Transkript
STUDIE REFERIERT
Nur Metformin ist bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz ohne Risiko
Metaanalyse zu Morbidität und Mortalität unter Antidiabetika
Der Stellenwert der einzelnen Anti-
diabetika beim Management von
Diabetikern mit Herzinsuffizienz ist
kontrovers. Wie beeinflussen Insu-
lin, Metformin, Glitazone und Sulfo-
nylharnstoffe Sterblichkeit und
Hospitalisationen?
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Diese systematische Review mit Metaanalyse wollte die Verläufe und antidiabetische Behandlung bei herzinsuffizienten Zuckerkranken evaluieren. 8 Studien entsprachen den Einschlusskriterien, 1 randomisierte kontrollierte Studie (RCT), 2 Post-hoc-Subgruppenanalysen von RCT, 4 retrospektive sowie 1 prospektive Kohortenstudie. 4 Studien untersuchten Insulin, 3 Metformin, 4 Glitazone sowie 2 Sulfonylharnstoffe.
Insulin 3 von 4 Studien ergaben, dass Insulin mit einem erhöhten Risiko für die Gesamtmortalität einherging. In einer Subgruppenanalyse der SAVE-Studie hatten die 168 mit Insulin behandelten Patienten ein signifikant erhöhtes Gesamtsterberisiko (adjustierte Hazard Ratio [HR] 1,66; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,20–2,31) sowie eine höhere kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Auch bei der CHARM-Studie, die eigentlich den Angiotensin-2-Rezeptorantagonisten Cande-
sartan evaluierte, liess sich aus den Rohdaten berechnen, dass eine Insulinbehandlung mit einer höheren Gesamtmortalität (Risk Ratio [RR] 1,25; 95%-KI 1,03–1,51) und mehr kardiovaskulären Todesfällen und Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz (RR 1,55; 95%-KI 1,29– 1,86) korrelierte. Eine Beobachtungsstudie bei 554 konsekutiven wegen Herzinsuffizienz an ein Unversitätsspital überwiesenen Patienten, von denen 132 einen Diabetes hatten, lässt auf eine erhöhte Gesamtmortalität bei den mit Insulin Behandelten schliessen (3,42 nach 1 Jahr, 2,20 nach 2 Jahren). Eine retrospektive Kohortenstudie bei 16 417 US-amerikanischen älteren Medicare-Patienten suchte nach einer Beziehung zwischen Insulinbehandlung und primärer Herzinsuffizienzdiagnose, fand jedoch keine (HR 0,96; 95%-KI 0,88– 1,05).
Metformin Metformin war mit einer signifikant reduzierten Gesamtmortalität in 2 Studien assoziiert, und ein ähnlicher Trend war in einer dritten zu erkennen. Metformin war nicht mit einer allgemein oder spezifisch durch eine Herzinsuffizienz bedingten Hospitalisation assoziiert. Ebenfalls bei Medicare-Patienten ergab eine Subgruppenanalyse derjenigen mit stark beeinträchtigter linksventrikulärer Funktion nach Myokardinfarkt (n = 2875), dass eine Behandlung mit Metformin im Vergleich zu Patienten unter anderen oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe, andere Insulinsekretagoga, Alphaglukosidasehemmer) oder Insulin das Risiko für die Gesamtmortalität nach einem
Jahr nicht erhöhte (0,92; 95%-KI 0,72– 1,18). Die retrospektive Medicare-Kohortenstudie bei Diabetikern mit Herzinsuffizienzdiagnose berechnete eine signifikant tiefere Gesamtmortalität für die Metforminmonotherapie (0,86; 95%-KI 0,78–0,97) und für die Behandlung mit Metformin plus Glitazon (0,76; 95%-KI 0,58–0,99). Weiter waren in dieser Datenauswertung für Metformin allein keine Unterschiede bei der Gesamthospitalisationsrate zu erkennen (0,94; 95%-KI 0,89–1,01), ein geringeres Risiko hingegen bestand für die Kombination mit einem Glitazon (0,82; 95%-KI 0,69–0,96). Sehr ähnlich waren die Ergebnisse für durch Herzinsuffizienz bedingte Hospitalisationen. In einer retrospektiven Auswertung administrativer Daten fiel bei behandelten Diabetikern mit neu aufgetretener Herzinsuffizienz die Gesamtmortalität unter Metforminmonotherapie und in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff signifikant geringer aus. Auch ein zusammengesetzter Endpunkt aus Gesamtmortalität und Hospitalisationshäufigkeit zeigte in dieselbe Richtung. Der gepoolte Effekt der Metforminstudien zur Hospitalisationshäufigkeit aller Ursachen nach einem Jahr legt nahe, dass Metformin im Vergleich zu anderen Therapien zu weniger Spitalbehandlungen führt (gepoolte Odds Ratio [OR] 0,85; 95%-KI 0,76–0,95; I2 = 21%; p = 0,004).
Merksatz
■ Nach heutiger Evidenz ist Metformin das einzige Antidiabetikum ohne messbare Schädigung bei Patienten mit Diabetes und Herzinsuffizienz.
Glitazone In 4 Studien war die Verschreibung von Glitazonen mit einer geringeren Gesamtmortalität assoziiert (gepoolte OR 0,83; 95%-KI 0,71–0,97; I2 = 52%; p = 0,02). Vertreter dieser Wirkstoffgruppe waren jedoch mit einem erhöhten Hospitalisationsrisiko assoziiert (gepoolte OR 1,13; 95%-KI 1,04–1,22; I2 = 0%; p = 0,004).
ARS MEDICI 9 ■ 2008 393
STUDIE REFERIERT
Sulfonylharnstoffe Die beiden hier berücksichtigten Studien mit Sulfonylharnstoffen ergaben, wahrscheinlich wegen Unterschieden in den Vergleichstherapien, widersprüchliche Resultate. Eine Studie fand nach multivariater Analyse kein erhöhtes Sterberisiko für Sulfonylharnstoffe im Vergleich zu anderen Insulinsekretagoga, Metformin, Glitazonen oder Alphaglukosidasehemmern (0,99; 95%-KI 0,91–1,08).
Diskussion Obwohl die Kombination von Diabetes und Herzinsuffizienz häufig vorkommt und mit einer besonders hohen Morbidität und Mortalität einhergeht, gibt es nur wenige Studien, die hier formelle Behandlungsvergleiche anstellen, beklagen die Autoren. Die hier berücksichtigten Untersuchungen waren überwiegend Beobachtungsstudien und erschienen in den Jahren 2006 und 2007. Bei den 4 Insulinstudien war eine formale Metaanalyse wegen statistischer Hete-
rogenität nicht möglich. Es ist heute schwierig zu sagen, ob es sich bei der beobachteten gesteigerten Mortalität tatsächlich um eine echte Nebenwirkung von Insulin oder um ein Confounding durch die Indikationsstellung handelt. Eine Insulinbehandlung könnte in diesen Studien sehr wohl ein Marker für eine besonders weit fortgeschrittene Zuckerkrankheit oder Gefässerkrankung gewesen sein. Auch bei den Metforminstudien, die geringere Mortalitätsraten nahelegen, war wegen statistischer Heterogenität eine formale Metaanalyse nicht möglich. Keine Studie ergab eine Zunahme von Ereignissen unter Metformin. Die 2 Studien zur Fragestellung deuten darauf hin, dass Metformin zu weniger Hospitalisationen aller Ursachen führt als andere Antidiabetika. Auch die Studien zu den Glitazonen weisen zahlreiche Einschränkungen auf. Alle ausser einer zeigen höhere Hospitalisationsraten wegen Herzinsuffizienz,
was sich auch in den gepoolten Daten
niederschlägt. Die Mortalitätsvorteile von
Metformin und Glitazonen könnten nach
Einschätzung der Autoren durchaus durch
einen Selektionsbias bedingt sein.
Angesichts der Kontroverse ob Sulfonyl-
harnstoffe bei Patienten mit vorbeste-
henden kardiovaskulären Erkrankungen
sinnvoll sind, wäre hier mehr Forschung
nötig.
Als Schlussfolgerung aus ihrer systema-
tischen Review heben die Autoren her-
vor, dass unter den derzeit verfügbaren
Antidiabetika nur Metformin bei Diabe-
tikern mit Herzinsuffizienz nicht mit
einer in Studien greifbaren Schädigung
einhergeht und zudem die Mortalität
senkt.
■
Dean T. Eurich et al. (Institute of Health Economics, Edmonton/ CAN): Benefits and harms of antidiabetic agents in patients with diabetes and heart failure: systematic review. NMJ 2007; 335: 497—501. doi: 10.1136/bmj.3914.620174.80.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Halid Bas
394 ARS MEDICI 9 ■ 2008