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Titel
Waschzwang
Untertitel
-
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«Nicht wenige Ärzte», schmunzelte Markus, unser kluger und humorvoller Verbandssekretär, «sind Waschweiber.» Er hat immer Recht. Hier leider auch. Datenschutz? Berufsgeheimnis? Schweigepflicht? Aber doch nicht, wenn man in heiterer Ärzterunde am Wirtshaustisch sitzt! Das Gewäsch lässt sich hören – über den Geräuschpegel der Beiz hinweg.
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Rubriken — ARSENICUM
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Waschzwang

«Nicht wenige Ärzte», schmunzelte Markus, unser kluger und humorvoller Verbandssekretär, «sind Waschweiber.» Er hat immer Recht. Hier leider auch. Datenschutz? Berufsgeheimnis? Schweigepflicht? Aber doch nicht, wenn man in heiterer Ärzterunde am Wirtshaustisch sitzt! Das Gewäsch lässt sich hören – über den Geräuschpegel der Beiz hinweg. Von den Hämorrhoiden des Gemeindepräsidenten bis hin zur vergrösserten Prostata des lieben Kollegen Spezialarzt aus dem Nachbarort. Und dann werden alle Nichtanwesenden durch den Kakao gezogen, dass es sich nur so gewaschen hat. Da würde sogar ein Wiener Waschweib weiss (oder rot!), wenn sie hören würde, wie wir einander die Kutteln putzen. Das ist mehr als sauber, das ist schon rein. Ich hingegen wasche meine Hände in Unschuld, weil ich eher wenig hinter dem Rücken tratsche, vorne durch hingegen viel, wie es sich für einen Glossenschreiber ziemt. Man sagt mir ein ungewaschenes Maul nach, denn ich wasche den Leuten direkt den Kopf und verteile gelegentlich Watschen, die Tiefenwirkung haben. Wobei so mancher merkt, dass dabei sein Pelz nass wird. Nun, schmutzige Wäsche muss gewaschen werden, und wenn es nicht en famille gelingt, dann wird sie halt in öffentlichen Waschhäusern vom Schmutz befreit. Trotz ihres wichtigen Berufs wurden Waschweiber stets gering geschätzt. Natürlich hatten sie mit Dreck zu tun, aber es waren schliesslich nicht sie, die ihn in die Wäsche gebracht haben, sondern sie haben ihn sogar entfernt. Doch dabei machten sie sich die Hände und das Wasser schmutzig. Die Schmutzfinken hingegen hatten wieder eine weisse Weste. Ähnlich geht es in unserer Zunft der weissen Riesen zu: Wer auf schwarze Schafe und Misstände in der Medizin aufmerksam macht, dem wird «Nestbeschmutzen» unterstellt. Obwohl das Gegenteil der Fall ist. Und wenn man seinen Laden sauber halten will, sollte man den einzelnen Ferkeln rechtzeitig das Fell waschen oder ganz runterziehen. Sonst meint die Öffentlichkeit, dass die ganze Herde stinkt. Einiges im Gesundheitswesen ist wie in einer Waschküche: so undurchsichtig und nebulös, dass einem der kalte

Schweiss ausbricht. Und an kalten Güssen und seltsamen Anwendungen, die nichts mit Kneipp zu tun haben, fehlt es nicht. Das Fernsehen reinigt viel wirksamer als wir. Schmuddelrocker von Rohr, der «Mee Dräck!» forderte, wurde zusammen mit Bubi Kilchsperger weggespült, was das Programm nicht nur sauberer, sondern deutlich besser machte. Auch die Ökonomie pocht auf Reinlichkeit, es gibt sogar Geldwäscher dort. Waschen ist in der Arztpraxis ein Dauerbrenner und zwar nicht nur wegen der spitalhygienischen Bakterienlage. «Jetzt hast du schon wieder Blutflecken auf dem Schurz, die ich nicht rauskriege!», zetert meine Frau regelmässig. «Du sollst ihn immer sofort ausziehen und in kaltes Wasser legen, wenn ein Patient auf dich blutet!» Doch wer macht schon einen Tenuwechsel mitten in der Wundversorgung? Oder realisiert stets, dass er nicht mehr unbefleckt ist? Nicht immer ist es Blut, das mich besudelt. Oft läuft mir auch der Kugelschreiber, mein wichtigstes Arztwerkzeug, in der Kitteltasche aus. Und mit Schreibzeug kann man viel Dreck produzieren. Trotzdem verbietet mir mein Steuerkommissär, meine Weisskittel als Berufskleidung abzusetzen, denn in der Arbeitszeit würde ich ja meine normale Kleidung schonen. Da diese Zeit über acht Stunden beträgt, hat er vermutlich recht – Nadelstreifenanzüge muss ich selten kaufen. Dafür jede Menge Praxistextilien. Handtücher für mani puliti. Hat sich ein Patient nur schon der Untersuchungsliege genähert, wechseln meine MPA sofort die Auflage aus. Sie selbst kleiden sich ständig neu in die aktuellste MPA-HauteCouture ein. «Saubere Wäsche ist die Visitenkarte einer Praxis!», sagt meine Frau streng. Meint sie etwa meine Dessous? Die Forderung des Dandys Beau Brummel, sie dreimal täglich zu wechseln, erfülle ich nicht, denn so nah will ich meinen PatientInnen nicht kommen. Obwohl mein Sohn bereits als Neunjähriger behauptete, dass sein Vater in der Praxis allen Frauen an die Wäsche ginge. Doch meine Frau will nicht mir die Kleider vom Leibe reissen, sondern nur die Vorhänge im Wartezimmer waschen. Sie jammert, wie viel Arbeit das wieder geben wird. Ich werde ihr eine grosse Schachtel Mega-Pearls schenken, statt Perlenschmuck. Es kommt gar nicht so teuer, sauber zu bleiben.

894 ARS MEDICI 19 ■ 2006