Transkript
FORTBILDUNG
Therapieprinzipien bei akuter Rhinitis
Die behinderte Nasenatmung
Wohl jeder Mensch erlebt mehrfach in seinem Leben das Symptom der «verstopften Nase».
Merksätze
In den meisten Fällen steckt ein banaler Schnupfen dahinter. Der ist – wenngleich ungefährlich und selbstlimitierend – für den Betroffenen doch zumindest lästig. Eine symptomatische Therapie kann die Beschwerden durchaus lindern.
■ Da Alpha-Sympathomimetika durch die wiederholte Vasokonstriktion zu trophischen Störungen an der Nasenschleimhaut führen, sollte man sie nicht länger als eine Woche anwenden.
■ Sinnvoll erscheint der Einsatz von Salzlösungen, da sie zu einer Alkalisierung des Schleims führen und ihn auf diese Weise verflüssigen.
Die Ziele dabei: Schleimhautabschwellung und Schleimverflüssigung.
verursacht. Sie führen zu einer Entzündung der Nasenschleimhaut, die meist auch von einer Mitreaktion der Nasennebenhöhlenschleimhaut begleitet ist (Abbildung 2 [7]).
KARL-FRIEDRICH HAMANN
Die weitaus häufigste Ursache einer behinderten Nasenatmung ist die Rhinitis acuta, der Schnupfen im Rahmen einer Erkältungskrankheit. In diesen Fällen wird man zunächst versuchen, mit einfachen, risikoarmen Behandlungsmassnahmen die Nasenatmung zu verbessern.
Schwellkörper regulieren Temperatur
Die Nasenhaupthöhle ist von respiratorischer Schleimhaut ausgekleidet, im Bereich der Nasenmuscheln mit der Besonderheit venöser Schwellkörper (Abbildung 1). Durch vermehrte oder verminderte Blutfüllung kann deren Füllungszustand wechseln. Dadurch ist eine Temperaturregulation der Atemluft möglich: So wird bei kalter Umgebung das Naseninnere weit gestellt und damit die Kontaktfläche der Luft zur warmen Nasenschleimhaut vergrössert (8). Ähnliches gilt für die Anfeuchtung der Atemluft in der Nase, je nachdem, ob eine geringe oder hohe Luftfeuchtigkeit vorhanden ist. Diese physiologischen Gegebenheiten müssen bei der Anwendung von Rhinologika zur Behandlung der behinderten Nasenatmung berücksichtigt werden. Erkältungskrankheiten werden durch Viren (Rhinoviren), nur ausnahmsweise durch Bakterien,
Zu viel Blut, zu viel Schleim
In der pathophysiologischen Kaskade nimmt die Hyperämie der Schleimhautgefässe, besonders ausgeprägt an den Schwellkörpern der Nasenmuscheln, einen herausragenden Platz ein (Abbildung 3). Denn sie verursacht letztlich die behinderte Nasenatmung. Sie steht im Vordergrund der klinischen Symptomatik. Meist besteht auch ein Katarrh, eine verstärkte Schleimsekretion, sowie Niesreiz. Manchmal tritt auch ein leichtes Nasenbluten hinzu, begünstigt durch die vermehrte Füllung der Gefässe in einer entzündlich lädierten Schleimhaut.
Untersuchungsmethoden
Meist genügen zur Feststellung einer behinderten Nasenatmung Anamnese und Naseninspektion. Objektivieren lässt sich der Befund mit dem Glatzel-Spiegel und mit der Rhinomanometrie. Bei der Untersuchung mit dem Glatzel-Spiegel (Abbildung 4) – eine polierte spiegelnde Metallplatte erfüllt denselben Zweck – atmet der Patient mit geschlossenem Mund auf die spiegelnde Fläche. Der sich dort niederschlagende Atemhauch erlaubt eine semiquantitative Beurteilung der Nasendurchgängigkeit, in jedem Fall die Feststellung einer Seitendifferenz.
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FORTBILDUNG
Stirnhöhle
Keilbeinhöhle
bleibt nur eine symptomatische Therapie. Erkältungskrankheiten sind zwar in der Regel ungefährlich und selbstlimitierend, aber die Notwendigkeit
einer Therapie ergibt sich dann, wenn ein starker
obere Nasenmuschel
Leidensdruck besteht und wenn unnötige Fehlzeiten am Arbeitsplatz vermieden werden sollen.
mittlere Nasenmuschel
Im Vordergrund der Behandlung einer akuten Rhinitis steht die Beseitigung der behinderten Nasenatmung. Ein Therapieprinzip nutzt den vasokonstrik-
untere Nasenmuschel
torischen Effekt der Alpha-Sympathomimetika. Dafür stehen einige Substanzen wie Xylometazolin (z.B. Otrivin®), Oxymetazolin (z.B. Nasivin®) oder
Phenylephrin (z.B. Nasenspray Spirig für Kinder)
Lippen
aus der Reihe der Imidazoline zur Verfügung (6). Durch Applikation des Wirkstoffs als Nasenspray
oder Nasentropfen auf die Nasenschleimhaut ver-
engen sich die Schleimhautgefässe innerhalb weni-
ger Minuten. Die Blutmenge in der Schleimhaut und
Abbildung 1: Aufsicht auf die laterale Nasenwand von innen
damit deren Volumen vermindern sich. Dieser zuverlässig auszulösende Effekt hält einige Stunden
an, ist aber gefolgt von einer reaktiven Hyperämie
(«rebound»), die eine erneute Anwendung der Na-
sentropfen oder des Nasensprays notwendig macht.
Bis zum Abklingen der eigentlichen Erkrankung
Stirnhöhle
muss daher in drei- bis vierstündigen Abständen die
Medikation wiederholt werden.
Siebbeinzellen
Daraus ergibt sich, dass die Anwendungsdauer der Alpha-Sympthomimetika begrenzt ist, da eine lang anhaltende, wiederholte Vasokonstriktion letztlich
Kieferhöhle
zu trophischen Störungen an der Nasenschleimhaut führt. In ausgeprägten Fällen kann es zu einer atro-
Nasenhaupthöhle
Keilbeinhöhle
phischen Rhinitis mit dem Endbild einer Ozäna, einer «Stinknase» kommen. In der Praxis empfiehlt
sich für die Alpha-Sympathomimetika (0,1%) eine
Abbildung 2: Lage der Nasennebenhöhlen und ihre Beziehung zur Nasenhaupthöhle
Behandlungsdauer von einer Woche, nur in Ausnahmefällen bis zu 14 Tagen. Für Kleinkinder ste-
hen Alpha-Sympathomimetika in niedrigen Do-
Die Rhinomanometrie (2) ist an einen hohen technischen Auf- sierungen (0,05 %) zur Verfügung.
wand gebunden und bleibt wohl dem HNO-Spezialisten vor-
behalten. Über ein in eine Tauchermaske eingebrachtes Mano-
meter (Abbildung 5) ist eine objektive Messung des Atemluft- Vorsicht mit Ölen
volumens in Abhängigkeit vom aufgewendeten Druck möglich. Für die Anwendung öliger Nasentropfen bestehen einige Ein-
Beide Methoden, die Rhinomanometrie und die Prüfung mit schränkungen. Der Überlegung, dass durch die Öle die Nasen-
dem Glatzel-Spiegel, können auch zur Beurteilung von phar- schleimhaut einen Schutzfilm erhält, steht entgegen, dass das
makologischen Effekten auf eine behinderte Nasenatmung her- Flimmerepithel verklebt und seinen wichtigen physiologischen
angezogen werden.
Aufgaben beim Schleimabtransport nicht nachkommen kann.
Der Einsatz bildgebender Verfahren wie konventionelles Rönt- Ausserdem besteht die Gefahr, dass es zu einer Aspiration der
gen oder Computertomografie ist bei einer einfachen Rhinitis öligen Lösung kommt und eine «Ölpneumonie» induziert wird.
acuta nicht nötig, nur bei Verdacht auf eine Komplikation oder Besser ist es, kurzfristig die ausgetrocknete Nasenschleimhaut
eine Beteiligung der Nasennebenhöhlen.
mit einer weichen Nasensalbe zu pflegen.
Ein beliebtes Hausmittel in der Behandlung des Schnupfens
Abschwellende Lokaltherapie
stellt das Inhalieren dar. Hier steht als Wirkprinzip weniger die Schleimhautabschwellung als vielmehr die Schleimverflüssi-
Da eine kausale Therapie einer Virusinfektion nicht möglich ist gung, die Mukolyse, im Vordergrund. Allein das Zuführen von
und Impfstoffe gegen Rhinoviren nicht eingesetzt werden, Feuchtigkeit bewirkt eine Verflüssigung des Schleims, der damit
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Nasenscheidewand mittlere Nasenmuschel untere Nasenmuschel
Stirnhöhle Kieferhöhle
Abbildung 3: Verdickung der Schleimhaut in Nasenhaupthöhle und Nasennebenhöhlen
Abbildung 5: Rhinomanometrie
leichter abtransportiert werden kann. Sinnvoll erscheint der Einsatz von Salzlösungen (z.B. Rhinomer®), da sie zu einer Alkalisierung des Schleims führen und ihn auf diese Weise verflüssigen (3). Da auch ätherische Öle mukolytische Eigenschaften besitzen, werden sie gerne als Inhalationsmittel bei Erkältungskrankheiten angewandt. Für JHP Rödler (Japanisches Heilpflanzenöl, Iromedica) ist der schleimhautabschwellende Effekt an der Nase nachgewiesen (5). Mithilfe von objektiven Messungen der Nasenluftpassage wie der Rhinomanometrie konnte eine Verbesserung gezeigt werden, die auch dem subjektiven Empfinden der Patienten entsprach (51). Erklären lässt sich der Effekt leicht dadurch, dass offensichtlich die durch das Minzöl ausgelöste Kälteempfindung reflektorisch eine Vasokonstriktion bewirkt, die schliesslich das Naseninnere erweitert.
Systemische Therapie
Obwohl sich der Artikel mit der Lokaltherapie der behinderten
Nasenatmung befasst, seien einige wenige, aber notwendige
Bemerkungen zur systemischen Therapie erlaubt. Nicht selten
verlangen Patienten mit einer Erkältung von sich aus verschrei-
bungspflichtige Antibiotika zur Behandlung. Es muss davor ge-
warnt werden, sich zu einer nicht streng indizierten Antibioti-
kagabe hinreissen zu lassen. Da in fast allen Fällen Viren die Ur-
sache der Erkrankung sind, bleiben Antibiotika wirkungslos.
Hinzu kommt, dass die häufige Gabe von Antibiotika zwangs-
läufig zu einer Resistenzentwicklung führt, die jetzt schon ge-
fährliche Versorgungslücken bei manchen Infektionskrankhei-
ten aufgerissen hat. Nur bei nachgewiesenen bakteriellen Ursa-
chen oder bei eindeutigen klinischen Zeichen wie hohem
Fieber und eitrigem Nasensekret ist der Einsatz von Antibiotika
auch ohne bakteriologischen Nachweis im Sinne einer kalku-
lierten Therapie gerechtfertigt.
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Univ. Prof. Dr. K.-F. Hamann Univ. HNO-Klinik des Klinikum rechts der Isar der TU
Ismaningerstrasse 22, D-81675 München
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de
Abbildung 4: Prüfung der Nasenatmung mittels Glatzel-Spiegel
Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindung mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, besteht. Die Auswahl der beispielhaft genannten Handelspäparate erfolgte nicht vom Autor, sondern durch die Redakion.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 3/2006. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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