Transkript
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Rosenbergstrasse 115
Versuchen Sie mal, Geld zu erhalten für eine Studie über das Nüssesammelverhalten von mitteleuropäischen Eichhörnchen. Fast aussichtslos. Es sei denn, sie ergänzen den Studientitel mit dem Zusatz «… im Lichte der globalen Temperaturerhöhung». Studiengelder in Milliardenhöhe warten darauf, für die Erforschung der Klimaerwärmung ausgegeben zu werden. Selber dumm jeder karrierebedachte Akademiker, der an der menschengemachten Klimaerwärmung zweifelt.
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Wenn die Politiker nicht weiter wissen, kommen ihnen eifrige BürgerInnen zu Hilfe. Mit dem Verbieten von Offroadern, Hunden, Rauchen, Cheminéefeuern, Feuerwerken, Weihnachtsbeleuchtungen über 50 Lux, Grillieren oder Wohnraumtemperaturen über 20 Grad kann man sich längst nicht mehr profilieren. Da kommt die Idee einer Leserbriefschreiberin gerade recht: Wozu brauchts Heizpilze (Sie wissen schon: diese elektrisch oder mit Gas betriebenen Wärmestrahler auf der Terrasse oder im Strassencafé)? Brauchts natürlich nicht (wie so vieles). Und deshalb der nahe liegende Vorschlag: Verbieten! Schwupps hat sich ein Politiker gefunden, der daraus einen parlamentarischen Vorstoss bastelt.
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Dabei gäbs noch so vieles andere, das ebenfalls nicht notwendig ist und doch Ressourcen verbraucht oder/und die Umwelt belastet. Nachfolgend deshalb als Anregung für gewählt werden wollende PolitikerInnen eine (selbstverständlich unvollständige) Liste mit grundsätzlich nicht lebensnotwendigen, allerhöchstens Lust bereitenden und daher potenziell verbotsgeeigneten Gegenständen und Aktivitäten: iPods, Tageszeitungen, Skiferien, Modelleisenbahnen, Wegwerfwindeln,
Schuhe ab dem fünften Paar, Geschirrspüler, Solarien, Fast Food, elektrische Zahnbürsten, Swimmingpools, Last-minute-Flüge nach Kreta, Antifaltencrème, Mopeds, Autos über 1100 ccm sowieso, Spirituosen, Spargeln aus Peru, Guggenmusik, Brennöfen für Hobbytöpfer, tägliches Fernsehen, Verwandtenbesuche im oder aus dem Ausland, Terrarien, Couchepin-Zitate …
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Apropos schädlich. Man kennt das: Fast jeder will SMSsen oder wenigstens mit seinem Mobiltelefon telefonieren, viele aber mögens gar nicht, wenn die dafür notwendigen Antennen auf dem Nachbarhaus stehen. Nicht aus ästhetischen Gründen (die Antennen werden gut camoufliert), sondern aus Angst vor krankmachenden Strahlungen. Und mit dieser Angst ist man grundsätzlich auf der sicheren Seite. Strahlungen eignen sich ausgezeichnet für Ängste. Keiner kann sie wegbeweisen. Ist nämlich keine Strahlung nachweisbar, dann liegt das – klar – an der insuffizienten Messmethode. Wichtiger aber: Wer könnte je beweisen, dass eine Strahlung unschädlich ist? Eben. Denn wer weiss schon, wie lange es dauert, bis die bisher zwar nie beobachteten, aber theoretisch nicht auszuschliessenden Schäden wirklich auftreten? Die aktuelle Nichtexistenz von schädlichen Auswirkungen beweist nie und nimmer ihr Ausbleiben in Zukunft. Ausserdem: Wenn die einen keine Beeinträchtigung verspüren, dann liegt das fast zwingend an deren mangelnder Sensibilität. Anders gesagt: Wer wirklich gesund ist, der muss einfach krank werden ob all der Strahlen.
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Manche übrigens akzeptieren allein die Tatsache, dass es Heil- und Schutzmethoden gibt (beispielsweise abschirmende Kupferdecken) als Beweis für die Existenz einer
realen Gefahr. Die Esoteriker funktionieren da nicht anders als die Industrie. In dem Moment, wos ein wirksames Mittel gegen Haarausfall (Impotenz, Falten usw.) gibt, werden aus Haarausfall, Impotenz und Falten subito Krankheiten.
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Ein aktueller Verkaufsschlager für jede moderne, wirtschaftlich agile Arztpraxis: Der Euro-Check. Deutsche Epidemiologen haben herausgefunden, dass der emotionale Stress bei wichtigen WM-Spielen der deutschen Fussballnationalmannschaft den deutschen Herzen gar nicht gut getan hat. Die Zahl der notfallmässigen Spitaleinweisungen im zeitlichen Umfeld wichtiger Spiele war signifikant angestiegen. Solches sollte im Rahmen der Euro 08 vermieden werden. Deshalb der Aufruf an alle Risikopatienten: Lasst euch – spätestens vor dem Halbfinal, besser aber bereits vor dem Ticketverkauf – eurochecken. Nicht wundern würde es einen, wenn die UEFA auf die Idee käme, für jeden Check beim Arzt eine Maklerprovision einzufordern.
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Eine gute, wohlgefällig mollige Bekannte meinte, sie habe zuviel Gewicht. Nun versuche sie es mit Diät. Nein, mit keiner bestimmten, sondern mit mehreren gleichzeitig. Mit einer allein werde man ja nicht satt.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 4 ■ 2008 125