Transkript
STUDIE
Statine beim akuten ischämischen Schlaganfall nicht absetzen
Eine Vorbehandlung mit Statinen reduziert Gehirnschädigungen bei zerebraler Ischämie. In einer randomisierten kontrollierten Studie kamen spanische Wissenschaftler nun ausserdem zu dem Ergebnis, dass bereits eine dreitägige Unterbrechung der Statinbehandlung in der Akutphase eines ischämischen Schlaganfalls mit einem erhöhten Risiko für Tod oder Behinderung assoziiert ist, und die Statintherapie daher auch in diesem Zeitraum fortgesetzt werden sollte.
Jüngere Untersuchungen weisen jetzt zudem darauf hin, dass Statine nicht nur effektiv in der Schlaganfallprävention sind, sondern auch in der Akutphase eines Insults auf vielfältige Weise neuroprotektiv wirken. Zusätzlich zu einer stark cholesterinsenkenden Wirkung haben Statine einen direkten Einfluss auf die Endothelfunktion, die Entzündungsaktivität, die oxidative Belastung, die Blutgerinnung und die Thrombozytenfunktion. Ausserdem beeinflussen sie auch die zelluläre Proliferation, die Zelldifferenzierung und die Plaquestabilität sowie die Angiogenese und das Immunsystem. Während der ersten Tage eines akuten Schlaganfalls wird die orale Einnahme von Medikamenten häufig unterbrochen, um eine Bronchoaspiration zu vermeiden. Kürzlich durchgeführte klinische Studien legen jedoch nahe, dass sich der Abbruch einer Statintherapie negativ auf die vaskuläre Funktion und das Ausmass der Gehirnschädigung auswirken könnte und daher sorgfältig überdacht werden sollte.
NEUROLOGY
Schon früher zeigte die SPARCL-(Stroke Prevention by Aggressive Reduction of Cholesterol Levels)-Studie, dass die regelmässige Einnahme von hoch dosiertem Atorvastatin (Sortis®, 80 mg/Tag) bei Patienten, die ein bis sechs Monate vor Studienbeginn einen ischämischen Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) erlitten hatten, mit einer signifikanten Reduzierung des Risikos um 16 Prozent für einen (erneuten) Schlaganfall über einen Folgezeitraum von fünf Jahren verbunden war.
Methodik Die Autoren untersuchten in ihrer offenen kontrollierten randomisierten Studie den Einfluss der Vorbehandlung mit Statinen und die Auswirkungen einer Unterbrechung der Statintherapie auf das klinische Ergebnis von Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall. Die an einem Zentrum durchgeführte Studie erfolgte im Zeitraum von Mai 2003 bis Mai 2005. Von 215 Patienten (53% Männer), die innerhalb von 24 Stunden eines hemisphärischen ischämischen Schlaganfalls eingewiesen wurden, ordnete man 89
Merksätze
■ Eine Vorbehandlung mit Statinen reduziert Gehirnschädigungen bei zerebraler Ischämie und senkt das Risiko für einen erneuten Insult.
■ Statine haben während der Akutphase eines ischämischen Schlaganfalls neuroprotektive Wirkungen.
■ Bereits eine dreitägige Unterbrechung der Statinbehandlung in der Akutphase eines ischämischen Schlaganfalls ist mit einem erhöhten Risiko für Tod oder Behinderung im Folgezeitraum von 90 Tagen verbunden.
■ Eine Statintherapie sollte daher auch im akuten Stadium kontinuierlich fortgesetzt werden.
Teilnehmer mit kontinuierlicher Statinbehandlung vor dem Schlaganfall (mediane Dauer 8,7 Monate [2–34 M.]), randomisiert entweder einer Unterbrechung der Statintherapie für drei Tage (n = 46) oder einer sofortigen Weiterbehandlung mit Atorvastatin (n = 43) mit 20 mg/Tag zu, ungeachtet der Dosis, die sie zuvor erhalten hatten. Patienten, die vor der Einweisung keine Statine erhalten hatten, wurden einer Referenzgruppe (n = 126) für die Sekundäranalyse zugeteilt. Ab dem vierten Tag erhielten dann sowohl alle randomisierten als auch die Patienten der Referenzgruppe eine Statintherapie mit 20 mg/Tag. Diese Behandlung wurde über mindestens drei Monate weiter fortgesetzt. Primäre Endpunkte der Studie waren Tod oder Behinderung (Score > 2 nach der modifizierten Rankin-Skala) nach drei Monaten. Sekundäre Outcome-Variablen waren frühe neurologische Verschlechterungen (early neurologic deterioration, END) und das Infarktvolumen der Tage 4 bis 7. In einer Sekundäranalyse wurden die Ergebnisvariablen mit den nicht randomisierten Patienten ohne vorherige Statintherapie verglichen.
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STATINE BEIM ISCHÄMISCHEN SCHLAGANFALL NICHT ABSETZEN
Resultate Patienten, deren Statintherapie unterbrochen wurde, wiesen am Ende des Follow-up-Zeitraums häufiger Behinderungen nach der Rankin-Skala (mRSScore > 2) auf als Patienten, deren Therapie fortgesetzt wurde (60% vs. 39%). Zudem wurden in der Unterbrechergruppe auch mehr Patienten mit frühen neurologischen Verschlechterungen (65,2% vs. 20,9%) und mit grösserem Infarktvolumen (74 [45–126] ml vs. 26 [12–70] ml) beobachtet als in der Patientengruppe, deren Statinbehandlung nicht abgebrochen worden war. Die Unterbrechung der Statintherapie war nach Adjustierung von Alter und Schwere des Schlaganfalls mit einer 4,66-(1,46–
14,91-)-fachen Zunahme des Risikos für Tod oder Behinderung sowie einem 8,67(3,05–24,63-)-fachen Risiko für frühe neurologische Verschlechterungen und einer Zunahme des mittleren Infarktvolumens um 37,63 ml assoziiert. Im Vergleich zu Patienten ohne Vorbehandlung mit Statinen war die Unterbrechung der Statinbehandlung mit einer 19,01-fachen (1,96–184,09) Erhöhung des Risikos für frühe neurologische Verschlechterungen und einer Zunahme des mittleren Infarktvolumens von 43,51 ml verbunden.
Fazit Die Unterbrechung der Statinbehandlung in der akuten Phase eines ischämi-
schen Schlaganfalls ist mit einem erhöh-
ten Risiko für Tod oder neurologische Be-
hinderungen innerhalb von 90 Tagen
verbunden. Daher sollte die Statinthera-
pie auch im akuten Stadium kontinuier-
lich fortgesetzt werden.
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Blanco M, Nombela F et al.: Statin treatment withdrawal in ischemic stroke – A controlled randomized study, Neurology, 2007, 69, 904–910.
Interessenkonflikte: Drei der zwölf Autoren arbeiten als wissenschaftliche Berater für Pfizer. Einer dieser Autoren ist Mitglied des SPARCL- Writing-Committee. Bei den restlichen Autoren bestehen keine Interessekonflikte.
Petra Stölting
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