rosacea erythematoteleangiectatica, Rosacea papulopustulosa, Rhinophym)
ARS MEDICI: Welche Differenzialdiagnosen muss man bei dem erythematösen Subtyp in Betracht ziehen? Schaller: Eine klassische Fehldiagnose ist der systemische Lupus erythematodes, dessen Schmetterlingserythem sehr
Rosazea — eine der häufigsten Hauterkrankungen
Je nach Untersuchung leiden bis zu 10 Prozent der Bevölkerung unter einer Rosazea, die damit zu den häufigsten Erkrankungen in der Dermatologie zählt. Studien zeigen allerdings, dass die Verbreitung von Land zu Land deutliche Unterschiede aufweist. Häufig anzutreffen ist die Rosazea vor allem in nordeuropäischen Ländern, während Südeuropäer deutlich seltener betroffen sind. Denn die Rosazea trifft besonders oft hellhäutige Menschen vom sogenannten keltischen Typ mit Sommersprossen und roten Haaren. Schon lange wird die Erkrankung daher auch als «Fluch der Kelten» bezeichnet. Dunkelhäutige Menschen sind dagegen deutlich seltener betroffen.
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INTERVIEW
Professor Dr. med. Martin Schaller ist leitender Oberarzt der Universitäts-Hautklinik Tübingen.
Ursache der Rosazea weiter rätselhaft
Die genaue Ursache der Rosazea ist nach wie vor unbekannt. Klar ist lediglich, dass es sich im weitesten Sinne um eine Durchblutungsstörung handelt, der eine pathologische Gefässregulation zugrunde liegt, und dass bestimmte Trigger wie zum Beispiel Sonneneinstrahlung zur Verschlechterung des klinischen Bildes führen.
Zwar kommen für die Therapie der Rosazea vor allem Antibiotika zum Einsatz, dennoch gehen viele Experten nicht von einer klassischen Infektionserkrankung aus. Warum Antibiotika dennoch helfen, lässt sich möglicherweise mit einer antientzündlichen Komponente erklären, die verschiedene Antibiotika zusätzlich zu ihrer antibakteriellen Wirkung aufweisen.
Allerdings sind Bakterien als Mitverursacher der Rosazea auch nicht völlig ausgeschlossen. Diskutiert wird in letzter Zeit zum Beispiel verstärkt über einen Bazillustyp im Darm von Demodex-Milben, die zur normalen Hautflora des Menschen zählen. Es ist durchaus denkbar, dass dieser Bazillustyp an der Entstehung einer Rosazea mitbeteiligt ist. Der genaue Zusammenhang muss allerdings erst noch in weiteren Studien geklärt werden.
einer erythematösen Rosazea ähneln kann und der sich ebenfalls unter Sonnenlicht oft verschlechtert. Auch histologisch lassen sich beide Krankheitsbilder kaum unterscheiden. Ebenso wenig sind antinukleäre Antikörper hilfreich, die zu den Diagnosekriterien des Lupus zählen. Denn antinukleäre Antikörper finden sich bei rund 40 Prozent aller Frauen über 60 Jahre, ohne dass dies einen Krankheitswert hätte. Richtungsweisend können jedoch Teleangiektasien sein, die beim systemischen Lupus erythematodes typischerweise genauso fehlen wie Papeln und Pusteln. Zudem sprechen systemische Begleitbeschwerden wie etwa Gelenkentzündungen, Fieber oder Krankheitsgefühl für einen systemischen Lupus beziehungsweise eine narbige Abheilung der Dermatose für einen diskoiden Lupus.
Hier handelt es sich nicht um eine Rosazea, sondern um eine Akne, was eindeutig an den Komedonen zu erkennen ist, die bei einer Rosazea nicht anzutreffen sind.
ARS MEDICI: Welche Differenzialdiagnosen sind bei der papulopustulösen Rosazea auszuschliessen, bei der viele wegen der Eiterbläschen zuerst an eine Akne denken? Schaller: Die Unterscheidung zwischen Akne und Rosazea ist normalerweise nicht schwierig. Schon allein das Lebensalter gibt gute Hinweise, welche der beiden Erkrankungen vorliegt. Während die Rosazea meist erst ab dem 40. Lebensjahr beginnt, nimmt die Akne ihren Ursprung typischerweise in der Pubertät. Ausserdem zeigen die Effloreszenzen bei genauem Hinsehen deutliche
Rosacea erythematoteleangiectatica Papulopustulöse Rosazea
Glandulärhyperplastische Rosazea mit Rhinophym und Gnatophym
Das Bild zeigt eine periorale Dermatitis, die häufig schon am Klientel beziehungsweise an der Anamnese zu erkennen ist. Oft findet sich um den Mund herum auch ein diskreter effloreszenzfreier Saum, der für die periorale Dermatitis spricht.
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INTERVIEW
Fazit für die Praxis
■ Die Diagnose Rosazea lässt sich bei ungefähr 90 Prozent aller Betroffenen eindeutig anhand des klinischen Erscheinungsbildes stellen.
■ Zusatzuntersuchungen sind nicht erforderlich — weder histologische Schnitte noch irgendwelche Blutwerte.
■ Klassisches Erscheinungsbild ist das zentrofaziale, symmetrische Auftreten von Erythemen, Papeln und Pusteln.
■ Typisch sind auch Triggerfaktoren wie zum Beispiel Sonnenlicht oder heisse Getränke, die zur Verschlechterung der Rosazea führen.
■ Die Einteilung der Rosazea in verschiedene Stadien wird heute von vielen Experten nicht mehr vorgenommen, da oft kein Fortschreiten von einem ins nächste Stadium zu beobachten ist. Vielmehr wird nur noch von Subtypen gesprochen.
■ Häufigster Subtyp ist die erythematöse Rosazea, die etwa bei 70 Prozent der Betroffenen vorliegt. Am zweithäufigsten ist die papulopustulöse Rosazea. Seltener ist die glandulär-hyperplastische Rosazea.
■ Bei rund jedem dritten Betroffenen liegt zusätzlich eine okuläre Beteiligung vor, die in der Praxis allerdings häufig übersehen wird. Gefragt werden sollte zum Beispiel nach einem Trockenheits- oder Fremdkörpergefühl im Auge.
■ Differenzialdiagnostisch ist bei der Rosazea an einen systemischen Lupus erythematodes zu denken, dessen Schmetterlingserythem einer Rosazea ähneln kann. Richtungsweisend können Teleangiektasien sein, die beim systemischen Lupus erythematodes typischerweise genauso fehlen wie Papeln und Pusteln. Zudem können systemische Begleitbeschwerden wie etwa Gelenkentzündungen für einen systemischen Lupus sprechen.
■ Als wichtige Differenzialdiagnose kommt auch eine periorale Dermatitis infrage, die allerdings oft schon am Patientenklientel zu erkennen ist und um den Mund einen 0,5 bis 1 cm breiten Saum ohne Effloreszenzen aufweisen kann, der sich bei der Rosazea nicht findet.
Unterschiede. Im Gegensatz zur Rosazea finden sich bei der Akne offene und geschlossene Komedonen beziehungsweise Mitesser. Zudem verschlechtert sich die Rosazea sehr häufig unter Sonneneinstrahlung, wohingegen die Akne durch UVLicht in vielen Fällen deutlich besser wird.
ARS MEDICI: Wie lässt sich die periorale Dermatitis abgrenzen? Schaller: Die periorale Dermatitis ist oft schon am Klientel zu erkennen. Betroffen sind typischerweise Frauen im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt, die grossen beziehungsweise übertriebenen Wert auf die Pflege ihrer Haut legen. Denn eine periorale Dermatitis ist typischerweise die Folge von zu häufigem Eincremen im Sinne einer Kosmetikaunverträglichkeit. Darüber hinaus können für eine periorale Dermatitis auch Kortikoide verantwortlich sein, die über längere Zeit im Gesicht angewendet werden und nach dem Absetzen zu einer Steroidentzugsdermatitis führen, was sich allerdings anamnestisch leicht klären lässt. Typisch ist für die periorale Dermatitis auch ein diskreter effloreszenzfreier Saum um den Mund, der sich bei der Rosazea nicht findet.
ARS MEDICI: Auch das seborrhoische Ekzem wird immer
wieder als Differenzialdiagnose genannt.
Schaller: Abgesehen von der Frage, ob es die Diagnose
seborrhoisches Ekzem überhaupt gibt oder man nicht eher
von der Minimalform einer Psoriasis sprechen sollte, lassen
sich beide Krankheitsbilder gut auseinanderhalten. Denn bei
der Rosazea findet sich typischerweise keine Schuppung.
Zudem verschlechtert sich ein seborrhoisches Ekzem nicht
wie eine Rosazea unter Sonneneinstrahlung oder anderen
Triggerfaktoren.
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Das Interview führte Karl Eberius E-Mail: K.Eberius@Medizinjournalist.com
Interessenkonflikte: keine deklariert
Hinweis: Welche Therapien bei einer Rosazea am besten helfen, erläutert Prof. Schaller im zweiten Teil des Rosazea-Interviews, das in unserer nächsten Ausgabe erscheint.
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