Transkript
Editorial
«Man weiss nie, was daraus wird, wenn die Dinge verändert werden. Aber weiss man denn, was draus wird, wenn sie nicht verändert werden?», schrieb Elias Canetti. Und liess damit einigen Interpretationsspielraum, über den nachzudenken sich vielleicht lohnt. Vor allem nach einem Jahr, in dem sich einiges verändert hat und im Vorausblick auf ein Jahr, das mit Bestimmtheit einige Änderungen bringen wird. Eigentlich bedeutet Canettis Satz nichts anderes als: Was man auch tut oder lässt, es ist nachträglich nie mehr zu eruieren, ob es nicht besser
Pharmaindustrie, sondern zerstören auch die Grundlage (nämlich die Preisdifferenz) für die Generika. Will man das? Einigen mag das durchaus gelegen kommen, für andere bedeutet
Wir wissens nicht
gewesen wäre, nichts zu tun – oder etwas anderes zu tun. Banal und wenig hilfreich. Der Satz lässt sich aber auch so lesen: Es ist besser, etwas zu verändern, als aus Angst vor den Folgen jegliche Veränderung zu vermeiden. Schon etwas weniger banal, aber stimmt das auch? Veränderung an sich als etwas Erstrebenswertes? Weil sich halt alles jederzeit und unvorhersehbar verändert? (Ganz im Sinne des Hexameters: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.) Was aus der Veränderung namens Tarmed wurde, das wissen wir heute. Was geworden wäre, wenn man nichts am Tarifsystem geändert hätte, weiss man natürlich nicht. Ärger wärs jedenfalls kaum geworden. Was Medikamentenpreissenkungen bringen, ist ebenfalls schwer abzuschätzen. Noch billigere Originalpräparate vernichten nicht nur Arbeitsplätze rund um die
es ein Eigentor. Veränderungen beim Praxislabor, beim Notfalldienst, bei den Praxiszulassungen, bei der elektronischen Versichertenkarte, beim Leistungskatalog, bei der Spitalfinanzierung, bei der Einführung von DRG. Nein, wir (oder gar die politisch verantwortlichen medizinischen Laien) wissen tatsächlich nicht, was daraus wird, wenn die Veränderungen zustande kommen, und ebenso wenig, wenn nichts verändert wird. Die Erfahrung der letzten Jahre hat lediglich (oder immerhin) gezeigt, dass Veränderungen per se noch lange nicht gut sein müssen. In diesem Sinn könnte man Canettis Satz auch so lesen: Es ist manchmal genauso verdienstvoll und mutig, nichts zu ändern.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 2 ■ 2008 41