Transkript
FORTBILDUNG
Asthma bei Kindern
Einige wichtige Aspekte zum Management
Es gibt verschiedene Erscheinungsformen obstruktiver Atemwegserkrankungen im Säuglings-, Vorschul- und Schulalter. Nicht alle sprechen auf die gleichen Medikamente an. In einem Beitrag für das «British Medical Journal» fassen J. Townshend et al. einige wichtige Erkenntnisse zusammen.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Merksätze
■ Inhalative Kortikosteroide sind in den empfohlenen Dosierungen sicher, in höheren Dosierungen können schwere Nebenwirkungen auftreten, u.a. eine Adrenalinsuppression.
■ Lang wirksame Beta2-Sympathikomimetika werden als Zusatzbehandlung eingesetzt. Wenn kein Erfolg erkennbar ist, sollten sie abgesetzt werden.
■ Inhalative Kortikosteroide verhindern die Entwicklung eines Asthmas nicht. Sie sollten auch nicht als präventive Therapie des episodischen «viral wheeze» eingesetzt werden.
Nicht jede Obstruktion ist auch ein Asthma bronchiale. Vor allem im Säuglings- und Kleinkindesalter lässt es sich nicht immer leicht diagnostizieren. So kann die Unterscheidung zur viral bedingten obstruktiven Bronchitis, dem «viral wheeze», schwerfallen. Dieses beginnt typischerweise mit einem Infekt der oberen Luftwege, ehe sich dann nach wenigen Tagen pfeifende Atmung oder gar Dyspnoe einstellen. Die Symptome verschwinden aber meist innert zwei Wochen. Zwischen solchen Infektexazerbationen besteht offenbar kein entzündlicher Prozess und auch keine bronchiale Hyperreagibilität. Das «viral wheeze» verschwindet oft im Schulalter. Allerdings gibt es auch kleine Patienten, die rezidivierende Symptome aufweisen, das heisst, sie machen mindestens 3 Episoden innert 6 bis 12 Monaten durch. Diese Kinder haben auch interkurrente Beschwerden, und es existiert eine Entzündung der Atemwege und eine bronchiale Hyperreagibilität. In der Anamnese finden sich dann unter Umständen Gedeihstörungen und Trinkschwäche, persistierender Husten oder «wheeze» bei unspezifischen Reizen wie Kälte oder Rauch. Diese Verläufe setzen sich oft bis ins Schulalter fort. Als Risikofaktor gilt eine atopische Belastung. Vor allem bei Kindern, bei denen die Krankheit jenseits des 3. Lebensjahres beginnt, liegt oft eine Atopie vor. Grundsätzlich treten die jeweiligen Erscheinungsformen bevorzugt in einem bestimmten Alter auf. Episodische virale
Obstruktionen sind im 1. Lebensjahr häufig; ein rezidivierender Verlauf, der bis ins Schulalter persistiert, spricht eher für ein exogen allergisches Asthma bronchiale.
Wie wird ein episodisches «viral wheeze» behandelt? Über die Behandlung des episodisch auftretenden «viral wheeze» gibt es unterschiedliche Auffassungen. Einige Ärzte favorisieren ein Vorgehen wie beim akuten Asthma und setzen Steroide und Beta2-Sympathikomimetika (Bronchodilatatoren) ein. Von der evidenzbasierten Medizin ist dieses Vorgehen aber nicht gedeckt. Ein Cochrane Review zog acht Studien zu Rate, an denen insgesamt 229 Patienten unter zwei Jahren teilnahmen und mit kurz wirksamen Beta2-Sympathikomimetika behandelt wurden. Das Ergebnis: Weder beim episodischen noch beim persistierenden «viral wheeze» ergab sich ein Nutzen. Ebenso unklar ist in dieser Indikation derzeit der Gebrauch von Anticholinergika. Einschlägige Studien konnten bei Kleinkindern unter 2 Jahren keinen Einfluss auf die Symptomatik und den Verlauf feststellen. Allerdings, so schreiben die Autoren, seien die untersuchten Patientenkollektive recht heterogen gewesen. Es lasse sich durchaus nicht ausschliessen, dass manche der jungen Patienten, die sich bei näherem Hinsehen womöglich bestimmten Subgruppen zuordnen liessen, doch profitierten.
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ASTHMA BEI KINDERN
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Abbildung 1: Informationen, die in einen individuellen Behandlungsplan integriert werden sollten
Derzeit jedoch könne eine allgemein verbindliche antiasthmatische Therapie bei akutem «viral wheeze» nicht empfohlen werden. Zumindest sollten sich Ärzte, die Medikamente einsetzten, von der Wirksamkeit im Einzelfall überzeugen, bevor sie sie regelmässig verordneten. Günstiger erscheint die Anwendung von Steroiden. Hier zeigte sich beispielsweise, dass hohe Dosen eines inhalativen Steroids durchaus wirksam sein können, wenn sie bei Patienten mit episodischem «viral wheeze» bei Auftreten der ersten Infektionssymptome verabreicht werden.
Wie ist die Langzeittherapie des allergischen Asthmas? Zur Behandlung des allergischen Asthmas existieren klar umrissene Richtlinien, die sich am Alter der Patienten orientieren. Wichtige Grundlage jeder Asthmatherapie ist ein Behandlungsplan, den der Arzt mit dem Patienten und seinen Eltern gemeinsam aufstellt. Darin sollte auch das Verhalten in bestimmten Situationen festgehalten werden. Die BMJ-Autoren geben dafür ein Beispiel (Abbildung 1). Die medikamentöse Behandlungsstrategie erfolgt im Übrigen stufenweise, bis das Ziel einer Asthmakontrolle erreicht ist. Die Anfangsstufe orientiert sich dabei an der vorherrschenden Symptomatik. Wenn ein Kind mehrere Monate symptomfrei ist, kann man auf der Stufenleiter heruntergehen, allerdings immer unter Berücksichtigung vorhandener Riskofaktoren. Steroide, die heute insgesamt früher eingesetzt werden, sollten dabei stets in kleinen Schritten in der Dosis reduziert werden.
lich sind, steigt das Risiko bei höheren Dosierungen deutlich. Bei einer Dosis von über 400 µg/Tag Beclomethason (äquivalent) ist eine Wachstumsverminderung um 0,8 cm pro Jahr kurzfristig zu erwarten, auf lange Sicht erreichen die Kinder dann aber doch ihre normale Körpergrösse. Eher Anlass zur Vorsicht ist eine andere Nebenwirkung: die Adrenalinsuppression bei Kindern unter hohen Steroiddosierungen. Es gibt einige Berichte, die eine regelrechte akute Adrenalinkrise mit schweren Hypoglykämien beschreiben, auch ist ein Todesfall dokumentiert. Grundsätzlich sollte man sich ein paar Fragen stellen, wenn ein asthmakrankes Kind mit den normalen Steroiddosierungen nicht auskommt: ■ Ist die Diagnose korrekt? ■ Gibt es bestimmte Trigger, die vermeidbar wären? ■ Führt der Patient die Therapie wirklich durch (Com-
pliance), kommt genügend Wirkstoff in der Lunge an (richtige Technik)? ■ Sind andere Therapiemöglichkeiten vorhanden, mit denen die Steroiddosis verringert werden kann?
Lang wirksame Bronchodilatatoren – welche Rolle spielen sie? Kurz wirksame Beta2-Sympathikomimetika wie Salbutamol (z.B. Ecovent®) oder Terbutalin (Bricanyl®) sind dem Einsatz im Bedarfsfall vorbehalten («reliever»), sie sind nicht zur Prävention geeignet. Das Gleiche gilt für Ipatropiumbromid (Atrovent®), das meist in Kombination eingesetzt wird. Müssen die Medikamente sehr oft eingesetzt werden, ist dies ein Zeichen dafür, dass man eine Behandlungsstufe hinaufgehen sollte.
Stufe 1 oorraallee SStteerrooiiddee hhiinnzzuuffüüggeenn uunndd ÜÜbbeerrwweeiissuunngg aann SSppeezziiaalliisstteenn
Stufe 2
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Stufe 3
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Inhalative Steroide – gefährlich für Kinder? Beachtliche Erfolge können mit Hilfe von inhalativen Kortikosteroiden in geringen und mittleren Dosierungen erzielt werden (z.B. Beclamethason 400 µg/Tag oder Fluticason 200 µg/Tag). Es hat sich aber auch gezeigt, dass Steigerungen der Dosis keinen sehr grossen therapeutischen Zugewinn bringen. Obwohl Nebenwirkungen in den üblichen Dosierungen unwahrschein-
Stufe 4
ininhhaalalatitviveeSSteteroroidide hinzufügen 200 bis 400 μg/Tag
Stufe 5
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Abbildung 2: Stufenschema zur Behandlung des Asthmas im
Vorschulalter*
* nach Townshend et al. (2007)
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FORTBILDUNG
Steroide bei «viral wheeze»?
Momentan gibt es keine Dauertherapie zur Prävention von «viral wheeze». Anders als bei allergischem Asthma bringt die regelmässige Steroidinhalation hier keinen Nutzen. Jüngere Studien haben die Hoffnung genährt, dass dagegen Leukotrien-Antagonisten in dieser Indikation womöglich Erfolg versprechend eingesetzt werden können. In einer doppelblinden Multizenterstudie sank die Zahl der Exazerbationen um 32 Prozent, und es konnten 30 Prozent Kortikosteroide eingespart werden. Allerdings bedürfe es noch umfangreicherer Studien, die diese Ergebnisse bestätigten, schreiben die Autoren.
Eine Möglichkeit, die Asthmakontrolle zu verbessern, ohne die Steroiddosis zu erhöhen, bieten die lang wirksamen Beta2-Sympathikomimetika. In einer Einmaldosis verabreicht gewährleisten sie auch bei Kindern eine Verlängerung der Bronchodilatation. Studien bei Adoleszenten und Erwachsenen haben gezeigt, dass das Hinzufügen dieser Substanzen mehr einbringt als eine Verdoppelung der Steroiddosis. Allerdings haben Studien der letzten Jahre ergeben, dass lang wirksame Bronchodilatatoren wie Salmeterol (Serevent®) oder Formoterol (Foradil®, Oxis®) mit einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko einhergehen können. Eine Metaanalyse zeigte, dass die Zahl der Exazerbationen und Todesfälle unter diesen Substanzen steigt. Deshalb sollte man, nach Meinung der Autoren, gerade bei Kindern vorsichtig mit einem regelmässigen präventiven Einsatz dieser Substanzen sein. Zwar deute vieles darauf hin, dass es viele Kinder gibt, die davon profitieren, aber bis geeignete Studien verfügbar seien, bleibe die Sicherheit unklar. In jedem Fall sollte man mit lang wirksamen Bronchodilatatoren behandelte Kinder engmaschig kontrollieren und die Therapie bei ausbleibendem Erfolg abbrechen, meinen die Autoren.
Können Steroide ein Asthma verhindern? Asthma beginnt oft mit diskreten wiederholten «wheeze»-Episoden. Eine Zeitlang ging die Vermutung, dass eine frühzeitige
Stufe 4
Stufe 4: Überweisung an Spezialisten
Stufe 3
Bei Kindern zwischen 2 und 5 Jahren Leukotrien-Antagonist versuchen, bei Kindern unter 2 Jahren gleich zur Stufe 4 übergehen
Stufe 2
200 bis 400 ug/Tag Steroid hinzufügen, wenn dies nicht möglich Leukotrien-Antagonisten
Intervention mit Steroiden die Entwicklung hin zum Asthma aufhalten könne. Von dieser Vorstellung ist man inzwischen aber abgekommen. Alle aktuellen Empfehlungen lauten deshalb: Kortikosteroide sind reserviert für Kinder mit persistierenden Symptomen.
Was tun bei schwerem Asthma?
Ein gewisser Prozentsatz asthmakranker Kinder spricht nicht
auf die konventionelle Therapie an. Diese Kinder haben weiter-
hin schwere, zum Teil lebensbedrohliche Anfälle. Bei ihnen
kommt man schliesslich oft nicht um die längerfristige Gabe
von Steroiden herum. Die Patienten sind vom Spezialisten zu
behandeln, der engmaschig Kontrollen vornimmt.
Wenn ein Asthma als therapierefraktär erscheint, muss das
nicht unbedingt an einem Versagen der Medikamente liegen.
Die häufigsten Ursachen sind fehlende Compliance oder falsche
Inhalationstechnik. Zur Überprüfung mangelnder Therapie-
treue kann das Steroid subkutan einmal im Monat verabreicht
werden. Ändert sich die Situation nicht, spricht dies für eine
echte Therapieresistenz. Es bleibt dann als medikamentöse
Alternative unter Umständen ein Versuch mit zusätzlichem
Immunsuppressivum wie etwa Ciclosporin (Ciclosol® u.a.)
oder Methotrexat (Methotrexat «Ebewe» u.a.). Dies ist aller-
dings eine Ultima Ratio, die Ergebnisse fallen nicht gut aus. Eine
andere Therapie ist die subkutane Applikation von Terbutalin.
Inzwischen wird auch der monoklonale Antikörper Omali-
zumab (Xolair®) als Alternative zu Methotrexat bei schwerstem
Asthma eingesetzt. Omalizumab vermag die IgE-vermittelte
Mastzelldegranulation zu unterbinden. Die Substanz wird
zwei- oder vierwöchentlich subkutan injiziert und ist anschei-
nend gut verträglich. In einigen Studien verringerte sich unter
der Behandlung die Exazerbationsrate, und es liessen sich
Steroide einsparen.
Manche Experten befürworten bei schwerstem Asthma eine
invasive Diagnostik, das heisst eine bronchoalveoläre Lavage,
um auf diese Weise lokale Eosinophilie und Neutrophilie fest-
stellen zu können. Einer Hypothese zufolge soll eine persis-
tierende eosinophile Entzündung besser auf Ciclosporin, eine
neutrophile Inflammation dagegen besser auf Azithromycin
ansprechen. Allerdings ist auf diesem Gebiet vieles noch
ungeklärt.
■
J. Townshend et al.: Management of asthma in children. BMJ 2007; 335: 253–257.
Interessenkonflikte: Die BMJ-Autoren haben keine Interessenkonflikte deklariert.
Uwe Beise
Stufe 1
inhalativer kurz wirksamer Bronchodilatator
Abbildung 3: Stufenschema zur Behandlung des Asthmas im
Schulalter*
* nach Townshend et al. (2007)
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