Transkript
STUDIE
ACE-Hemmer und Schlaganfall
Verringern ACE-Hemmer Schweregrad und Frühmortalität?
Eine retrospektive Kohortenstudie ergab, dass Patienten, die zuvor mit einem ACE-Hemmer behandelt worden waren, weniger schwere Schlaganfälle erlitten.
NEUROLOGY
Bisherige Evidenz, darunter die HOPEStudie, deutet darauf hin, dass Angiotensin-Converting-Enzyme-(ACE-)Hemmer zur Risikominderung hinsichtlich Hirnschlag bei Hochrisikopopulationen beitragen können, da sie möglicherweise neben ihrer blutdrucksenkenden Wirkung auch günstige Auswirkungen auf das Endothel sowie einen antiatherosklerotischen Effekt besitzen. Unklar ist bis anhin eine allfällige präventive Wirkung. Diese Studie wollte daher abklären, ob der Gebrauch von ACE-Hemmern vor einem Schlaganfall die frühen neurologischen Defizite und das frühe Todesrisiko günstig beeinflussen kann.
Methodik Die australischen Autoren stützten sich auf eine Auswertung der Krankenunterlagen aller Hirnschlagpatienten in einer definierten Population in Melbourne. Sie sammelten die Angaben zur Verschreibung von ACE-Hemmern und anderen Medikationen vor dem Schlaganfall. Der Schweregrad des zerebralen Ereignisses wurde anhand der NIH-Stroke-Skala (NIHSS) in «weniger schwer» (Score < 8) beziehungsweise «schweres Defizit» (Score > 8) eingeteilt. Die beiden End-
punkte des Verlaufs waren Ausmass des neurologischen Defizits und Tod nach 28 Tagen.
Resultate 716 erstmalige Schlaganfälle fanden in dieser Studie Berücksichtigung. Der vorgängige Gebrauch von ACE-Hemmern war in der logistischen Regressionsanalyse unabhängig assoziiert mit einem reduzierten Risiko schwerer neurologischer Defizite (Odds Ratio [OR] 0,56; 95%-Konfidenzintervall 0,35–0,91) und mit Tod nach 28 Tagen (OR 0,46; 95%-KI 0,24–0,87). Demgegenüber waren Diuretika mit einem erhöhten Risiko schwerer Defizite assoziiert (OR 1,81; 95%-KI 1,13–2,90). Mit einem höheren NIHSS-Score assoziiert waren höheres Alter, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und Diuretikagebrauch. Diese Faktoren zusammen mit vorbestehender Klaudikation waren auch mit einer erhöhten 28-Tage-Mortalität assoziiert. Antikoagulanzien korrespondierten hingegen mit einem geringeren Risiko schwerer Defizite und Todesfälle.
Diskussion Die vorgängige Behandlung mit einem ACE-Hemmer reduzierte in dieser grossen gemeindebezogenen Kohortenstudie das Risiko eines schweren Hirnschlags. Dieser Nutzen war vom Einsatz anderer Antihypertensiva unabhängig. Eine ebenfalls unabhängige Risikoerhöhung fand sich hingegen für Diuretika, wofür die Autoren keine eindeutige Erklärung haben. Allenfalls könnte die Diuretikaverschreibung in einer retrospektiven Studie ein sensitiverer Marker für eine Herzinsuffizienz sein als die anamnestischen Angaben und möglicher-
Merksätze
■ ACE-Hemmer reduzieren in einer australischen Kohortenstudie das Risiko für schweren Hirnschlag.
■ Bei Bestätigung in einer grossen, prospektiven, randomisierten Studie würde sich ein gewichtiger präventiver Ansatz ergeben.
weise auch auf eine zusätzliche renale
Beeinträchtigung hinweisen.
Gemessen am initialen NIHSS-Score war
die Assoziation zwischen ACE-Hemmer-
Gebrauch und frühem Todesfall nach
dem Schlaganfall weniger eindrucksvoll.
Die Autoren diskutieren drei mögliche
Gründe: Es könnte keine Assoziation
zwischen ACE-Hemmern und frühem
Tod geben, eine vorhandene Beziehung
könnte durch die Schwere des Schlagan-
falls maskiert werden, oder die vermin-
derte Zahl von Patienten mit NIHSS-Be-
stimmung könnte hier zu einem syste-
matischen Bias geführt haben. Da vor
allem bei Patienten mit leichtem Hirn-
schlag häufiger kein abschliessender
NIHSS-Score bestimmt worden war, nah-
men die Autoren die Analyse nochmals
ohne diese potenzielle Störvariable bei
97 (anstatt 73,6) Prozent der Patienten
vor, woraus die schon angeführte über-
zeugendere Assoziation zwischen ACE-
Hemmern und frühem Todesrisiko resul-
tierte: adjustierte OR 0,46 (95%-KI
0,24–0,87; p = 0,017).
Diese retrospektive Studie erlaubt keine
definitive Beurteilung der Hirnschlag-
prävention mit ACE-Hemmern, ruft aber
angesichts der Bedeutung des Themas
nach einer grossen randomisierten, pro-
spektiven Untersuchung.
■
N. Chirravas et al.: Is prestroke use of angiotensin-converting enzyme inhibitors associated with better outcome? Neurology 2007; 68: 1687–1693.
Interessenkonflikte: keine deklariert
Halid Bas
ARS MEDICI 3 ■ 2008 113