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TAGUNGSBERICHT q COMPTE-RENDU DE CONGRÈS
PEACE, CAMELOT, EVEREST, GEMINI – Neues vom amerikanischen Herzkongress
KARL EBERIUS
Der Jahreskongress der American Heart Association gehört zu den grössten medizinischen Veranstaltungen der Welt. Fast 28 000 Teilnehmer zählten die Veranstalter dieses Jahr in New Orleans. Dazu 300 Journalisten, über 3500 Abstracts und eine Vielzahl an Weiterbildungsangeboten. In Basel stellten Kardiologen unter der Leitung von Prof. Dr. med. Matthias Pfisterer im Rahmen der CardioAcademy einige Highlights des Kongresses vor.
Kreislauf-Meetings. Vor diesem Hintergrund haben die Kongressteilnehmer auch dieses Jahr wieder einiges in dem riesigen Tagungszentrum von New Orleans geboten bekommen. Neben interessanten Vorträgen aus der Grundlagenforschung wurden erneut ein paar wichtige klinische Studien vorgestellt. Für einige Überraschung sorgte zum Beispiel die PEACE-Studie, die vom amerikanischen National Heart, Lung and Blood Institute in Bethesda gesponsert wurde. Während sich die ACE-Hemmer mittlerweile in der Hypertonie- und Herzinsuffizienzbehandlung fest etabliert haben, ging es in dieser Studie nun um die Frage, ob auch eine alleinige koronare Herzerkrankung eine ausreichende Indikation für einen ACE-Hemmer darstellt, wie frühere Untersuchungen angedeutet hatten. Untersucht wurden in der PEACE-Studie 8290 Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit, bei denen eine ausreichend erhaltene Pumpfunktion von mindestens 40 Prozent vorliegen musste. 70 Prozent der Studienteilnehmer nahmen lipidsenkende Medikamente ein, und 72 Prozent hatten sich vor Studienbeginn einer koronaren Revaskularisierung unterzogen. Durchschnittlich waren die Teilnehmer 64 Jahre alt, hatten einen Blutdruck von 133/78 mmHg und wiesen eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von 58 Prozent auf.
Unter dem Signet CardioAcademy berichten wir im Sinne einer
Medienpartnerschaft von den im Anschluss an wichtige internationale Kongresse von
CardioAcademy in verschiedenen Schweizer Städten organisierten
Update-Symposien.
In der randomisiert prospektiv durchgeführten Studie erhielten die Patienten entweder Plazebo oder den ACE-Hemmer Trandolapril in einer Zieldosierung von 4 mg pro Tag. Der primäre Endpunkt umfasste Tod durch kardiovaskuläre Ereignisse, Herzinfarkt oder koronare Revaskularisierungen. Nach einer durchschnittlichen Followup-Dauer von 4,8 Jahren zeigten sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen dem ACE-Hemmer und der Plazebotherapie: In der Trandolapril-Gruppe war es bei 21,9 Prozent der Probanden zu einem der kardiovaskulären Endpunkte gekommen und in der Plazebogruppe bei 22,5 Prozent. Signifikante Unterschiede traten nach Hinweisen von Professor Dr. med. Matthias Pfisterer, der die Studie auf dem Basler Update-Symposium kommentierte, lediglich in zwei kleinen Subgruppen-Analysen auf. Demnach kam es unter der ACE-HemmerTherapie seltener zu einem neuen Diabetes
Der Jahreskongress der American Heart Association (AHA) ist kein Kongress wie jeder andere. Vielmehr handelt es sich bei dem Grossereignis nach Selbsteinschätzung des Veranstalters um die weltweite Nummer eins unter den wissenschaftlichen Herz-
Die Beiträge unter dem Signet CardioAcademy entstehen in Kooperation von ARS MEDICI mit CardioAcademy. Die in CardioAcademy zusammengeschlossenen Kardiologen übernehmen die volle Verantwortung für die Inhalte der Update-Symposien und autorisieren die Berichterstattung darüber. Sie sind frei in der Auswahl der Themen und haben sich einer unabhängigen Fortbildung verpflichtet. CardioAcademy ist eine Initiative der Firma Pfizer und wird von ihr finanziell getragen. Die redaktionelle Berichterstattung wird von Pfizer finanziell unterstützt. Auf die Auswahl der Themen und den Text nimmt die Firma keinen Einfluss.
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PEACE, CAMELOT, EVEREST, GEMINI – Neues vom amerikanischen Herzkongress
Professor Dr. med. Matthias Pfisterer
Dr. med. Thomas Dieterle
Dr. med. Alain Bernheim
mellitus (2,5 vs. 3,2%) und ausserdem zu weniger Herzinsuffizienz-Ereignissen. Als Fazit lässt sich nach Einschätzung von Pfisterer festhalten, dass ACE-Hemmer bei einer stabilen koronaren Herzerkrankung mit guter Pumpfunktion keinen zusätzlichen Benefit bringen, wenn die Patienten bereits die etablierte Standardtherapie erhalten. Dabei verwies der Kardiologe allen voran auf Aspirin, Statine und Betablocker.
Kalziumantagonist als Plaquebremse?
Für Interesse sorgte auch die CAMELOTStudie. Untersucht wurden dabei insgesamt 1991 Patienten, die eine angiografisch dokumentierte koronare Herzerkrankung aufwiesen und deren Blutdruck im Mittel 129/78 mmHg betrug. Die Probanden erhielten randomisiert entweder den Kalziumantagonisten Amlodipin, den ACE-Hemmer Enalapril oder Plazebo.
Während es in der zweijährigen Studiendauer unter Plazebo bei 23 Prozent der Patienten zu kardiovaskulären Ereignissen kam, betrug die Quote unter Amlodipin nur 17 Prozent, was eine signifikante Verbesserung darstellte. In der EnalaprilGruppe belief sich der Wert auf 20 Prozent, er war im Vergleich zu Plazebo jedoch nicht signifikant erniedrigt. Als kardiovaskuläre Ereignisse hatte man dabei neben kardiovaskulärem Tod und Herzinfarkt auch zahlreiche andere Vorfälle wie etwa Hospitalisierungen wegen Angina pectoris oder Herzinsuffizienz gewertet. Neben den Endpunktvergleichen wurden bei einem Teil der Patienten ausserdem intravaskuläre Unterschalluntersuchungen durchgeführt, mit denen sich die Plaquegrösse in den Koronararterien bestimmen lässt. In der Plazebogruppe zeigte sich dabei ein statistisch signifikantes Voranschreiten der koronaren Herzerkrankung. Dagegen kam es nach Angaben von Pfisterer in
Akronyme
PEACE: Prevention of Events with Angiotensin Converting Enzyme Inhibition CAMELOT: Comparison of Amlodipine vs. Enalapril to Limit Occurrences of Thrombosis GEMINI: Glycemic Effects in Diabetes Mellitus: Carvedilol-Metoprolol Comparison in Hypertensives EVEREST: Endovascular Valve Edge-to-Edge Repair Study
der Enalapril-Gruppe zu einer geringeren Progression und unter Amlodipin zu überhaupt keiner Verschlechterung. Der Grund für das bessere Abschneiden des Kalziumantagonisten bei KHK-Patienten im Vergleich zum ACE-Hemmer ist nicht abschliessend geklärt. Unterschiedliche Blutdrucksenkungen schienen jedenfalls nicht verantwortlich zu sein. Während Amlodipin den Blutdruck am Ende der zweijährigen Studiendauer um systolisch 4,8 mmHg und diastolisch um 2,5 mmHg gesenkt hatte, betrug die Blutdruckabnahme unter Enalapril 4,9 und 2,4 mmHg, was also nur einen minimalen Unterschied bedeutet.
Carvedilol für Diabetiker besser als Metoprolol?
Welchen Einfluss haben die Betablocker Carvedilol und Metoprolol auf den Glukose-Stoffwechsel von Diabetespatienten? Dieser Frage wurde in der GEMINI-Studie nachgegangen, die insgesamt 1235 Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 2 und einer arteriellen Hypertonie von über 130/80 mmHg umfasste. Alle Probanden nahmen ausserdem einen ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Antagonisten ein. Das Interesse lag dabei vor allem auf der Veränderung des Glukoseparameters HbA1c, der nach einer fünfmonatigen Therapie unter Metoprolol stärker angestiegen war als unter Carvedilol. So war in der MetoprololGruppe bei 30 Prozent der Patienten ein
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HbA1c-Anstieg über 0,5 Prozent zu verzeichnen gewesen, dagegen nur bei 23 Prozent der Carvedilol-Gruppe, was einen signifikanten Unterschied darstellte. Zudem war es bei 14 Prozent der Metoprolol-Patienten zu einem Anstieg über 1 Prozent gekommen, versus 7 Prozent unter Carvedilol. Darüber hinaus reduzierte sich unter Carvedilol die Albuminurie, während sie unter Metoprolol etwas zunahm. Herzfrequenz und Blutdruck hatten sich nach Studienangaben in beiden Gruppen ähnlich stark gesenkt. Allerdings waren unter Metoprolol häufiger schwere Bradykardien aufgetreten, sodass diskutiert wurde, ob tatsächlich äquipotente Dosierungen bei den beiden Betablockern zum Einsatz kamen.
Herzklappen zukünftig mit Katheter implantieren
Bislang ist die Implantation von Herzklappenprothesen eine Domäne der Herzchirurgen. Möglicherweise lassen sich aber in Zukunft einige solcher Prozeduren auch mit Kathetereingriffen durchführen. Viel versprechend ist zum Beispiel der interventionelle Aortenklappenersatz, bei dem eine zusammengefaltete Prothese mit einem etwa 10 bis 12 French dünnen Katheter vorgeschoben wird – entweder retrograd durch die Aorta oder anterograd mit transseptaler Punktion. Die Verengungen der Aortenklappe werden dabei einfach aufdilatiert, sodass der Kalk an Ort und Stelle verbleibt beziehungsweise an die Seite gepresst wird. In welchem Entwicklungsstadium sich das Verfahren derzeit befindet, lässt sich andeutungsweise aus einer kleinen Serie von 16 Patienten ablesen, die unter einer kalzifizierten Aortenklappenstenose litten und mit der interventionellen Methode behandelt wurden. Bei keinem der 16 Patienten war es zu einem Verschluss der Koronarostien gekommen, was eigentlich zu befürchten gewesen wäre, da die Klappe in den Aortenring hineingequetscht wird. Zudem wurden in der bis zu sechsmonatigen Nachbeobachtungsdauer keine Klappenverschlechterungen beobachtet. Andererseits war bei 3 Patienten eine mit-
Nachgefragt
bei Professor Dr. Matthias Pfisterer
ARS MEDICI: Herr Professor Pfisterer, ist der Jahreskongress der American Heart Association immer noch die Nummer eins unter den Herz-Kreislauf-Kongressen? Prof. Pfisterer: Wenn man die Grösse und den internationalen Impact als Massstab zugrunde legt, hat der Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie mittlerweile massiv aufgeholt. Nicht zuletzt seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 dürfte der europäische Jahreskongress wahrscheinlich sogar grösser sein. Legt man allerdings ausschliesslich den wissenschaftlichen Impact als Massstab zugrunde, ist der Kongress der American Heart Association immer noch führend. Wobei natürlich viele Europäer jedes Jahr entscheidend an den Sessions mitwirken.
Was waren die Highlights des diesjährigen AHA-Kongresses? In diesem Jahr sind nur wenige grosse klinische Studien gezeigt worden. Hervorzuheben sind nach meiner Meinung zwei Untersuchungen, die den Einsatz der ACEHemmer bei Patienten mit einer alleinigen KHK, also bei guter Pumpfunktion und normalem Blutdruck, mindestens in Frage stellen. So hat die PEACE-Studie gezeigt, dass bei KHK-Patienten, deren Pumpfunktion ausreichend ist, also wenn keine Herzinsuffizienz vorliegt, die zusätzliche Gabe eines ACE-Hemmers über die normale Standardtherapie hinaus keinen Vorteil bietet. Und in der CAMELOT-Studie zeigten sich bei KHK-Patienten, die einen normalen Blutdruck aufwiesen, keine statistisch signifikanten Vorteile eines ACE-Hemmers gegenüber Plazebo. Dagegen konnte bei diesen Patienten mit dem Kalziumantagonisten Amlodipin ein zusätzlicher Benefit erzielt werden. Diese beiden Studien sind deshalb wichtig, da bei einer KHK schon sehr viele Präparate zur Standardtherapie gehören. Wobei hier vor allem an Aspirin, Betablocker und Statine zu erinnern ist. Das heisst, man muss schauen, dass man die Patienten nicht mit Medikamenten überlädt. Aufgrund der beiden neuen Studien kann man nun jedoch sagen, dass eine alleinige KHK keine Indikation für einen ACE-Hemmer darstellt. Anders sieht es allerdings aus, wenn neben der KHK eine Hypertonie oder Herzinsuffizienz vorliegt, die natürlich beide eine wichtige Indikation für einen ACEHemmer darstellen.
Welche weiteren Themen haben Sie auf der AHA-Tagung beeindruckt? Unter anderem habe ich mich auf dem Kongress mit koronaren Interventionen beschäftigt. Da kann man nun ganz klar sagen, dass die Drug Eluting Stents den Durchbruch geschafft haben. Ausserdem gibt es auf diesem Gebiet interessante Weiterentwicklungen. Experimentiert wird zum Beispiel mit resorbierbaren und auflösbaren Stents, also mit Stents, die in den Koronararterien Medikamente zur Förderung der lokalen Heilungsprozesse freisetzen und sich anschliessend auflösen. Sehr interessant haben sich auch neue interventionelle Behandlungsmethoden bei Herzklappenfehlern angehört. Gezeigt wurde zum Beispiel, dass der Klappenersatz bei Aortenstenosen interventionell grundsätzlich machbar ist, also eine Klappe mit einem Herzkatheter implantiert werden kann. Dies ist nicht selbstverständlich, da im Gegensatz zu einem offenen chirurgischen Eingriff zum Beispiel die verkalkten Verengungen nicht einfach weggeschnitten werden können. Von solch schonenderen interventionellen Eingriffen könnten eines Tages beispielsweise multimorbide Patienten profitieren, die ein zu hohes Risiko für einen grossen herzchirurgischen Eingriff haben. Allerdings sind diese Methoden noch nicht so weit, dass sie klinisch angewendet werden könnten. Bislang handelt es sich noch um erste Versuche, die am Horizont jedoch neue Therapiemöglichkeiten aufzeigen.
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Die nächsten Update-Symposien – American College of Cardiology Congress 2005
Zürich: Mittwoch, 16. März 2005 Basel: Donnerstag, 17. März 2005 Bern: Donnerstag, 17. März 2005 Genf: Samstag, 19. März 2005 Lausanne: Donnerstag, 7. April 2005
Anmeldung: Dr. Schlegel Pharmamarketing AG Tel. 041-748 76 00, Fax 041-748 76 11 E-Mail: s.willimann@schlegelpharma.ch Internet: www.congress-info.ch
telschwere Aorteninsuffizienz die Folge gewesen. Und insgesamt sei es zu 2 oder 3 Todesfällen gekommen, wie Pfisterer berichtete. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es sich bei den behandelten Probanden um schwerstkranke Patienten handelte, deren Durchschnittsalter 82 Jahre betrug. Ein Teil hatte Karzinome, und 1 Patient war im Herz-Kreislauf-Schock behandelt worden. Nach Einschätzung von Pfisterer geht es zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch noch weniger um die Frage des genauen Outcomes, sondern in erster Linie um die Machbarkeit des Verfahrens, die mit dieser Patientenserie grundsätzlich gezeigt wurde. Bis das Verfahren eines Tages zur klinischen Anwendung kommt, sind demnach noch einige Fragen zu beantworten. Zum Beispiel, wie man am besten beim Vordilatieren mit der Gefahr von Kalkabsprengungen umgeht, da anschliessende Embolisationen zu erheblichen Problemen führen könnten. Auch die Verletzung der Mitralklappe ist offenbar nicht zu unterschätzen, wenn die relativ steifen Katheter vorgeschoben werden. Sind solche Fragen geklärt, wird sich das Verfahren schliesslich an den herzchirurgischen Verfahren messen müssen, die derzeit zweifelsfrei den Goldstandard darstellen, wie Pfisterer betonte.
Clips gegen Mitralinsuffizienz
Auf Interesse stiess zudem ein interventionelles Clipping-Verfahren, das in Zukunft zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz zum Einsatz kommen könnte. Dabei werden die beiden Klappensegel mit einem Herzkathetereingriff in der Mitte zusammenge-
clippt. So ergeben sich bei einer Klappeninsuffizienz aus einer einzigen grossen Rückflussöffnung zwei kleinere Öffnungen, die zusammenaddiert eine geringere Gesamtfläche haben und somit das Regurgitationsvolumen des Blutes reduzieren sollen. Erfahrungen mit dieser Methode wurden auf der AHA-Tagung anhand der EVEREST-IStudie vorgestellt, die 27 Patienten mit einer ausgeprägten Mitralklappeninsuffizienz umfasste. Während bei 24 der 27 Studienteilnehmer die Prozedur glückte und sich bei zwei Dritteln die Mitralinsuffizienz unter einen Schweregrad von 2 verbessern liess, löste sich der Clip bei 3 Patienten und bei 1 Probanden war es infolge des Eingriffes zu einem Schlaganfall gekommen.
Siegeszug der Drug Eluting Stents
Kaum eine Neueinführung hat sich in der Kardiologie so schnell etabliert wie die Drug Eluting Stents. Bereits bei 75 Prozent der in den USA implantierten Stents soll es sich derzeit um Röhrchen handeln, die Medikamente freisetzen. Und schon bald werden es über 90 Prozent sein, wie auf dem diesjährigen Kongress der American Heart Association in New Orleans vorausgesagt wurde. Insgesamt sind trotz der kurzen Zeit, in denen die Drug Eluting Stents zur Diskussion stehen, schon 75 klinische Studien publiziert worden, so der Hinweis von Pfisterer, der dabei auf exzellente Ergebnisse aufmerksam machte. Die Angst vor Restenosen sei praktisch verschwunden. Und ein freizügigerer Gebrauch sei daher auch bei komplexen Stenosen nicht überraschend.
Interessante Weiterentwicklungen betreffen nun resorbierbare und auflösbare Stents, die nach zwei bis drei Monaten nicht mehr vorhanden sind. Nach Erläuterungen von Pfisterer hat dies zum Beispiel den Vorteil, dass die Stents bei späteren Revaskularisierungen nicht mehr im Weg sind. Experimentiert wird bei den Drug Eluting Stents auch mit Wachstumsfaktoren, die das Endothelwachstum lokal anregen sollen. Ziel ist es, eine rasche Endotheliarisierung der Oberfläche herbeizuführen, um einerseits Restenosen zu vermeiden und andererseits Thrombosierungen auf dem Metall zu verhindern.
Schwaches Herz ins Korsett stecken
Für Interesse sorgte auf dem amerikanischen Kongress auch das so genannte CorCap. Dabei handelt es sich um ein Kunststoffnetz, das wie ein Korsett in einem chirurgischen Eingriff um das Herz geschnürt wird. Ziel ist es, bei Herzschwäche ein Voranschreiten der Erkrankung zu bremsen oder eine verlorene Pumpfunktion sogar zurückzugewinnen. Dabei soll das Netz die Wandspannung der Ventrikel verringern und ein Remodeling des linken Ventrikels verhindern. Welcher Nutzen sich mit einer solchen Netzimplantation momentan erreichen lässt, überprüfte eine amerikanische Studie an 300 Patienten unter der Leitung von Professor Dr. med. Douglas Mann vom Baylor College of Medicine in Houston, Texas. Alle Studienteilnehmer litten unter einer dilatativen Kardiomyopathie mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA III–IV). Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion dieser Patienten lag unter 35 Prozent, und der enddiastolische Durchmesser betrug jeweils mehr als 55 mm. Bei 193 der 300 Studienteilnehmer wurde zusätzlich wegen einer Mitralinsuffizienz eine Mitralklappenrekonstruktion oder ein Klappenersatz durchgeführt. Die restlichen 107 Patienten wiesen keine oder nur eine milde Mitralklappeninsuffizienz auf. Insgesamt kam es mit dem CorCap nach
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Das Kunststoffnetz CorCap – eine therapeutische Option bei Herzinsuffizienz?
einer durchschnittlich 22-monatigen Beobachtungsdauer zu einer signifikanten Verbesserung des primären Endpunktes, der sich aus Tod, kardialen Eingriffen und Veränderungen der NYHA-Stadien zusammensetzte. Genauere Betrachtungen zeigten, dass die Mortalität allein unter der CorCap-Therapie allerdings nicht abgenommen hatte. Nach Hinweisen von Dr. med. Thomas Dieterle, der die Untersuchung auf der Basler CardioAcademy kommentierte, kam das signifikante Ergebnis vor allem aufgrund der niedrigeren Rate an herzchirurgischen Eingriffen zustande. Als weniger beeindruckend bewertete er auch die Veränderung der NYHA-Stadien. Zwar kam es mit dem CorCap im Vergleich zur Kontrollgruppe bei mehr Patienten zu einer Verbesserung der NYHA-Einstufung und bei weniger Patienten zu einer Verschlechterung, aber insgesamt waren die Unterschiede statistisch nicht signifikant
gewesen. Darüber hinaus wurde von einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität berichtet. Entsprechend der Schlussfolgerung von Studienleiter Mann könnte das CorCap tatsächlich eine therapeutische Option für Patienten mit einer Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III darstellen, die unter einer dilatativen Kardiomyopathie leiden, wobei nach seinen Ausführungen noch weitere Untersuchungen erforderlich seien.
Mit Azimilide Elektroschocks verhindern?
Implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) stellen eine wirkungsvolle Therapie bei ventrikulären Tachykardien dar. Zusätzlich erhalten viele Betroffene eine medikamentöse Antiarrhythmikatherapie, um symptomatischen Tachykardien vorzubeugen und die teilweise äusserst unangeneh-
men Elektroschocks zu verhindern. Aller-
dings ist die Auswahl an antiarrhythmi-
schen Medikamenten bei dieser Indikation
nicht besonders gross. Daher hat nun eine
Studie an 633 ICD-Trägern überprüft, ob
für diesen Zweck auch der Kaliumkanal-
blocker Azimilide in Frage kommt. Dabei
erhielten die ICD-Träger zusätzlich zu ei-
nem Betablocker randomisiert entweder
Plazebo oder 75 respektive 125 mg Azimi-
lide pro Tag.
Nach einer Beobachtungsdauer von einem
Jahr zeigte sich im Vergleich zu Plazebo un-
ter beiden Medikamentendosierungen eine
signifikante Reduktion des ersten primären
Endpunktes. Dieser Endpunkt setzte sich aus
der Summe aller Elektroschocks und sym-
ptomatischen Tachyarrhythmien zusammen,
die mit dem so genannten antitachykarden
Pacing (ATP) beendet wurden, was ein ver-
gleichsweise sanftes Behandlungsverfahren
darstellt. Keine signifikanten Verbesse-
rungen ergaben sich dagegen, wenn aus-
schliesslich die teilweise sehr unangeneh-
men Elektroschocks verglichen wurden.
Die Abbrecherquote war in allen drei Stu-
dienarmen ähnlich gewesen. Während
40 Prozent der Plazebogruppe die Therapie
innerhalb der Beobachtungsdauer von ei-
nem Jahr aus unterschiedlichen Gründen
nicht fortsetzten, waren es in der 75-mg-
Gruppe 36 Prozent und in der 125-mg-
Gruppe 35 Prozent gewesen.
Darüber hinaus war es unter der 75-mg-
Dosierung zu einer schweren, aber rever-
siblen Neutropenie gekommen, während
die Mortalitätsrate in allen drei Gruppen
mit 3 bis 4 Prozent ungefähr gleich hoch
war, wie Dr. med. Alain Bernheim berich-
tete, der die Studie in Basel vorstellte und
dabei noch auf einige Limitationen der Un-
tersuchung hinwies. Zum Beispiel war die
Beobachtungsdauer von nur einem Jahr re-
lativ kurz gewesen. Zudem wurden in der
Studie keine Daten zu den genauen Beta-
blocker-Dosierungen genannt, was aber
durchaus interessant gewesen wäre. Die
Autoren hatten lediglich angegeben, dass
etwa 80 Prozent der Patienten einen Beta-
blocker einnahmen.
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