Transkript
STUDIE
Triglyzeride und KHK-Risiko
Welche Zusammenhänge gibt es?
Seit einiger Zeit gehen Lipidexperten davon aus, dass erhöhte Triglyzeridwerte mit einem erhöhten Arterioskleroserisko einhergehen. Eine prospektive Kohortenstudie, an der rund 14 000 Personen aus der Kopenhagener Bevölkerung teilnahmen, scheint diese Hypothese zu bestätigen.
JAMA
Der Beginn der Studie liegt nun schon 30 Jahre zurück. Zwischen 1976 und 1978 rekrutierten Mediziner in Kopenhagen rund 14 000 Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 93 Jahren. Sie verfolgten den gesundheitlichen Werdegang dieser Kohorte dann bis ins Jahr 2004. Inzwischen ist die Studie im «Journal of the American Medical Association» (JAMA) publiziert worden. Die Hauptbotschaft lautet: Triglyzeride, die im nichtnüchternen Zustand bestimmt werden, lassen eindeutigere Rückschlüsse auf das zu erwartende KHKRisiko zur als dies bei der üblichen Nüchternblutbestimmung der Fall ist. Die Autoren favorisieren die Hypothese, dass Atherosklerose ein postprandiales Phänomen ist, bei dem Remnantlipoproteine die Hauptrolle spielen. Erhöhte postprandiale Triglyzeride zeigen letztlich eben diese Remnantlipoproteine an. Trigyzeriderhöhungen treten also nicht etwa isoliert auf, sondern sind Teil eines
gestörten Lipidmetabolismus, wie er auch im Gefolge anderer KHK-Risikofaktoren wie Adipositas oder Diabetes mellitus beobachtet wird. Zudem bildet die Hypertriglyzeridämie ein Tandem mit niedrigen HDL-Cholesterinwerten. Die Beziehung erstaunt die Fachleute nicht: Normale HDL-Cholesterinpartikel werden bei der Umwandlung von triglyzeridreichen Lipoproteinen in LDL-Cholesterin gebildet – sofern sich die Triglyzeride in den normalen Grenzen befinden. Bei hohen Triglyzeridwerten werden hingegen LDL- und HDL-Cholesterinpartikel klein und sehr dicht – und damit atherogen. Die Frage, ob hohe Triglyzeridwerte selbst oder die Risikofaktoren, die zum Anstieg führten, ausschlaggebend sind, bleibt damit aber unbeantwortet, meint JAMA-Kommenator Patrick E. Mc Bride. Sicher ist, dass nicht alle triglyzeridreichen Lipoproteine atherogen sind. Ein gutes Beispiel dafür gibt die Typ-VHypertriglyzeridämie ab, bei der Serumspiegel bis zu 1000 mg/dl gemessen werden. Die Betroffenen müssen zwar mit einer Pankreatitis rechnen, kaum jedoch mit einem erhöhten KHK-Risiko; wahrscheinlich haben sie dies dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass bei ihnen grosse Lipoproteinpartikel entstehen, die nicht so leicht in das Endothel eindringen können. Für McBride spricht einiges dafür, dass eben nicht die Höhe der Trigyzeridwerte an sich risikoentscheidend ist, sondern die jeweilige Lipidkonstellation. Der atherogene Lipoproteinphänotyp zeichnet sich nach Ansicht des amerikanischen Kardiologen durch eine Stammadipositas und eine Insulinresistenz aus, letztlich also durch Elemente des metabolischen Syndroms.
Merksätze
■ Erhöhte postprandiale Triglyzeridwerte sollen sich besonders gut zur Vorhersage eines KHK-Risikos eignen.
■ Es werden aber Zweifel angemeldet, ob die routinemässige Bestimmung von Triglyzeriden im Nichtnüchternblut in der Praxis sinnvoll ist.
■ Dessen ungeachtet fordern heute Lipidexperten (auch) die Behandlung einer Hypertriglyzeridämie. Ob eine Kombinationstherapie, die auf HDL/LDL-Cholesterin und Triglyzeride abzielt, klinischen Erfolg verspricht, ist aber noch nicht bewiesen.
Für den Kommentator kommen die Ergebnisse der JAMA-Studie nicht überraschend. «Postprandiale Lipoproteine sind grundsätzlich triglyzeridreich, und bei insulinresistenten Patienten etwa können die kleinen, dichten LDL- und HDL-Partikel nur schwer abtransportiert oder erst verzögert abgebaut werden. Wird das Endothel vermehrt diesen triglyzeridreichen, atherogenen Remnantpartikeln ausgesetzt ... könnte dies auch erklären, warum gerade postprandiale Triglyzeridspiegel in besonderem Masse ein KHK-Risiko anzeigen.» Allerdings gibt er zu bedenken, dass die Studie nicht randomisiert war, dass Daten fehlen, die Aufschluss über den Risikofaktormechanismus geben könnten, dass eine mögliche Insulinresistenz nicht ermittelt wurde und dass die Ursachen der Hypertriglyzeridämie im Dunkeln bleiben. Aus praktischen Gründen hält McBride, anders als die Studienautoren, die postprandiale Triglyzeridbestimmung für problematisch. Es wären nämlich um der Vergleichbarkeit willen bestimmte Standardisierungen erforderlich, was im Alltag auf Schwierigkeiten stossen dürfte.
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TRIGLYZERIDE UND KHK-RISIKO
McBride spricht sich für ein vereinfachtes Vorgehen aus, wie es auch das Third National Cholesterol Education Program Adult Treatment Panel (NCEPAP III) getan hat. Demnach soll lediglich das Nicht-HDL-Cholesterin bestimmt werden, also das Gesamtcholesterin abzüglich des HDL. Dieser Wert könne auch zuverlässig im Serum von nicht nüchternen Patienten bestimmt werden. «Nicht-HDL- Cholesterin ist prädiktiver hinsichtlich des KHK-Risikos als das LDL-Cholesterin, wenn die Trigylzeride erhöht sind», schreibt McBride. Die NCEP-ATP-III-Richtlinien empfehlen diesen Parameter zur Risikoabschätzung, wenn die Triglyzeridwerte zwischen 200 und 500 mg/dl liegen.
«Erhöhte Triglyzeridwerte sollten behandelt werden» Dass Trigyzeriderhöhungen jedenfalls behandelt gehören, davon ist der JAMA-
Kommentator überzeugt. Immer mehr Untersuchungen sprächen für den Einsatz von Kombinationstherapien, etwa aus Statin und Fibrat. Als Hinweis für die Wirksamkeit der Triglyzeridsenkung führt McBride unter anderem die mehr als 15 Jahre zurückliegende Helsinki Heart Study an. Zur Erinnerung: An dieser Studie hatten Männer mittleren Alters teilgenommen, die erhöhte Triglyzeridwerte und geringe HDL-Cholesterinwerte aufwiesen. Unter Therapie mit Gemfibrozil sank die Inzidenz kardialer Ereignisse signifikant, wobei die Triglyzeride deutlich gesenkt werden konnten, das LDL hingegen kaum. Auf die anfängliche Euphorie folgte dann Jahre später aber die Ernüchterung: Eine Follow-up-Untersuchung ergab, dass in der Behandlungsgruppe insgesamt mehr Menschen gestorben waren. Momentan sind Studien im Gange, die den Nutzen von Kombinationstherapien
unter die Lupe nehmen, unter ihnen
auch der AIM-HIGH-Trial, der vom Na-
tional Heart, Lung and Blood Institute
finanziert wird. Bis zum Eintreffen der
Ergebnisse wird man aber noch eine
Weile warten müssen.
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Børge G. Nordestgaard et al.: Nonfasting triglycerides and risk of myocardial infarction, ischemic heart disease, and death in men and women. JAMA 2007; 298(3): 299–308. Patrick E. McBride: Triglycerides and risk for coronary heart disease. JAMA 2007; 298(3): JAMA 2007; 298(3): 336–338.
Interessenlage: Die Studie wurde von der Danish Heart Foundation finanziert. Der JAMA-Kommentator McBride deklariert Honorare von verschiedenen Firmen, die Lipidsenker vertreiben. Früher war er auch als Berater von Merck tätig.
Uwe Beise
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