Transkript
FORTBILDUNG
COPD-Exazerbationen
Wie sie verursacht werden und was man präventiv tun kann
Akute Exazerbationen einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) bringen den
Merksätze
Patienten in Gefahr und gehen mit einer erhöhten respiratorischen und systemischen Entzündungsaktivität sowie mit einer Lungenüberblähung einher. Zur medikamentösen Prävention von Exazerbationen stehen Medikamente wie inhalative Steroide und lang
■ COPD-Exazerbationen werden oft durch Atemwegsinfekte getriggert und gehen mit erheblicher Morbidität und Mortalität einher.
■ Die Häufigkeit der COPD-Exazerbationen lässt sich durch Präventivmassnahmen nur begrenzt reduzieren.
■ Zukünftige Untersuchungen sollten klären, wie erfolgreich eine Kombination verschiedener Präventionsstrategien ist.
wirksame Bronchodilatatoren zur Verfügung.
Nicht medikamentöse Präventionsmassnah-
men gewinnen zunehmend an Bedeutung.
LANCET
Einige COPD-Patienten sind für Exazerbationen besonders anfällig, schreiben J.A. Wedzicha und T.A.R. Seemungal im «Lancet». Es handelt sich dabei um Patienten, die sich ohnehin bereits in einem schlechteren Gesundheitszustand befinden und die eine raschere Krankheitsprogredienz aufweisen.
Komplexe Interaktionen Bei COPD-Exazerbationen kommt es zu komplexen Interaktionen zwischen Wirt, respiratorischen Viren, Atemwegsbakterien und Umweltschadstoffen, was zu einer Zunahme von Entzündungsreaktionen führt.
Viren im Winter COPD-Exazerbationen werden häufig durch Infekte der oberen Atemwege angestossen, die besonders in den Wintermonaten kursieren. Exazerbationen, die durch virale Atemwegsinfekte getriggert werden, sind schwerer und anhaltender und führen
häufiger zu Klinikeinweisungen als Exazerbationen, die durch andere Faktoren ausgelöst wurden. Molekulardiagnostische Methoden erlauben heute den Nachweis respiratorischer Viren. Am häufigsten führen Rhinoviren zu Exazerbationen, aber auch Coronaviren, Adenoviren sowie Influenza- und Parainfluenzaviren werden nicht selten nachgewiesen. Seit die Grippeimpfung für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen empfohlen wird, führt das Influenzavirus nicht mehr so häufig zu Exazerbationen, allerdings kann es in Epidemiezeiten eine wichtige Rolle spielen.
Bakterielle Infekte – was bedeuten sie? Welche Rolle Bakterien bei COPD-Exazerbationen spielen, ist nicht ganz einfach zu sagen, weil die Atemwege häufig auch während stabiler COPD-Phasen mit Bakterien wie Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae, Moraxella catarrhalis, Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa kolonisiert sind. In einer Studie mit COPD-Patienten konnten bei 48,2 Prozent der Patienten während stabiler Krankheitsphasen Bakterien nachgewiesen werden, während COPD-Exazerbationen jedoch in 69,6 Prozent. Bei eitrigem Sputum fallen die Bakterienkulturen häufiger positiv aus als bei klarem Sputum. Eine Studie konnte nachweisen, dass antibiotisch behandelte Patienten mit akuter COPD-Exazerbation eher auf die Therapie ansprachen als diejenigen Patienten, die kein Antibiotikum erhielten. Möglich ist auch, dass bei COPD-Exazerbationen gleichzeitig eine virale und eine bakterielle Infektion vorliegt.
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FORTBILDUNG
Tabelle: Bakterien und Viren, die häufig bei Patienten mit COPD-Exazerbationen nachgewiesen werden
Bakterien
■ Haemophilus influenzae ■ Moraxella catarrhalis ■ Streptococcus pneumoniae ■ Pseudomonas aeruginosa
Viren
■ Rhinovirus ■ Coronavirus ■ Influenzavirus ■ Parainfluenzavirus ■ Adenovirus ■ Respiratory-syncytial-Virus
(RSV)
Luftverschmutzung tut das Übrige Bei zunehmender Umweltverschmutzung kann es bei COPDPatienten häufiger zu Exazerbationen und zu Klinikeinweisungen kommen. Möglicherweise lösen verbreitete Schadstoffe wie Stickoxide oder Schadstoffpartikel nicht allein, sondern in Zusammenhang mit Virusinfektionen Exazerbationen aus.
Exazerbationen verschlechtern Prognose Je ausgeprägter die zugrunde liegende COPD, umso häufiger kommt es zu Exazerbationen, die zunehmend schwer verlaufen. Patienten, die häufig Exazerbationen erleiden, weisen im Vergleich zu Patienten mit selteneren Exazerbationen eine schlechtere Lebensqualität und eine höhere Mortalität auf. Darüber hinaus führen häufige Exazerbationen zu einer rascheren Abnahme der Lungenfunktion und zu einer ausgeprägteren Entzündung der Atemwege. Eine Abnahme der Exazerbationshäufigkeit führt zu einer besseren Lebensqualität der Patienten sowie zu selteneren Hospitalisationen und Einsparungen im Gesundheitswesen. Es wurden verschiedene Medikamente eingesetzt, um die Exazerbationsfrequenz zu senken.
Impfung empfohlen Die Grippe- und die Pneumokokkenimpfung werden für COPDPatienten empfohlen. Eine Studie mit älteren lungenkranken Patienten konnte zeigen, dass die Grippeimpfung die Anzahl der Arztbesuche und Hospitalisationen senkt und die Mortalität reduziert. Eine andere Studie ergab, dass die Impfung von COPD-Patienten mit dem Pneumokokkenimpfstoff, der gegen 23 Serotypen wirkt, bei unter 65-jährigen Patienten mit schwerer Atemwegsobstruktion die Häufigkeit ambulant erworbener Pneumonien senkt. In grösseren Studien sollte untersucht werden, wie wirksam die Pneumokokkenimpfung bei über 65-jährigen COPD-Patienten ist.
Wirksame Doppeltherapie: Steroid plus Bronchodilatator Die ISOLDE-Studie (Inhaled Steroid in Obstructive Lunge Disease in Europe) kam zu dem Ergebnis, dass sich die Exazerbationsfrequenz mit inhalativen Steroiden um etwa 25 Prozent
senken lässt, wobei vor allem Patienten mit ausgeprägteren Störungen der Lungenfunktion von der Behandlung profitierten. Die Ergebnisse einer amerikanischen Studie weisen darauf hin, dass inhalativ verabreichtes Triamcinolon die Häufigkeit von COPD-Exazerbationen reduziert. Inhalative lang wirksame Beta-2-Agonisten (LABA) führen zu einer geringen Reduktion der Exazerbationsfrequenz. Allerdings erstreckten sich die meisten Studien nur über zwölf Wochen. Alle in den letzten Jahren durchgeführten grösseren Studien zur Kombinationstherapie ergaben, dass die Kombination aus einem LABA und einem inhalativen Steroid die Exazerbationsfrequenz erfolgreicher senken kann als eines der beiden Medikamente allein. In die meisten Studien wurden Patienten mit schwereren COPD-Formen aufgenommen, sodass nicht ganz klar ist, wie gut die Kombinationstherapie bei leichteren COPD-Formen die Exazerbationsfrequenz senkt. Möglicherweise ist eine Tripeltherapie, bestehend aus dem lang wirksamen Anticholinergikum Tiotropium, Salmeterol und Fluticason, noch erfolgreicher als die Zweifachkombination, doch muss dies in grösseren Studien untersucht werden.
Phosphodiesteraseinhibitoren Studien mit dem Phosphodiesteraseinhibitor Theophyllin lassen vermuten, dass dieses Medikament die Exazerbationshäufigkeit in geringem Umfang senken kann, doch sind hierzu weitere Untersuchungen erforderlich. Eine Studie mit dem Phosphodiesterase-4-Inhibitor Cilomilast* konnte eine Reduktion von Exazerbationen in der Cilomilastgruppe nachweisen. In einer Studie mit dem Phosphodiesterase-4-Inhibitor Roflumilast* wurde eine Abnahme der Exazerbationen nach 24-wöchiger Behandlung gezeigt. In einer anderen Studie mit Roflumilast kam es während der einjährigen Studienphase nur bei Patienten mit schwerer COPD zu einer Senkung der Exazerbationsrate. Derzeit werden wirksamere und besser verträgliche Phosphodiesterasehemmer entwickelt.
Mukolytika: schwache Evidenz In einigen Ländern werden Mukolytika häufig eingesetzt. Viele Praktiker und Patienten sehen im Alltag angeblich eine gewisse Linderung. Nach den einschlägigen Studien zu urteilen, ist die Evidenz, dass Schleimlöser COPD-Exazerbationen verhindern können, nicht sehr überzeugend.
Langzeitantibiose: Bedeutung unklar Bei Patienten mit sehr häufigen Exazerbationen wurde vor Jahren eine Langzeit-Antibiose eingesetzt. Dies kann Probleme hervorrufen, wenn resistente Bakterien zu einer vermehrten Entzündung der Atemwege führen. Andererseits weisen die unteren Atemwege vieler COPD-Patienten eine bakterielle Kolonisation auf, die ihrerseits zu vermehrten Exazerbationen führen kann. Welchen Stellenwert die Langzeitantibiose bei diesen Patienten einnimmt, wird derzeit in Studien geklärt.
* in der Schweiz (noch) nicht im Handel
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FORTBILDUNG
Nicht medikamentöse Prävention Rehabilitation und Patientenschulung: empfehlenswert Die pneumologische Rehabilitation ist heute eine anerkannte Massnahme und vorteilhaft für die Patienten, doch ist unklar, ob dadurch Exazerbationen verhindert werden können. Die Ergebnisse einer Studie weisen darauf hin, dass Rehabilitationsprogramme zwar den Schweregrad, aber nicht so sehr die Häufigkeit von Exazerbationen vermindern können. Ob intensive Patientenschulungen die Hospitalisationsraten senken können, ist aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse nicht klar. COPD-Patienten sind oft schon älter und weisen nicht selten kognitive Störungen auf. Es steht derzeit noch nicht fest, welche ambulanten Programme am besten für COPD-Patienten geeignet sind, die ein hohes Hospitalisationsrisiko aufweisen.
In einer kontrollierten einjährigen Studie wurde der Effekt einer nicht invasiven Beatmung untersucht. Auf die Exazerbationsrate hatte die Beatmung keinen Einfluss, jedoch wurde nach drei Monaten eine Senkung der Hospitalisationsrate beobachtet. ■
J. A. Wedzicha (Academic Unit of Respiratory Medicine, Royal Free and University College Medical School; University College London, UK) et al.: COPD exacerbations: defining their cause and prevention. The Lancet 2007; 370: 786–796.
Interessenkonflikte: Beide Autoren geben Verbindungen zu verschiedenen pharmazeutischen Firmen an, die Medikamente zur Prävention von COPD-Exazerbationen herstellen.
Andrea Wülker
Langzeit-Sauerstofftherapie bei schwerer Krankheit Die Langzeit-Sauerstofftherapie bietet für chronisch hypoxämische COPD-Patienten verschiedene Vorteile: Sie verringert Angst und Depression und senkt die Mortalität. Darüber hinaus müssen Patienten unter Langzeit-Sauerstofftherapie seltener ins Krankenhaus eingeliefert werden.
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