Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Kollege HNO (in etwa Originalton): «Der Peritonsillarabszess sucht den Hausarzt am Montagmorgen auf, erhält Antibiotika wie verrückt und kann trotzdem nur mit dem Röhrchen trinken. Am Freitagabend schliesslich schickt der Hausarzt ihn direkt zu mir oder ins Spital, auf dass ich statt des Abendessens operieren kann. Ist ja egal, wir leisten unsere Notfalleinsätze genau so «gern» wie die Allgemeinpraktiker. Aber wenn ich dann jahrelang hören muss, wir Spezialisten seien schuld an der Teuerung im Gesundheitswesen, werde ich stinkesauer.» Die Quintessenz der abendlichen Kropfleerete des Kollegen von der ORLZunft, der sich vorzeitig ins Privatleben zurückgezogen hat: Seid netter zu den Spezialisten.
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Die Abstimmung im Kanton Zürich über die Einführung beziehungsweise Wiederzulassung der Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur (deren Datum noch nicht feststeht, im besten Fall wird’s im Frühjahr sein, vermutlich aber eher im Herbst) wirft erste Schatten voraus. Die FMH scheint sich trotz der eher indifferenten Romandie voll hinter die Ärzte mit Patientenapotheke zu stellen. Gut so. Der Ausgang der Zürcher Abstimmung ist für die Selbstdispensation in der Schweiz ausschlaggebend. Deshalb bereits heute – und in ARS MEDICI mit Sicherheit nicht zum letzten Mal – der Aufruf an alle Kolleginnen und Kollegen in der ganzen Schweiz: Für einmal ist so etwas Ungewohntes wie Solidarität gefragt mit den Zürcher Kollegen. Tun Sie, was Sie wollen, nur tun Sie etwas: Schreiben Sie Leserbriefe, informieren Sie Ihre Patienten, werden Sie Mitglied der APA (www.apa-dma.ch) und lesen Sie die APA-News in der ARS MEDICI, reden Sie mit Politikerinnen und Politikern, unterstützen Sie das Abstimmungskomitee.
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Das Börsenjahr an der Wall Street hat miserabel angefangen. Mancher von uns ist um einiges weniger vermögend als noch vor einem halben Jahr. Aber egal. Wissen Sie, warum die Wall Street so heisst? Richtig, weil hier mal ein Wall gestanden hat. Aber: ein Wall wofür oder wogegen? Nun, bis ins vorletzte Jahrhundert war es in amerikanischen Städten üblich, Schweine frei herum laufen zu lassen. Sie hatten die wichtige Aufgabe, den Unrat in den Strassen zu vernichten – indem sie ihn auffrassen. (Wieviel neuen, dafür aber einheitlichen Unrat in Form von Schweinescheisse dadurch entstand, bleibt offen.) Um die Schweine am ungehinderten Stöbern auch in Gegenden, in denen sie weniger erwünscht waren, zu hindern, wurden eben Wälle gebaut. An andern Orten führte man das Amt des Schweinevogts ein. Dieser Beamte (oft waren mehrere nötig) hatte den Auftrag, alle jene Schweine einzufangen und einzusperren, die irgendwie Ärger machten oder sich besonders dreist verhielten, zum Beispiel indem sie die Leute von den Bürgersteigen schubsten. Heutzutage wünschte man sich solche Vögte an der Wall Street selber. Um alle jene Schweine einzufangen und einzusperren, die sich besonders dreist verhalten, zum Beispiel indem sie mit ihren einzig und allein den Provisionen verpflichteten Geschäften die Kleinanleger in den Verlust schubsen.
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Kein Problem zu klein, um nicht von Experten untersucht, in einer Fachkommission beraten und von der Verwaltung in Richtlinien zu seiner Lösung allgemeinverbindlich gefasst zu werden. Bei gesundheitsgefährdenden Zwischenfällen sind Manuals besonders nützlich, glaubte der britische Parlamentsdienst und erstellte eine zehnteilige Anordnung zum Umgang mit – zerbroche-
nen Glühbirnen. Sie lachen? Lachen Sie nur! Würden Sie alle unsere Gesetze und Verordnungen kennen, verginge es Ihnen.
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Ein Leserbriefschreiber in einer Tageszeitung schreckt auf mit seiner Schilderung der Welt, wie sie vor gut 50 Jahren aussah. Ein Schauder überkommt einen, wenn man die (bei weitem unvollständige) Aufzählung dessen liest, was wir damals nicht hatten: Wir kannten kein Penicillin, keine Schluckimpfung, kein Fernsehen, keine Tiefkühlkost, keine Kunststoffe, keine Kugelschreiber, kein Fax, kein Internet, keine Kernspaltung, keinen Laser, keinen Kugelschreiber. Es gab kein Radar, keine Geschirrspüler, Waschmaschinen, Tumbler, keine Hausmänner, keine Aussteiger, keine Emanzipation, keine Pampers, und die Welt wusste nichts von Weight Watchers, Solarien, Wellness, Kindererziehungsjahren für Väter, Tonbändern, Disketten und Kassetten oder gar Direktübertragungen via Satellit aus Amerika. Es gab keine Kunstherzen, keine Soft- und keine Hardware. Glacé und Weggli kosteten zehn Rappen. Ebenso Briefmarken. Wir quetschten aus den Zahnpastatuben noch die letzten Reste heraus und konnten von Reisen in ferne Länder nur träumen. Schon Rimini war weit weg. Man fragt sich, wie wir – und erst noch psychisch gesund – überleben konnten.
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Gehört von einem älteren Mitbürger aus Deutschland: Lieber reich ins Heim als heim ins Reich.
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Enten legen ihre Eier in Stille, Hühner gackern dabei wie verrückt. Was ist die Folge? Alle Welt isst Hühnereier.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 3 ■ 2008 85