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REFERAT
Nekrotisierende Gehörgangsentzündung
Im Gegensatz zu banalen Entzündungen im äusseren Gehörgang stellt die nekrotisierende
Merksätze
Form eine schwere Erkrankung mit auch tödlichem Ausgang dar, verursacht hauptsächlich durch Pseudomonas aeruginosa; Diabetes mellitus sowie Immundefekte sind weitere
■ Die Otitis externa necroticans ist eine seltene, schwerwiegende Erkrankung.
■ Erreger sind meist Pseudomonas aeruginosa.
■ Mit einer intensiven multimodalen Therapie ist die Prognose heute nicht mehr so ungünstig.
erschwerende Faktoren. Ein Übergreifen auf
die Schädelknochen (Osteomyelitis des Felsen-
beins) sowie Hirnnervenausfälle kündigen
einen letalen Verlauf an. Einen gewissen Erfolg
lässt nun eine Kombinationsbehandlung mit
Abtragung von Nekrosen, gezielter Antibiotika-
gabe, Immunglobulin und hyperbarem Sauer-
stoff erwarten.
LARYNGO-RHINO-OTOLOGIE
Einfache Gehörgangsentzündungen nach Baden oder leichte Verletzungen bei sonst Gesunden sind meist rasch durch lokale Massnahmen heilbar. Eine andere Situation ist bei der als maligne Form angesehenen Otitis externa necroticans gegeben. Anfänglich bestehen starke Schmerzen, Sekretion und eine Schallleitungsstörung. Zumeist sind ältere männliche Diabetiker mit einer reduzierten Immunabwehr betroffen. Als Erreger wird hauptsächlich Pseudomonas aeruginosa, eventuell kombiniert mit Staphylococcus epidermidis, nachgewiesen, wobei banale Verletzungen oder eine Ohrspülung als Eintrittspforte dienen. Pseudomonaskeime produzieren Proteasen, die eine
Begleitvaskulitis mit erheblichen Destruktionen verursachen. Das Geschehen breitet sich entlang der Gewebsspalten aus, die entstehenden Nekrosen verhindern Phagozytose sowie das Eindringen von Antibiotika, die körpereigenen Abwehrkräfte werden gleichermassen dadurch behindert. Der Prozess erfasst schliesslich kaudale Hirnnerven mit Lähmungen hauptsächlich des N. facialis, des Weiteren der Nn. glossopharyngeus, vagus und hypoglossus. In der Folge kommt es zu Meningitis, Hirnabszess und Sinusthrombose und damit zum Exitus. Da die Erkrankung nicht allzu häufig auftritt, fehlen Publikationen über grössere Fallzahlen. Der Autor berichtet über 22 eigene Erkrankte, von denen 21 einen Zeitraum von fünf Jahren überlebten, 1 Patient starb. Andere Autoren beschrieben 20 bis 50 Prozent Letalität. Der Autor führt seine guten Ergebnisse auf eine intensive kombinierte Therapie zurück: ■ Débridement der Nekrosen ■ Abdeckung freigelegten Knochens durch verschiedene
gestielte Lappen, welche eine Revaskularisierung ermöglichen ■ Gabe eines gezielt wirksamen Antibiotikums (z.B. Metronidazol, Teicoplanin, Netilmicin, Ceftazidim, Cefedipim und Ciprofloxacin) ■ Optimale Einstellung eines vorhandenen Diabetes.
Wichtig erscheint nun eine hyperbare Sauerstofftherapie. Chemisch gebundener und physikalisch gelöster Sauerstoff wird so in erhöhtem Masse an das Gewebe abgegeben, wodurch bei mangeldurchbluteten Arealen dennoch eine Mehrversorgung mit Sauerstoff erreicht wird. Dies führt zu einer
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gesteigerten Kollagensynthese, Förderung der Kapillareinsprossung, Anregung der Osteoklastenaktivität zwecks Abbaus von Nekrosen und Verbesserung der Leukozytenaktivität. Auch eine gewisse fungizide Wirkung ist vorhanden. Komplettiert wird dieses multimodale Konzept durch Gabe spezifischer Immunglobuline, die sich speziell bei Pseudomonasinfektionen bewährt haben. Die Prognose hängt davon ab, in welchem Stadium eine wirksame Therapie einsetzt. Je tiefer der Prozess ins Schädelinnere eingedrungen ist, umso ungünstiger ist die Situation einzuschätzen, vor allem, wenn bereits Hirnnerven befallen sind. Ohne eine solche Beteiligung wird die Letalität in der Literatur mit 14 Prozent, mit einer solchen jedoch mit etwa 50 Prozent (bis 70%) angegeben. Die beschriebene kombinierte Therapie konnte jedoch hier eine deutliche Verbesserung erreichen, und zwar trat bei den im fortgeschrittenen Stadium behandelten 13 Fällen (von 21 insgesamt) nur 1 Todesfall auf. Die vorgenommene Behandlung ist allerdings nicht nur vielfältig, sondern auch aufwendig und teuer; doch sollte dies kein Anlass für Sparmassnahmen am falschen Ort sein.
Kommentar des Referenten
Gehörgangsentzündungen sind häufig in warmen und feuchten
Zonen anzutreffen, vielfach auch nach dem Schwimmen.
Dabei geraten auch kleine Fremdkörper mit dem Badewasser in
den Gehörgang und führen zu Juckreiz. Entsprechende Mani-
pulationen können dann eine verletzungsbedingte Infektion
hervorrufen. Auch Pilzaffektionen sind nicht selten. Antibio-
tisch und fungizid wirkende Ohrentropfen sollten in derartige
Urlaubsregionen vorsorglich mitgeführt werden. Aber solche
banale Entzündungen sind auch der Beginn der schweren Ver-
laufsformen, speziell bei Diabetikern. Präventive Massnahmen
und frühzeitige otologische Behandlung können hier lebens-
rettend sein.
■
Tisch M. und Mitarbeiter: Otitis externa necroticans. Laryngo-Rhino-Otol. 2006; 85: 763–769.
Ernst Moritsch
Interessenkonflikte: keine
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