Transkript
COPD – die Krankheit des 21. Jahrhunderts
Wie man sie diagnostiziert und behandelt
FORTBILDUNG
Die weltweite Bedeutung der COPD (chronic obstructive pulmonary disease) wird in den
Merksätze
nächsten Jahren deutlich zunehmen: Zum einen steigen Prävalenz und Mortalität enorm an: Allein 15 bis 20 Prozent aller Raucher erkranken an COPD. Im Jahr 1990 war die COPD noch an 6. Stelle bei der Häufigkeit der Todesursachen, sie wird aber voraussichtlich bis
■ Das aktive Tabakrauchen ist vermutlich für 80 bis 90 Prozent aller COPD-Erkrankungen verantwortlich, mit besonders schweren Folgen bei frühem Beginn.
■ Eine Sputumdiagnostik bei Exazerbationen ist bei erfolgloser Therapie, immunkompromittierten Patienten oder bekannten Bronchiektasen zu empfehlen.
■ Mit einer konsequenten Sauerstofflangzeittherapie von 15 Stunden täglich im Stadium IV lassen sich die Überlebensraten bei COPD verdoppeln.
2020 auf den 3. Platz (hinter Herz-Kreislaufund zerebrovaskulären Krankheiten) vorrücken. Der Ressourcenverbrauch ist erheblich. Die Gesamtkosten übersteigen die Arzneimittelkosten um das Vier- bis Fünffache. Zum anderen wurden in letzter Zeit wesentliche neue Erkenntnisse über die Krankheitsentstehung gewonnen, die grundlegend neue Behandlungsmethoden ermöglichen.
MANFRED WAGNER, JOACHIM H. FICKER
Woran erkennt man eine COPD? COPD manifestiert sich meist erst nach dem vierten Lebensjahrzehnt. Ein Kriterium ist das Vorhandensein einer inhalierten Noxe (meist Zigarettenrauch). Was die Symptome angeht, findet man typischerweise chronischen Husten, oft mit Auswurf, vor allem morgens nach dem
Aufstehen und weniger in der Nacht. Die Atemnot tritt anfangs nur unter Belastung auf und im Gegensatz zum Asthma bronchiale nicht anfallsartig. Messbar ist die Atemnot durch standardisiertes Befragen, mit standardisiertem Sechs-MinutenGehtest und in der Spiroergometrie (vergleiche Tabelle 1).
Spirometrische Befunde Im Gegensatz zur einfachen chronischen Bronchitis ist bei der COPD in der Spirometrie eine obstruktive Ventilationsstörung messbar: FEV1/VK < 70 Prozent. Eine deutliche Besserung mit einem FEV1-Anstieg von mehr als 15 Prozent oder 200 ml nach Broncholyse mit einem schnell wirksamen Anticholinergikum oder Betamimetikum spricht gegen eine COPD und zum Beispiel für ein Asthma bronchiale. Die Form der Fluss-VolumenKurve sollte als zusätzliches Kriterium mit herangezogen werden (Abbildung 1). Hier zeigt sich nach einem kurzen Anstieg des Flusses ein rascher Abfall durch den Kollaps der Atemwege, der sich nach Therapie nicht wesentlich ändert. Eine Ganzkörperplethysmografie ist zur Diagnosesicherung notwendig, um das nicht ventilierbare Residualvolumen zu messen und zum Beispiel eine zusätzlich vorliegende restriktive Ventilationsstörung zu erkennen. Die Schweregradeinteilung ergibt sich aus Tabelle 2. Der FEV1Wert ist zwar stark mitarbeitsabhängig, jedoch auch ohne Ganzkörperplethysmografie allein mit dem Spirometer messbar und wird deshalb als Verlaufsparameter präferiert.
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FORTBILDUNG
Erscheinungsbilder der COPD: Blue Bloater und Pink Puffer
Typischerweise imponieren Patienten mit dem Vollbild einer schweren chronisch obstruktiven Bronchitis als sogenannte «Blue Bloater». Sie sind zyanotisch, d.h., die Menge des desoxygenierten Hämoglobins liegt über 50 g/l, meist leicht adipös und leiden häufig an Husten und Auswurf. Wichtige Entzündungszellen sind neben CD8+-T-Lymphozyten und Makrophagen vor allem neutrophile Granulozyten. Sie sind entscheidend an Exazerbationen beteiligt und damit ein wichtiger Prognosefaktor.
Als zweite wichtige Manifestationsform wird der Emphysemtyp bezeichnet. Diese Patienten entsprechen dem Bild eines sogenannten «Pink Puffer». Die erhöhte systemische Inflammation führt zu Gewichtsverlust und einem raschen Abbau von Muskulatur und Skelettsystem. Neben der erhöhten kardiovaskulären Mortalität ist das Ausmass der Kachexie für die Prognose von Bedeutung.
den. Auch die Luftbelastung im Freien, in öffentlichen Räumen und zum Beispiel Schadstoffexposition in der Wohnung («Passivrauchen») haben eine prognostische Bedeutung. Bis anhin kaum beeinflussbar sind genetische Risikofaktoren. Auf über 100 Genen wurden bereits Unterschiede zwischen «empfindlichen» und «nicht empfindlichen» Rauchern gefunden. Ein Alpha-1-Antitrypsinmangel kann Ursache einer COPD sein und mit Alpha-1-Antitrypsin-Substitution behandelt werden. Gegebenenfalls ist auch ein Asthma in Verbindung mit anderen Risikofaktoren Ursache für eine COPD. Hier zeigt sich, dass die Abgrenzung zwischen COPD und Asthma bronchiale schwierig sein kann und im Einzelfall Übergänge möglich sind, zumal Tabakrauch selbst einen Risikofaktor für Asthma bronchiale darstellt. Ein niedriges Lungen-Ausgangsvolumen kann auch Folge eines niedrigen Geburtsgewichtes oder von Infekten während der Kindheit sein und stellt statistisch einen weiteren Risikofaktor für eine COPD dar.
Symptome der Exazerbation Die Exazerbation einer COPD gehört zu den häufigen Krankheitsbildern in der Allgemeinarztpraxis. Es ist mit etwa 170 Fällen/1000 Einwohner pro Jahr zu rechnen, und die Prognose ist in schweren Fällen ungünstig. Wegen der meist vorhandenen Komorbidität ist die Differenzialdiagnostik der Atemnot schwierig. Das EKG gibt dabei Hinweise auf eine kardiale Komorbidität und hilft so zu erkennen, ob bei einer Therapie mit (inhalativen) Betamimetika beziehungsweise Theophyllin ein individuell erhöhtes Risiko für
Beeinflussung der Risikofaktoren Vermutlich ist das aktive Tabakrauchen für 80 bis 90 Prozent aller COPD-Erkrankungen verantwortlich. Diese überwältigende Zahl macht es schwierig, die Bedeutung anderer Ursachen zu evaluieren. Besonders schwerwiegend sind die Folgen bei frühem Rauchbeginn (derzeit im Mittel im 14. Lebensjahr, 1980 im Alter von 20 Jahren) und für das weibliche Geschlecht. Schon eine einzige Zigarette am Tag scheint den Krankheitsprozess weiter zu beschleunigen. Ein absoluter Verzicht auf Zigaretten und andere Formen der Tabakrauchinhalation einschliesslich Passivrauchen ist anzustreben. Eine qualifizierte langfristige Raucherberatung mit dem Ziel der kompletten Tabakrauchentwöhnung ist bei Erfolgsraten um 30 Prozent nach einem Jahr im Vergleich zu allen anderen Therapien die weitaus effektivste Behandlung, mit der bei geringstem finanziellem Einsatz der grösste Nutzen zu erzielen ist. Jeder Patient muss deshalb immer wieder zur Tabakrauchkarenz aufgefordert werden. Oft ist erst die zweite oder dritte Entwöhnung erfolgreich. Raucherberatungskurse sollten flächendeckend angeboten und von einem Arzt und einem Psychologen begleitet werden. Nikotinersatz und medikamentöse Unterstützung (z.B. mit Bupropion) können hilfreich sein. Absoluter Verzicht auf Tabakrauchen ist die einzige Massnahme, welche die Progredienz der COPD erwiesenermassen verlangsamt. Schadstoffbelastungen am Arbeitsplatz müssen minimiert wer-
Tabelle 1: Diagnostische Massnahmen bei Verdacht auf COPD
■ Anamnese: Atemnot bei Belastung, Risikofaktoren für eine COPD, ggf. Husten mit Auswurf (kann beim Emphysemtyp fehlen!), Gewichtsverlust?, Schlafstörungen?
■ Untersuchungsbefund: Herz- und Atemfrequenz, Hinweise auf Emphysem, Obstruktion, pulmonale Hypertonie oder Herzinsuffizienz?
■ Lungenfunktionsdiagnostik: Spirometrie mit Broncholysetest, bei auffälligem Befund weiterführende Diagnostik mit Blutgasanalyse und Ganzkörperplethysmografie
■ Belastungstest: standardisierter Sechs-Minuten-Gehtest, Spiroergometrie
■ Labor: Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel, bei Exazerbation Entzündungsparameter
■ Röntgenaufnahme des Thorax: Hinweis auf andere Ursachen der Atemnot?
■ EKG, Echokardiografie: akute (z.B. Lungenembolie) oder chronische (z.B. Cor pulmonale) Rechtsherzbelastung
■ Computertomografie der Lunge: um Ausmass und Verteilung des Emphysems festzustellen
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Herzrhythmusstörungen oder Angina pectoris vorliegt. Im lone der Gruppe IV oder Ketolide kommen bei Therapiever-
Labor kann bei infektbedingter Exazerbation der COPD eine sagern in Betracht. Die Therapiedauer sollte fünf bis zehn Tage
Erhöhung der Entzündungsparameter (CRP, Prokalzitonin, betragen.
Leukozytose) nachweisbar sein. Ein stark erhöhter CRP-Wert Bei Patienten mit schwerer COPD und gehäuften Exazerbatio-
über 10 mg/dl (100 mg/l) kann für eine Ausbreitung des Ge- nen sollte primär gegen Problemkeime wie Pseudomonas und
schehens sprechen, zum Beispiel wenn sich eine Pneumonie gramnegative Enterobakterien behandelt werden. Dies gilt
entwickelt, und sollte spätestens dann Anlass für eine Rönt- ebenso für Patienten mit Bronchiektasen und chronischer
genuntersuchung der Thoraxorgane sein.
Pseudomonaskolonisation.
Die Exazerbation der COPD für sich allein lässt kein Lungen- Bei erfolgloser Therapie (keine Besserung nach 48 bis 72 Stun-
infiltrat erwarten. Eine Leukozytose im Blutbild kann ausser den), immunkompromittierten Patienten oder bekannten Bron-
durch einen Infekt auch durch eine systemische Glukokortiko- chiektasen ist eine mikrobiologische Diagnostik zu empfehlen.
idbehandlung verursacht sein. Chronischer Sauerstoffmangel Wichtig ist dabei, dass die Sputumprobe innerhalb von zwei bis
kann eine Polyglobulie mit Erhöhung des Hämoglobinwertes vier Stunden zur Weiterverarbeitung im Labor ist.
beziehungsweise der Erythrozytenzahl bewirken. Im Ultra-
schall ist ein Pleuraerguss oder ein thoraxwandständiges Lun- Empfohlene Massnahmen zur Exazerbationsprophylaxe:
geninfiltrat auch mit wenig Erfahrung leicht zu erkennen. Für ■ Raucherentwöhnung
die Diagnostik von Bein- und Beckenvenenthrombosen ist die ■ Meidung von inhalativen Noxen (Wohnung, Arbeitsplatz,
Dopplersonografie wichtig. Nach persönlichen Erfahrungen
Freizeit) und Kälte
und neueren Studien sind bei stationären Patienten mit exazer- ■ Influenza- und Pneumokokkenschutzimpfung
bierter COPD ohne deutliche Infektzeichen oftmals kleinere ■ Inhalative Anticholinergika
Lungenembolien nachweisbar. Verursacht werden diese in den ■ Patientenschulung.
meisten Fällen durch klinisch inapparente Beinvenenthrombo-
sen, welche durch Immobilisierung und durch Polyglobulie Aufgepasst nach Klinikentlassung
begünstigt werden können.
Kritische Situationen können auch nach einem stationären Auf-
enthalt auftreten. Die Umstellungsphase erfordert grosse Auf-
Therapie von Exazerbationen
merksamkeit, weil die Mobilisation in der häuslichen Umge-
Basis der Therapie der Exazerbation sind Bronchodilatatoren. bung andere Problemsituationen mit sich bringt und auch die
Anticholinergika können bei der COPD sehr effektiv sein und Begleiterkrankungen sich verschlechtern können. Insbesondere
haben ausser Mundtrockenheit im Gegensatz zu Betamimetika wenn in der Klinik neue Therapieformen eingeleitet wurden,
keine Nebenwirkungen. Das ist besonders
dann wichtig, wenn Patienten mit Atemnot selbstständig die Dosis steigern und mit Betamimetika oder auch Theophyllin bedrohliche
Tabelle 2: Stadieneinteilung der stabilen COPD nach GOLD
(Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease)
Herzrhythmusstörungen provozieren können. Die Patientenschulung umfasst neben der korrekten Inhalationstechnik daher auch die Gefahren bei der Selbstbehandlung. Systemische Glukokortikoide in initial mittleren Dosen über einen begrenzten Zeitraum
Stadium 0: Stadium I
«Risikopatient» milde COPD
normale Spirometrie chronische Symptome
FEV1/FVK < 70% FEV1 über 80% Soll mit oder ohne chronische Symptome
können bei der Exazerbation indiziert sein. Bewährt hat sich ein Beginn mit 30 bis 40 mg Prednisolonäquivalent und eine maximale
Stadium II:
mittelgradige COPD
FEV1/FVK < 70% FEV1 zwischen 50 und 80% Soll mit oder ohne chronische Symptome
Dauer von 10 bis 14 Tagen. Inhalative Glukokortikoide haben in der Therapie der Exazerbation im Gegensatz zur Prophylaxe keinen Stellenwert (s.u.).
Stadium III:
schwere COPD
FEV1/FVK < 70% FEV, zwischen 30 und 50% Soll mit oder ohne chronische Symptome
Antibiotika nur bei Infektzeichen
Stadium IV:
sehr schwere COPD
FEV1/FVK < 70% FEV1 unter 30% Soll
Der Einsatz von Antibiotika ist nur bei einem bakteriellen Infekt sinnvoll. Typisches Anzeichen dafür ist purulentes Sputum. Empfohlen werden in Abhängigkeit von der lokalen Resistenzlage Aminopenicilline, gegebenenfalls mit Betalaktamase-Inhibitoren, orale
oder FEV1 unter 50% Soll plus schwere respiratorische Insuffizienz und/oder manifeste Rechtsherzinsuffizienz
FEV1 = forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde (Einsekundenkapazität) FVK = forcierte Vitalkapazität
Cephalosporine oder Makrolide. Fluorchino-
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rung durch inadäquate Selbstmedikation nicht auszuschliessen ist, bevorzugt werden. Die Kombination von Betamimetika und Anticholinergika kann sinnvoll und notwendig sein.
Stadium II: Dauertherapie Eine Dauertherapie mit Bronchodilatatoren wird ab dem Stadium II empfohlen. Grundlage der Behandlung sind lang wirksame Bronchodilatatoren. Für das lang wirksame Anticholinergikum Tiotropium ist neben dem symptomatischen Effekt auch ein Rückgang der Zahl der Exazerbationen belegt. Die Kombination mit einem lang wirksamen Betamimetikum kann einen zusätzlichen Gewinn erbringen. Im Gegensatz zum Asthma bronchiale, bei dem inhalative Glukokortikoide die Grundlage sind, gibt es bei der COPD keinen Beleg für eine Indikation für inhalative Steroide als Basismedikation.
Abbildung 1: Fluss-Volumen-Kurve bei COPD: Nicht reversible Obstruktion
muss die Lebensweise oft umgestaltet werden. Typische Beispiele hierfür sind die Einleitung einer Langzeitsauerstofftherapie oder einer Heimbeatmung. Hier ist eine intensive Kooperation mit den Mitbewohnern, der verordnenden Klinik und dem ambulanten Fachpersonal notwendig. Lebensweise und Wohnsituation müssen nicht selten komplett umgestellt werden.
Therapie der stabilen COPD Die bei der COPD eingesetzten Medikamente wurden überwiegend ursprünglich für das Asthma bronchiale entwickelt. Die beim Asthma vorliegende obstruktive Ventilationsstörung beruht jedoch auf anderen pathogenetischen Grundlagen, betrifft andere Patienten, zeigt andere klinische Symptome und spricht meist besser auf Bronchodilatatoren im Akuttherapietest an. Die Schweregradeinteilung der stabilen COPD dient als Grundlage für die Therapie (Abbildung 2, Tabelle 3). Sogenannten Risikopatienten mit normaler Lungenfunktion werden ausschliesslich präventive Massnahmen empfohlen. Neben der Reduktion der Risikofaktoren (Tabakrauchabstinenz) sind Schutzimpfungen (Influenza, Pneumokokken) indiziert.
Stadium I: Bronchodilatator bei Bedarf Bei der symptomatischen COPD werden in der medikamentösen Therapie vor allem Bronchodilatatoren eingesetzt. Im Stadium I ist ein kurz- und damit auch schnell wirksamer inhalativer Bronchodilatator zu verordnen und nur bedarfsweise vom Patienten anzuwenden. Anticholinergika haben gegenüber Betamimetika ein günstigeres Nebenwirkungsspektrum und sollten vor allem bei koronarer Herzkrankheit oder Herzrhythmusstörungen sowie bei Patienten, bei denen eine Überdosie-
Stellenwert von Theophyllin Theophyllin wird nur für die Zweit- beziehungsweise Drittlinientherapie empfohlen beziehungsweise bei Patienten, bei denen eine Inhalationstherapie nicht möglich ist. Dieses Medikament ist kritisch zu sehen, da die therapeutische Breite gering ist, Arzneimittelinteraktionen häufig sind und die Nebenwirkungen (Herzrhythmusstörungen, erniedrigte Krampfschwelle) vor allem bei zusätzlicher Hypoxämie oder Hypokaliämie bedrohlich sein können.
Stadium III: Glukokortikoide Ab Stadium III (FEV1 < 50%) sind bei wiederkehrenden Exazerbationen zusätzlich inhalative Steroide empfohlen. Sie bessern die Lebensqualität und die Symptome und senken die Zahl der Exazerbationen. Ein Nutzen ist nur bei Schulung und korrekter Anwendung zu erwarten. Inhalative Glukokortikoide sind sichere Medikamente. Trotzdem gibt es in der Langzeittherapie Hinweise für mögliche Nebenwirkungen wie Glaukom, Osteoporose, Nebennierenrindensuppression und dosisunabhängige Hautveränderungen. Subjektiv können Patienten durch Mundsoor und vor allem in der Anfangsphase durch Husten und Heiserkeit aufgrund geschwächter Stimmbandmuskeln beeinträchtigt sein. Im Gegensatz zum Asthma bronchiale konnte bei der COPD kein
Tabelle 3: Therapieoptionen bei COPD
Prävention: Raucherentwöhnung, Grippe- und Pneumokokkenschutzimpfung, Arbeitsplatzhygiene
Medikamentöse Behandlung: Anticholinergika, Betamimetika, Theophyllin, Glukokortikoide, Antibiotika, Mukopharmaka
Nichtmedikamentöse Behandlung: körperliches Training, Patientenschulung, Physiotherapie, Ernährungsberatung
Apparative und operative Behandlung: Langzeitsauerstofftherapie, nichtinvasive Beatmung, chirurgische oder bronchoskopische Lungenvolumenreduktion, Transplantation
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Abbildung 2: Stadiengerechte Therapie der COPD
günstiger Einfluss auf COPD-Progression und auf die wirksame Abnahme des FEV1 belegt werden. Mukolytika, Antitussiva und Antibiotika haben bei der stabilen COPD keinen gesicherten Nutzen.
Stadium IV: Sauerstoff und Operation Ziel der Langzeitsauerstofftherapie (LOT) ist eine Verbesserung des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes, damit eine Verbesserung der Versorgung vor allem der sauerstoffsensiblen Organe. Der Nutzen einer Langzeitsauerstofftherapie ist belegt für einen PaO2-Wert unter 55 mmHg (mit und ohne Hyperkapnie) oder für einen PaO2 unter 60 mmHg bei gleichzeitiger Rechtsherzbelastung beziehungsweise anderen Kriterien (Tabelle 4). Bei der LOT muss immer auch der PaCO2-Wert berücksichtigt werden: Steigt der PaCO2 durch eine zu hohe Sauerstoffgabe weit über den Normalbereich an, so drohen neben Azidose mit Elektrolytverschiebungen, welche gefährliche Arrhythmien auslösen können, auch Somnolenz, Bewusstlosigkeit («CO2Narkose») und Atemstillstand. Mit einer täglichen Sauerstoffapplikation über mehr als 15 Stunden können die Überlebensraten verdoppelt werden. Entscheidend ist die konsequente Anwendung bei körperlicher Belastung und im Schlaf. Für die Anwendung in der Wohnung ist ein Sauerstoffkonzentrator am kostengünstigsten. Mobile Patienten benötigen Flüssigsauerstoff, Rauchern darf die Verordnung von Sauerstoff nicht prinzipiell verweigert werden. Allerdings muss sichergestellt sein, dass während der Sauerstoffgabe nicht geraucht wird. Selbst in der Ausatemluft ist in der näheren Umgebung der Sauerstoffgehalt so hoch, dass erhebliche Brandgefahr besteht und die Patienten sich und ihre Umgebung dadurch in lebensbedrohliche Situationen bringen.
Rehabilitation früh beginnen Rehabilitationsmassnahmen sind ab Stufe II einzusetzen. Das Idealprogramm mit einem Team von Sport- und Physiotherapeuten, Psychologen und Ernährungsberatern ist bis jetzt in ambulanten Reha-Strukturen nur selten verfügbar. Wie wichtig diese Massnahmen jedoch sind, zeigt ein Blick auf Art und Häufigkeit der Begleiterkrankungen bei COPD-Patienten: Der Bewegungsapparat ist oft beeinträchtigt durch Osteoporose. Viele Patienten haben Wirbelkörperfrakturen, vor allem bei der
Anwendung von systemischen Glukokortikoiden. Bereits eine einzige Wirbelkörperfraktur verschlechtert die Lungenfunktionsparameter um durchschnittlich 7 Prozent. Ursachen für die Osteoporose sind die systemische, von den Bronchien ausgehende Entzündung, die durch Atemnot eingeschränkte Mobilität und möglicherweise der erhöhte Grundumsatz mit kataboler Stoffwechsellage. 50 Prozent der COPD-Patienten leiden an ungewolltem Gewichtsverlust. Eine Abnahme des Körpergewichtes um mehr als 10 Prozent in zwölf Monaten, mehr als 5 Prozent in vier Wochen oder ein Body-Mass-Index unter 21 kg/m2 erhöhen die Sterblichkeit signifikant. Die Physiotherapie umfasst neben der sogenannten Atemgymnastik auch Muskeltraining und den Umgang mit Hilfsgeräten zur verbesserten Sekretmobilisierung wie VRP-1 Flutter®, RC Cornet® oder Acapella® choice. Da etwa 25 Prozent der Patienten mit einem FEV1 von weniger als 50 Prozent an Depressionen leiden, ist auch eine psychische Mitbetreuung wünschenswert. Gerade wenn optimale Reha-Strukturen nicht verfügbar sind, haben Patientenschulung und der Kontakt mit Selbsthilfegruppen grösste Bedeutung.
Neue Therapieverfahren Vor allem bei Patienten vom Emphysemtyp wird die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion (Abbildung 3) in Zentren bereits ausserhalb von Studien eingesetzt. Hierbei werden endobronchiale Einwegventile (Abbildung 4) verwendet, die zu einer Atelektase beziehungsweise einer Volumenminderung im entsprechenden Lungenlappen führen. Dadurch werden benachbarte Strukturen dekomprimiert und so funktionell gebessert. Der Effekt entspricht prinzipiell dem einer chirurgischen Lungenvolumenreduktion. Das bronchoskopische Verfahren ist jedoch deutlich weniger invasiv, weil das Operationstrauma einer Eröffnung des Thorax entfällt und die implantierten Ventile gegebenenfalls bronchoskopisch wieder entfernt werden können.
Tabelle 4: Indikationen zur Langzeitsauerstofftherapie (LOT)
Bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz ist die Indikation für die Langzeitsauerstofftherapie gegeben, wenn in der stabilen Phase der Erkrankung nach Optimierung der Pharmakotherapie folgende Entscheidungskriterien erfüllt sind:
1. PaO2 < 55 mmHg in Ruhe mit und ohne Hyperkapnie. 2. PaO2-Werte zwischen 55 mmHg und 59 mmHg in Ruhe bei
Nachweis einer pulmonalen Hypertonie, peripheren Ödemen als Hinweis auf eine Herzinsuffizienz oder Polyglobulie (Hämatokrit > 55%).
In die Entscheidung sollten auch Messwerte unter Belastung und im Schlaf mit einfliessen. Ein begrenzter Anstieg des PaCO2 auf < 60–70 mmHg ist keine Kontraindikation gegen die Langzeitsauerstofftherapie. Lungenvolumenreduktion, Transplantation
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Abbildung 3: Radiologischer Verlauf nach bronchoskopischer Lungenvolumenreduktion
Wagner M, Ficker HJ, Klinikum Nürnberg
Bis anhin kommen nur Nichtraucher infrage, die weder extremes Übergewicht (BMI über 30 kg/m2) noch extremes Untergewicht (BMI unter 20 kg/m2 ) haben sollten. Für Patienten mit führender chronisch obstruktiver Bronchitis scheinen zukünftige medikamentöse Therapieoptionen Erfolg versprechend zu sein. Klinisch erprobt werden derzeit zum Beispiel sogenannte Chemokinin-Antagonisten. Chemokine aktivieren neben anderen Zellen vor allem neutrophile Granulozyten, welche die inflammatorisch bedingte Bronchialobstruktion bei der COPD wesentlich mitverursachen. Diese Medikamente sind gut oral verfügbar. Man erhofft sich von ihnen eine Unterdrückung der Entzündungsreaktion ohne die durch Glukokortikoide bekannten Nebenwirkungen. Diese und andere neue Verfahren sind derzeit noch an spezialisierte pneumologische Zentren gebunden. Bisherige Behandlungskonzepte können zwar das subjektive Befinden und die Lebensqualität zumindest für einen bestimmten Zeitraum bessern, allerdings konnte bisher trotz der oft erheblichen Nebenwirkungen nicht belegt werden, dass sich damit die Progredienz der Erkrankung verlangsamt. Möglicherweise können aktuelle Studien, wie zum Beispiel die Uplift-Studie mit Tiotropium, einen solchen «disease-modifying-effect» zeigen. Neue Therapieoptionen sind daher dringend wünschenswert. ■
Fa. Emphasys, Redwood City, California, USA
Abbildung 4: Endobronchiales Ventil EBV 4.0TM
Dr. med. Manfred Wagner Prof. Dr. med. Joachim H. Ficker
Medizinische Klinik 3 Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin
Klinikum Nürnberg Nord D-90419 Nürnberg
E-Mail: manfred.wagner@klinikum-nuernberg.de
Die Ergebnisse sind bei geeigneten Patienten beeindruckend. Häufig sind schon am Tag nach der Massnahme die Belastbarkeit und die Dyspnoe deutlich gebessert. Für dieses Verfahren sind Patienten mit heterogener Verteilung des Emphysems mit einem FEV1 unter 45 Prozent unter optimierter konservativer Behandlung mit stark erhöhtem Residualvolumen geeignet.
Interessenkonflikte: keine
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 13/2007. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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