Transkript
INTERVIEW
Was wollen Mädchen in der Sprechstunde über die Impfung wissen?
Ein Interview mit der Gynäkologin PD Dr. Monika Hampl, Universität Düsseldorf, über die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs
Als vor rund einem Jahr die erste Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs zugelassen wurde, lautete eine der interessantesten Fragen, wie viele Mädchen sich tatsächlich impfen lassen. Von vielen Experten wurde dies als der entscheidende Punkt für den langfristigen Rückgang von Zervixkarzinomen angesehen.
ARS MEDICI: Frau Dr. Hampl, wie sehen die Erfahrungen mit der Impfung mittlerweile aus? PD Dr. Hampl: Die Erfahrungen sind von Land zu Land natürlich etwas unterschiedlich. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass die Akzeptanz in den europäischen Ländern insgesamt als sehr positiv zu bewerten ist und sich die überwiegende Mehrheit in den entsprechenden Altersgruppen impfen lässt, wenn in der Sprechstunde sorgfältig über die Hintergründe des Zervixkarzinoms informiert wird und die Kosten für die Impfung erstattet werden. Um allerdings eine möglichst vollständige Durchimpfungsrate zu erreichen, wird in den Medien und auch von ärztlicher Seite noch einige Aufklärungsarbeit erforderlich sein.
ARS MEDICI: Bei der Impfung werden Ärzte in der täglichen Praxis immer wieder mit ähnlichen Fragen konfrontiert. Oft wollen Mädchen zum Beispiel wissen, wie lange der Impfschutz anhält. Hampl: Diese Frage lässt sich heute noch nicht sicher beantworten. Bis anhin gibt es nur Daten über einen Zeitraum von fünf Jahren, für den ein hundertprozentiger Schutz vor HPV-16und -18-verursachten Karzinomen bei HPV-naiven Personen nachgewiesen ist. Wie es nach 10 oder 20 Jahren aussieht, wird man abwarten müssen, aber das ist bei anderen Impfungen am Anfang auch nicht klar gewesen. Sicher weiss man aufgrund
Privatdozentin Dr. Monika Hampl ist Oberärztin an der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf und Leiterin der Dysplasiesprechstunde
von Studien allerdings schon heute, dass sich mit Auffrischungsimpfungen der Impfschutz erneuern lässt, falls die Wirkung irgendwann nachlassen sollte.
ARS MEDICI: Viele Frauen fragen sich zudem, ob sie sich nach der Impfung die regelmässigen Vorsorgeuntersuchungen sparen können? Hampl: Die Vorsorgeuntersuchungen sind weiterhin unbedingt notwendig! Denn rund 20 Prozent der Zervixkarzinome werden von HPV-Stämmen verursacht, die sich mit der Impfung nicht erreichen lassen, weshalb das Zervixkarzinom-Screening weiter notwendig ist. Davon abgesehen, gehören zu den Vorsorgeuntersuchungen auch noch andere sinnvolle Massnahmen, wie etwa die Untersuchung der Ovarien, die Erkennung von Infektionskrankheiten oder das Abtasten der Brust, worauf Frauen auf keinen Fall verzichten sollten.
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INTERVIEW
ARS MEDICI: Über welche Nebenwirkungen muss bei der Impfung aufgeklärt werden? Hampl: Bei der Impfung kann es an der Einstichstelle zu Rötungen kommen, was allerdings als normale beziehungsweise sogar erwünschte Reaktion des Immunsystems anzusehen ist. Auch leichtes Fieber und Kopfschmerzen sind in diesem Zusammenhang möglich. Ernsthafte Nebenwirkungen haben sich dagegen in keiner der Zulassungsstudien gezeigt. Da es sich bei dem Impfstoff ausserdem nicht um abgetötete Erreger handelt, sondern um leere Virushüllen ohne jegliche DNA, besteht keinerlei Risiko, mit den entsprechenden Erregern infiziert zu werden, wie dies bei einigen anderen Impfungen der Fall ist. Darüber hinaus hat es in den Studien keinerlei Nebenwirkungen gegeben, wenn die Impfung versehentlich in der Schwangerschaft verabreicht wurde, was durchaus vorkommen kann, wenn die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Impfung noch nicht bekannt ist. Aus Sicherheitsgründen sollte während einer Schwangerschaft aber dennoch keine HPV-Impfung erfolgen, wie dies ja grundsätzlich für jede Art von Impfung gilt.
ARS MEDICI: Häufig besteht Unklarheit darüber, ob man direkt nach der Impfung Sport treiben darf oder lieber ein paar Tage auf körperliche Belastungen verzichten sollte. Hampl: Wer sich gut fühlt, darf nach der Impfung gleich wieder dem gewohnten Sport nachgehen. Vielleicht sollte man am nächsten Tag nicht unbedingt an einem Marathon teilnehmen, aber das normale Volleyballtraining ist genauso erlaubt wie Tennisspielen, Reiten oder Jazztanz. Zurückhaltend sollte man lediglich sein, wenn es zu Fieber oder Schlappheit kommt, was im Anschluss an die Impfung wegen der Aktivierung des Immunsystems möglich ist. Des Weiteren sollte man für die ersten drei Tage nach der Impfung vom Schwimmen abraten, um an der Einstichstelle nicht das Eindringen von Erregern zu riskieren.
ARS MEDICI: Einige Mädchen kommen zudem mit der Frage, ob sie bereits nach der ersten Impfdosis unbesorgt mit ihrem Freund schlafen können, oder ob sie tatsächlich bis zur dritten Injektion nach sechs Monaten warten müssen. Hampl: Nach der ersten Impfung erreicht der Impfschutz für die jeweiligen HPV-Stämme zwar schon über 90 Prozent, aber noch keine 100 Prozent, wie dies nach der dritten Dosis nachgewiesen ist. Demnach kann man nach der ersten Impfung noch keine Garantie für einen vollständigen Schutz geben, was bei der Beratung zumindest aus rechtlicher Sicht zu berücksichtigen ist.
ARS MEDICI: Und wenn in diesen ersten sechs Monaten bis zum Erreichen des maximalen Impfschutzes Kondome verwendet werden? Hampl: Mit Kondomen ist das Risiko für eine HPV-Infektion des Gebärmutterhalses und der Scheide zwar geringer, aber ein vollständiger Schutz lässt sich damit nicht erreichen, wie aktuelle Studien erneut belegen. Ausserdem schützen Kondome nicht vor einer HPV-Infektion im Bereich des Scheideneingangs, was zum Beispiel zur Entstehung von Vulvakarzinomen führen kann. Folglich kann man mit der Empfehlung, Kondome zu verwenden, keinen hundertprozentigen Schutz garantieren. Es bleibt also nur der Rat, mit dem Geschlechtsverkehr bis zur dritten Impfung zu warten.
«Wer sich gut fühlt, kann nach der Impfung gleich wieder Sport treiben.»
ARS MEDICI: Sollten Ihrer Meinung nach zur Verhinderung von Zervixkarzinomen auch Jungen geimpft werden, was unter Experten ja sehr kontrovers diskutiert wird? Hampl: Männer spielen bei der Entstehung von Zervixkarzinomen eine wichtige Rolle, da sie genauso wie Frauen die HPVInfektionen aus früherem Geschlechtsverkehr wie den Ball beim Pingpong-Spielen in die aktuelle Partnerschaft weitertragen. Die Forderung, auch Jungen vor Aufnahme des Geschlechtsverkehrs zu impfen, ist daher sehr sinnvoll, zumal sie bei Verwendung des quadrivalenten Impfstoffes Gardasil® selbst von der Impfung profitieren können, da der Impfstoff auch vor den HPV-Stämmen 6 und 11 schützt, die zu sehr hartnäckigen Genitalwarzen führen können. Allerdings ist bei Jungen nicht mit einer sehr grossen Akzeptanz zu rechnen, unter anderem, da sie die Impfkosten in den allermeisten Fällen selbst tragen müssten.
ARS MEDICI: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Karl Eberius
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