Transkript
FORTBILDUNG
Was tun bei Rhinosinusitis?
Altbewährte Therapie: Nasentropfen, Mukolytika und Antibiotika
Ohne Rhinitis keine Sinusitis, lehrt die Erfahrung in den allermeisten Fällen. Deshalb sind die ORL-Ärzte dazu übergegangen, dem auch begrifflich Rechnung zu tragen, indem sie heute meist von Rhinosinusitis sprechen. In der Therapie hat sich in den letzten Jahren allerdings praktisch nichts geändert. Das zeigen etwa die aktuellen Praxisleitlinien der amerikanischen ORL-Fachgesellschaft, die mit den Gepflogenheiten hierzulande gut übereinstimmen. Vorgestellt wurden sie von Amber Huntzinger in «American Family Physician».
Merksätze
■ Die akute Rhinosinusitis tritt oft im Zuge eines «common cold» auf und ist meist viral bedingt. Die Behandlung ist symptomatisch mit abschwellenden Nasentropfen und evtl. Schmerzmitteln.
■ Auch bei der akuten bakteriellen Rhinosinusitis steht die symptomatische Behandlung mit abschwellenden Nasentropfen und Mukolytika im Vordergrund. In unkomplizierten Fällen kann eine Woche beobachtet werden, ehe allenfalls ein Antibiotikum verschrieben wird.
■ Antibiotikum erster Wahl ist Amoxicillin, bei Penicillinallergie kommen u.a. Makrolide in Betracht.
■ Radiologische Diagnostik ist im Normalfall überflüssig, bei Komplikationen ist das CT aufschlussreich.
■ Eine chronische oder rezidivierend auftretende Rhinosinusitis verlangt nach genauerer Abklärung (anatomische Besonderheiten, Mukoviszidose, Allergie).
AMERICAN FAMILY PHYSICIAN
Nimmt man das Verschreibungsverhalten amerikanischer Ärzte, dann rangiert die Rhinosinusitis an fünfter Stelle der Erkrankungen, bei denen Antibiotika eingesetzt werden. Dabei sind diese zumindest bei unkompliziertem Verlauf keinesfalls regelmässig erforderlich. Ein unkomplizierter Fall liegt laut den amerikanischen Richtlinien vor, wenn zum Zeitpunkt der Diagnose keine klinisch relevante Entzündung ausserhalb der Nasennebenhöhlen existiert, also keine neurologischen oder ophthalmologischen Krankheitszeichen aufmerken lassen.
Wie wird eine Rhinosinusitis diagnostiziert? Die Diagnose einer akuten Rhinosinusitis wird in der Regel klinisch anhand der Symptomatik gestellt. Hierzu gehören: ■ purulente Nasensekretion, verstopfte Nase
■ Druckdolenz über dem Sinus und Gesichtsschmerz, der sich durch Kopfvornüberbeugen verschlimmert
■ Kopfschmerzen.
Radiologische Verfahren helfen diagnostisch nicht weiter. So ist etwa das koronare CT zu sensitiv: Bei fast allen Rhinitiden lässt sich nämlich auch eine Schwellung der Nasennebenhöhlen finden. Die halbaxiale Röntgenaufnahme kann zwar eine Spiegelbildung im Sinus maxillaris abbilden, allerdings hilft diese Erkenntnis auch nicht über die therapeutisch entscheidende Hürde hinweg; die Frage nämlich, ob es sich um einen viralen oder einen bakteriellen Infekt handelt, bleibt radiologisch im Dunkeln und wird im Regelfall auch nicht durch eine Punktion beantwortet. Obwohl klinisch eine sichere Unterscheidung nicht zu treffen ist, gibt es immerhin ein paar Hinweise, die eher für eine bakterielle Infektion sprechen:
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FORTBILDUNG
■ Die Symptome dauern trotz symptomatischer Therapie länger als zehn Tage unvermindert an
■ Es besteht einseitige Druckdolenz über dem Sinus maxillaris ■ Die Symptomatik verschlimmert sich wieder, nachdem es
anfänglich schon aufwärts gegangen ist (zweizeitlicher Verlauf).
Von der akuten Form unterschieden wird die chronische Rhinosinusitis, deren Diagnose nach den amerikanischen Richtlinien gestellt werden kann, wenn die Symptome länger als 12 Wochen andauern, mit oder ohne akute Exazerbationen. In Europa werden teilweise nur 8 Wochen gefordert. Für die Diagnose ist in jedem Fall eine nachgewiesene begleitende Entzündung erforderlich. Von einer rekurrierenden akuten Rhinosinusitis spricht man, wenn vier oder mehr Episoden einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis im Jahr auftreten. Bei chronischer oder rezidivierender Sinusitis sollten primär nichtinfektiöse Ursachen abgeklärt werden, sei es durch nasale Endoskopie, CT oder Allergietests.
Wie soll man behandeln? Bei einer mutmasslichen viralen Rhinosinusitis werden Antibiotika nicht empfohlen. Stattdessen sind einfache symptomatische Behandlungen sinnvoll. Dazu gehören sicher abschwellende Nasentropfen oder eventuell Schmerzmittel, unter Umständen auch fiebersenkende Mittel. Systemische Steroide seien nutzlos, für die Anwendung topischer Kortisonpräparate sei die Evidenz schwach, heisst es in den amerikanischen Empfehlungen. Antihistaminika werden anscheinend von einigen Ärzten eingesetzt, ihr Nutzen ist bei Nebenhöhlenentzündungen in Ermangelung von Studien unbewiesen.
Auch bei der Behandlung der bakteriellen Rhinosinusitis gilt es,
in unkomplizierten Fällen erst einmal abzuwarten, zu beobach-
ten und die Symptome zu lindern. Amber Huntzinger weist da-
rauf hin, dass einige randomisierte und kontrollierte Studien zu
dem Ergebnis kamen, dass auch unter Plazebo oft eine Besse-
rung eintritt, während die therapeutische Ausbeute von Anti-
biotika als eher moderat beschrieben wird. Deshalb ist eine
abwartende Beobachtung bei unkomplizierten Fällen angesagt,
sofern das Fieber nicht deutlich über 38,0 Grad steigt. Wie man
im Einzelnen vorgeht, hängt aber auch vom allgemeinen Ge-
sundheitsstatus und den Präferenzen des Patienten ab. Wenn es
den Betroffenen nach einer Woche nicht besser geht oder
gar eine Verschlechterung eingetreten ist, ist es aber sinnvoll,
Antibiotika vorzuschlagen – laut den amerikanischen Empfeh-
lungen am besten Amoxicillin. Die Substanz wird als kosten-
günstig, wirksam und sicher bezeichnet. Trimetho-
prim/Sulfamethoxazol und Makrolide sind Alternativen bei
Patienten mit Penicillinallergie. Im Allgemeinen sind kurze The-
rapiezyklen nicht weniger wirksam als längere. Einmaldosie-
rungen versprechen eine bessere Therapietreue.
Werden Antibiotika ausnahmsweise länger als vier Wochen ge-
geben, besteht die Gefahr einer Antibiotikaresistenz. In sol-
chen Fällen sollte ein anderes Antibiotikum, etwa ein Fluoroqui-
nolon oder aber Amoxicillin/Clavulansäure, eingesetzt werden.
Zur Schmerzbekämpfung eignen sich wahlweise Paracetamol
oder nichtsteroidale Antiheumatika (NSAR). Zusätzlich wer-
den abschwellende Nasentropfen, Nasenduschen mit Salzlö-
sung und Mukolytika empfohlen.
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Amber Huntzinger: Practice guidelines: Guidelines for the diagnosis and management of rhinosinusitis in adults. Am Fam Phys 2007; 76 (10): 1718 ff.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Uwe Beise
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Claudine Ott-Chervet, Präsidentin SGVT
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