Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Beda Stadler ist um klare Worte nie verlegen, und wo er recht hat, hat er recht. Die Panik wegen des mit gentechnisch manipulierten Körnern kontaminierten Reises aus den USA bei Coop und Migros ist Stoff für absurdes Theater, beziehungsweise, da Ionesco und Beckett etwas ausser Mode geraten sind, für absurde Politik. Ob gentechnisch veränderte Produkte wirklich gesünder und ökologischer sind, ist eigentlich egal, wichtig zu wissen wäre nur, dass die Resistenzgene im LL 601-Reis längst auch in andern Pflanzen eingebaut sind und hundertmillionenfach gemampft wurden und werden, ohne Schaden anzurichten, dass gerade mal ein Körnchen LL 601 auf 10 000 ökopolitisch korrekte Körnchen kommt (die vermutlich mit mehr Herbiziden in Kontakt gekommen sind als die bösen Fremdlinge) und dass auch hoch empfindliche Ökofreaks noch immer gesund leben trotz Jeans und Unterwäsche, die längst aus gentechnisch veränderter Baumwolle hergestellt sind. Fehlt wirklich nur noch, dass Coop und Migros Geld sammeln für die Hungernden in der Dritten Welt, während ein paar Kilometer weiter völlig unbedenklicher Reis auf Anweisung ängstlicher Marketingstrategen als Sondermüll verbrannt wird.
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Falls es nicht erfunden ist, ists allerdings ein weiteres Stück absurder Politik: Singapur bietet den Teilnehmern an der Jahrestagung des IWF zehn Prozent Rabatt auf eine Botoxbehandlung. Und allfälligen Demonstranten Prügel mit dem Rohrstock (oder Gefängnis). Botox vermutlich gegen die Sorgenfalten europäischer Politiker angesichts solchen Demokratieverständnisses.
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Noch mehr Lust auf Absurditäten? Die britische Regierung, im Bemühen, die Leistungsfähigkeit des staatlichen Gesundheitsdienstes zu verbessern, setzte Benchmarks fest, beispielsweise für die Zeit, innerhalb derer ein Notfallpatient einer adäquaten Behandlung zugeführt werden muss. Der Trick manch eines eher ineffizienten, aber kreativen Krankenhauses: Man lässt die Kranken oder Verunfallten so lange in der Notfallambulanz liegen, bis sicher gestellt ist, dass die Zeit zwischen Aufnahme auf der Notfallstation und Beginn der Behandlung den Benchmark unterschreitet. Übrigens: Die Mortalitätsrate nach Schlaganfall ist in Grossbritannien um knapp 100 Prozent höher als in Australien, den USA, Schweden oder der Schweiz.
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Den Titel «Les ayatollahs de l’antitabac» haben die Gegner nikotinhaltiger Genussstängel gar nicht goutiert. Dabei hat der Leserbriefschreiber doch nur darauf hingewiesen, dass Passivrauchen und Rauchen gleichzusetzen etwa der Behauptung gleich komme, Grippe und Pest seien vergleichbar schlimme Infektionskrankheiten, und sein Bedauern geäussert über die Kollegen Tabakmuffel, die offenbar nie das Glück gehabt hatten, auf den Knien eines Grossvater zu sitzen, der nach dem Essen gemütlich sein Pfeifchen gepafft habe.
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Sauna soll gesund sein. An den Weltmeisterschaften im «Saunen» (oder wer kennt das Verb, das die Tätigkeit des in der Sauna Sitzens und Schwitzens beschreibt?) wird
diese Einschätzung allerdings arg strapaziert. Bei vollem Bewusstsein in einem 12,5 Quadratmeter grossen, auf 110 Grad Celsius geheizten Raum auszuharren, in dem alle 30 Sekunden ein Aufguss verdampft, lässt zumindest an der geistigen Gesundheit der «Sauner» zweifeln. Gut, es sind vor allem Finnen, die sich in sportlichem Wettkampf in der Sauna messen, aber dennoch … gesund? Meint der einzige Schweizer Teilnehmer an der WM in Heinola noch, er erkranke wenigstens seltener an Grippe, muss der Weltrekordhalter Timo Kaukonen (16 Minuten und 15 Sekunden bei oben beschriebenen Bedingungen – übrigens auf der obersten Stufe sitzend, nicht etwa am Boden kauernd) zugeben, dass er sich erkältet hat. Aber vielleicht ist das auch nur eine billige Ausrede.
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Nicht mehr neu, aber noch immer herzig: Es meldete die Tagesschau des Schweizer Fernsehens: «Nun ist die Vogelgrippe auch in Westeuropa: in Grossbritannien starb ein Papagei und in Schweden eine Ente.» Und im Garten des Nachbarn starb auch dieses Frühjahr wieder eine junge Amsel.
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Strategisch Blinde sind Menschen, die nur glauben, was sie sehen, jedoch das, was sie sehen, nicht glauben können.
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Zitat: Natürlich kann man auch heute noch in schwierigen Situationen auf Gott vertrauen, aber im Strassenverkehr hat sich halt doch ABS durchgesetzt.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 19 ■ 2006 893